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topplus Häusling, Krüsken, Lakner

Talkrunde: Ist Europas Agrarpolitik fit für die Zukunft?

In einer digitalen Diskussionsrunde sprachen Martin Häusling, Prof. Sebastian Lakner und Bernhard Krüsken über das Wie beim Klimaschutz und die künftige Rolle der Agrarprämien.

Lesezeit: 9 Minuten

Für die Europäische Union hat EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen ein neues Zeitalter des nachhaltigen Wirtschaftens eingeläutet. Mit dem „Green Deal“ will die Kommission, dass die Menschen in Europa bis 2050 klimaneutral wirtschaften und leben.

Damit ist klar: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Wirtschaft und Gesellschaft müssen den Schutz von Ökosystemen in tägliches Handeln ‚einpreisen‘. Doch was sind die Strategien, um diese elementare Herausforderung des Klimawandels zu meistern? Auch die Landwirtschaft braucht Konzepte für diese Zukunft. Doch wie soll das konkret aussehen? Welche Landwirtschaft wollen wir erreichen? Hierüber diskutierte der grüne Europapolitiker Martin Häusling am Montagabend mit DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken und Prof. Dr. Sebastian Lakner von der Uni Rostock unter Moderation von top agrar-Korrespondentin Stefanie Awater-Esper in einer Onlinerunde.

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Bauern bereit zu mehr Klimaschutz

Im ersten Diskussionsteil ging es um den Klimawandel. Bernhard Krüsken stellte klar, dass sich die Landwirte an der Frontline der Klimaveränderungen befinden. Die Arbeit der Bauern habe sich dadurch schon langfristig verschoben. „Es gibt unter den Betrieben eine große Bereitschaft, etwas zum Klimaschutz zu tun“, betonte der Verbandsvertreter. Er sieht drei große Hebel für die Lösung der Herausforderungen:

  1. Klimaeffizienz steigern. Damit meint er nicht die Produktionsintensität, wie manche dem Berufsstand gern unterstellen. Ziel müsse sein, die Input-Output-Relation klimafreundlich zu gestalten. Die Landwirtschaft sei da schon deutlich besser geworden.

  2. Einsparleistung stärker herausheben: Bislang werde diese Leistung der Landwirtschaft in anderen Sektoren verbucht.

  3. CO2-Inventar in den Böden: 5 Mrd. t Kohlenstoff sind laut Krüsken in den Böden und Wäldern gespeichert. Die Hälfte davon in landwirtschaftlich genutzten Böden. Diese Speicherleistung der Landwirtschaft dürfe man nicht unter den Tisch fallen lassen.

Größte Stellschraube sind die Moore

Welche Stellschrauben für mehr Klimaschutz möglich sind, wollte Stefanie Awater-Esper dann von Prof. Lakner erfahren. Dieser verwies auf das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates aus dem Jahr 2016, das drei große Hebel benennt:

  1. Die Moorböden bzw. die organischen Böden machen nur 7 – 8 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche aus, sie seien aber für 37 % der CO2-Freisetzungen verantwortlich. Insbesondere in Norddeutschland würden die Bauern auf diesen Standorten Mais anbauen. Würde man diese Böden wieder vernässen und zu Grünland umwandeln, könnten 4 % der gesamten nationalen CO2-Emissionen gebunden werden.



    Lakner hält die bisherigen Wiedervernässungsbemühungen für „sehr überschaubar“. „Es ist widersinnig, dass es für die Nutzung von Mooren Prämien gibt, für die Vernässung aber nichts. Da ist viel Überzeugungsarbeit notwendig und man muss natürlich Geld in die Hand nehmen“, so der Professor.



  2. Der Fleischkonsum muss sinken, da ist der Verbraucher gefragt



  3. Aufforstung und Agroforstsysteme

Zahlen schöngerechnet

Der Agrarsprecher der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling, hält die Zahlen aus der Landwirtschaft für schöngerechnet. Statt 8 % Anteil der Landwirtschaft an den Klimagasen seien es 30 %. Man müsse nämlich auch die Düngerproduktion, den Sojaanbau und Import, die Palmölimporte, die Lachgasemissionen u.v.m. mit in die Klimabilanz einrechnen. Beim Aufbau von Humus stimmt Häusling dem DBV zu, nur sei der Maisanbau deutlich humuszehrend.

„Wir müssen konkret über Moore, Agroforstsysteme, über Grünlandschutz und über Tierbestände reden. Auch der Export von deutschen Agrargütern ist nicht nachhaltig. Die Tierhaltung muss an die Fläche gebunden werden“, so der Politiker. Vorbild ist für ihn der Biolandbau, der mit Luzernegras, Untersaaten etc. gut durch die Dürrejahre komme. „Das kostet zwar Geld, bringt aber am Ende auch viel. Da muss nur noch mehr Förderung her.“

Von einer Mehrgefahrenversicherung als Antwort auf den Klimawandel hält Häusling übrigens nichts. Krüsken stellt jedoch klar, dass dies nur ein Baustein von vielen sei und für viele Betriebe sicherlich eine wichