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NABU will neue Agrarpolitik mit konsequent durchgesetztem Ordnungsrecht

Der NABU fordert aufgrund der angeblich schlechten Umweltbilanz der EU-Landwirtschaftspolitik drastische Änderungen bei der künftigen Agrarförderung. Dazu stellte der Umweltverband eine Studie vor. Diese soll zeigen, wie die Agrarsubventionen in Zukunft so verteilt werden können, dass Landwirte und Umwelt profitieren.

Lesezeit: 9 Minuten

Nach Ansicht des NABU hat die sich Landwirtschaft in den vergangenen durch immer intensivere Nutzung einerseits und teilweise auch durch die Aufgabe von Flächen andererseits zum größten Faktor für den Artenschwund und die Verarmung vieler Ökosysteme in Europa entwickelt.

 

Zunehmend würden Intensivkulturen überwiegen, Lebensraumvielfalt für Tiere gehe verloren. Die Massentierhaltung sorge für Überdüngung und Belastung des Grundwassers. Ein starker Pestizideinsatz führe zudem zum drastischen Rückgang von Insekten.

 

Hierfür ist laut den Naturschützern die EU-Agrarpolitik mit ihrer Förderpolitik zwar nicht allein-, aber zu einem großen Teil verantwortlich. Subventionen per „Gießkanne“ förderten die umweltschädliche Intensivierung, während zu wenig Mittel für die gezielte Honorierung von Naturschutzleistungen der Landwirte bereit stünden.

 

Auch bei vielen weiteren politischen und gesellschaftlichen Zielen sei die GAP gescheitert. Der NABU nennt hier den Erhalt der Kulturlandschaft, den Tierschutz und die Sicherung einer Perspektive für nachhaltig wirtschaftende Betriebe. Die Agrarpolitik der EU erfülle somit keinesfalls die Anforderungen der von Deutschland und den anderen EU-Mitgliedstaaten unterzeichneten globalen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung.


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Prämien nur noch bei Naturschutzleistungen


Daher hat der NABU beim Institut für Agrarökologie und Biodiversität (IFAB Mannheim) und dem Ingenieurbüro für Naturschutz und Agrarökonomie (INA Göttingen) ein Gutachten in Auftrag gegeben.


„Die Agrarpolitik der EU versagt, trotz wiederholter Reformversuche, seit Jahren auf ganzer Linie“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke bei der Vorstellung der Studie in Berlin. „Bislang werden die öffentlichen Gelder überwiegend ineffizient und im Ergebnis umweltschädlich verteilt. Dem Steuerzahler fällt diese Agrarpolitik sogar doppelt zur Last, denn die Schäden an Boden, Wasser und Natur müssen kostspielig behoben werden.“

 

Angesichts der enormen Steuermittel, die Jahr für Jahr in den Agrarsektor fließen, und der negativen Folgen für Mensch und Natur, sei eine grundlegende Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik überfällig. Insgesamt würden derzeit 40 Prozent des EU-Haushalts in die Landwirtschaft, das seien 112 Euro pro EU-Bürger und Jahr. Die EU-Förderung besteht zum größten Teil aus pauschalen Flächenprämien ohne konkrete Gegenleistung – in Deutschland sind das pro Hektar rund 300 Euro.


„Nur durch mächtigen Lobby-Einfluss auf die Politik ist es zu erklären, dass heute immer noch 60 Milliarden Euro pro Jahr mit sehr geringem Nutzen für die Allgemeinheit verteilt werden. Diese Agrarpolitik hält weder das Höfesterben auf, noch wird sie dem Klima- und Naturschutz gerecht“, so Tschimpke.

 

Das neue von den Agrarökologen und -ökonomen entwickelte Modell würde Natur und Landwirten künftig gleichermaßen nutzen: Bei gleich bleibender Fördersumme könnten drei Viertel der deutschen Agrarfläche besonders naturverträglich bewirtschaftet werden. Gleichzeitig würden auch die Einkommen der teilnehmenden Betriebe steigen.

 

Dazu sieht das Modell folgende Änderungen vor: Statt, wie bisher, bedingungslos und pauschal Direktzahlungen an die Landwirtschaftsbetriebe auszugeben, sollte dieses „Gießkannenprinzip“ durch eine neue Prämie ersetzt werden, die an konkrete Nachhaltigkeitskriterien geknüpft ist. Zusammen mit gezielten Zahlungen für bestimmte Umweltleistungen und -maßnahmen würde dies zu einem ökonomisch attraktiven Anreiz für die Landwirte führen, der weit über den Ausgleich von Einkommensverlusten hinausgeht.

 

Anhand konkreter Berechnungen zeigt die Studie laut Tschimpke, dass Betriebe, die in Zukunft mindestens zehn Prozent ihres Ackerlands oder 20 Prozent ihres Grünlands als ökologisch hochwertige Flächen bewirtschaften, finanziell mindestens genauso gut oder besser gestellt wären als bisher. Das Plus betrage meist fünf bis zehn Prozent im Gesamtbetriebsergebnis, zum Teil auch darüber, wobei Ertragseinbußen durch die geringere Produktion bereits berücksichtigt seien. Dadurch entstünden wichtige Perspektiven gerade für Betriebe auf weniger ertragreichen Standorten.

 

Betriebe, die nur die Mindeststandards der Umweltgesetze einhalten wollen, könnten dies künftig auch tun – sollen dann aber kein Geld mehr vom Steuerzahler erhalten. Durch diese Umstellung könne die Agrarförderung gegenüber der bisherigen Praxis wesentlich umwelt- und naturfreundlicher und gegenüber Landwirten wie Steuerzahlern weitaus fairer gestaltet werden, so Tschimpke.


BBV: "NABU soll Kirche im Dorf lassen"


„Für unsere 109.000 Bauern in Bayern ist es ein Schlag ins Gesicht, wenn NABU-Präsident Tschimpke damit die erbrachten Umweltleistungen missachtet und die dafür notwendigen Unterstützungsgelder umverteilen will“, kommentierte Alfred Enderle, Umweltpräsident im Bayerischen Bauernverband, die NABU-Vorwürfe.


Mit der pauschalen Aussage, die Gelder der EU-Agrarpolitik würden nach dem „Gießkannenprinzip“ eingesetzt, ignoriere der NABU den differenzierten und begründeten Einsatz der EU-Agrargelder für eine Vielfalt an nachhaltigen Maßnahmen. „In der Diskussion über eine angemessene Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik nach 2020 soll der NABU die Kirche im Dorf lassen und bitte bei den Fakten bleiben“, sagt Enderle.


An den Erhalt der Direktzahlungen sind umfassende Bestimmungen über Cross Compliance und Greening gebunden, die allein schon eine 100-seitige Broschüre mit den zu beachtenden Anforderungen in Bezug auf Umwelt-, Klima- und Naturschutz für jeden Landwirt ausmachen. „Es ist ein dicker Hund, wenn der NABU erklärt, dass diese EU-Gelder ohne Gegenleistung der Bauern gezahlt würden“, erklärt Enderle.


Beim Greening müssen zusätzliche Vorgaben zur Anbausituation und auf mindestens fünf Prozent der Flächen zusätzliche ökologische Vorrangflächen bereitgestellt werden. In Bayern betrifft beides jeweils mehr als 80 Prozent der Ackerfläche, die an diese Bestimmungen gebunden sind. „Unsere Bauern erfüllen Greening und schaffen auf 231.000 Hektar ökologische Vorrangflächen. Mit Randstreifen an Gewässern, Feld- oder Waldrändern haben bayerische Bauern allein in diesem Jahr rund 2.200 Kilometer angelegt für mehr Biodiversität. Dies entspricht einer Strecke von Gibraltar nach Hamburg, quasi einmal quer durch Europa“, erläutert Enderle.


Hinzu kommen noch die freiwilligen zusätzlichen Umwelt- und Naturschutzleistungen, die die Landwirtschaft über die Agrarumweltmaßnahmen der so genannten zweiten Säule der EU-Agrarpolitik erbringt. „In Bayern wird kooperativer Umwelt- und Naturschutz auf jedem dritten Hektar im Rahmen von Agrarumweltprogrammen geleistet“, sagt Enderle.


Bei der diesjährigen Evaluierung der Umsetzung des Bayerischen Kulturlandschaftsprogramms im Rahmen der EU-Agrarpolitik 2007 bis 2013 kam die über eine Ausschreibung, unabhängig beauftragte Forschungsgruppe Agrar- u. Regionalentwicklung Triesdorf zum Ergebnis: 784.131 Hektar tragen zur Biodiversität bei, 60 Prozent der 14 relevanten Maßnahmen haben sogar hohen naturschutzfachlichen Wert und 1.174.775 Hektar tragen zum Gewässerschutz bei. "Und diesen im Kern erfolgreichen Weg, den die differenzierten Instrumente auch der aktuellen EU-Agrarpolitik ermöglichen, gilt es weiterzuentwickeln", erklärt Enderle. Die tief greifenden Vorschläge des NABU dürften solche Erfolge über einen kooperativen Weg eher gefährden.



Details aus der Studie


Aus der Studie „Fit, fair und nachhaltig – Vorschläge für eine neue EU-Agrarpolitik“ zieht der NABU Schlussfolgerungen, wörtlich heißt es da:

 

1. Die gegenwärtige GAP hat eine eindeutig negative Umweltbilanz. Auch mit der jüngsten Reform kann die EU ihre Umwelt- und Naturschutzziele nicht erreichen. Die GAP bedarf dringender und grundlegender Veränderung.

 

2. Eine nachhaltige Agrarpolitik muss auf einem ausreichend anspruchsvollen, für alle geltenden und konsequent durchgesetzten Ordnungsrecht aufbauen. Unabhängig davon, ob Förderung in Anspruch genommen wird, darf künftig kein Betrieb mehr umweltschädlich wirtschaften.

 

3. Die gegenwärtig für die Agrarförderung verausgabten Steuermittel könnten in einer grundlegend reformierten GAP wesentlich effizienter und mit einem erheblich größeren gesellschaftlichen Mehrwert eingesetzt werden, als dies derzeit der Fall ist.

 

4. Die Studie schlägt ein alternatives Fördermodell vor, bei dem die gegenwärtigen – de-facto bedingungslosen – pauschalen Direktzahlungen ersetzt werden durch Prämien, die an konkrete Nachhaltigkeitskriterien geknüpft sind. Wie hoch die Zahlungen für den einzelnen Betrieb ausfallen, ist auch abhängig davon, in welchem Umfang zielgenaue Maßnahmen zum Beispiel für den Erhalt der Artenvielfalt umgesetzt werden. Dabei werden nicht nur Einkommensverluste ausgeglichen, sondern attraktive ökonomische Anreize geboten. Durch diese Form der Agrarförderung können deutlich mehr Landwirte in die Lage versetzt werden, wertvolle Natur- und Umweltleistungen für die Gesellschaft zu erbringen. Nach dem Prinzip: “Öffentliche Gelder (nur) für öffentliche Leistungen”

 

5. Die Berechnungen der Studie zeigen, dass viele deutsche Agrarbetriebe nach diesem Modell ihr Einkommen verbessern könnten, wenn sie sich in größerem Umfang für die Erbringung konkreter Leistungen für Umwelt und Artenvielfalt entscheiden und bestimmte Nachhaltigkeitskriterien einhalten, wie Mindestanteile von ökologisch hochwertigen Flächen oder Obergrenzen für den Viehbesatz pro Fläche.

 

6. Es müssen sinnvolle Wege zur Vereinfachung und zur Sicherstellung einer angemessenen Kontrollierbarkeit im Fördersystem gefunden werden, der Erfolg der Maßnahmen darf dabei jedoch nicht gefährdet werden.


Der NABU gibt außerdem zu bedenken


7. Der für die Berechnungen innerhalb der Studie angenommene gleichbleibende Umfang der EU-Agrarförderung für Deutschland ist ein vereinfachender Ausgangspunkt für weitere Szenarien. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird der EU-Agrarhaushalt nach 2020 wegen des Brexit und aufgrund der sinkenden politischen Akzeptanz für eine Sonderstellung der Landwirtschaft deutlich kleiner ausfallen als bisher. Dabei muss nach Ansicht des NABU gelten: Je kleiner das künftige Agrarbudget, desto größer muss der Anteil zielgenauer, hocheffektiver Fördermaßnahmen und desto anspruchsvoller muss das Ordnungsrecht sein, damit die gleichen Ziele für Umwelt- und Naturschutz erreicht werden können. Breit angelegte, schwach konditionierte und somit eher ineffiziente Zahlungen sind in diesem Fall noch weniger zu rechtfertigen als heute.

 

8. Wenn es gelingt, die GAP gezielt und effizient an Gemeinwohl, Nachhaltigkeit und den ökologischen Herausforderungen der Zukunft auszurichten, dann besteht die Chance, dass Politik und Gesellschaft auch in Zukunft bereit sind, eine bedeutende Summe von Steuermitteln für die Unterstützung von Landwirten bereit zu stellen.

 

9. Die vorgelegte Studie bezieht sich in erster Linie auf Deutschland, kann aber im Prinzip auch auf andere EU-Mitgliedsstaaten übertragen werden. Dennoch muss weiter untersucht und diskutiert werden, welche Agrar- und Ernährungspolitik EU-weit am effektivsten zu einer wirklich nachhaltigen Landwirtschaft beitragen kann. Dabei muss ein System gefunden werden, das für alle EU-Mitgliedstaaten die beste Balance zwischen konsequent vollzogenem Ordnungsrecht und zielgenauer, gesellschaftlich akzeptabler öffentlicher Förderung ermöglicht.

 

10. Unabhängig von einer Neuausrichtung der GAP muss nach Ansicht des NABU und weiterer deutscher Umweltverbände ein EU-Naturschutzfonds eingerichtet werden, um Arten und Lebensräume von EU-weiter Bedeutung mit gezielten Maßnahmen wieder in einen günstigen Zustand zu versetzen. Dazu sollte die EU mindestens zwölf bis 15 Milliarden Euro jährlich bereit stellen. Viele dieser Maßnahmen können und sollen von Landwirten und Waldbesitzern umgesetzt werden, weshalb der Naturschutzfonds eine reformierte, naturverträgliche und nachhaltige GAP komplementär ergänzen sollte.

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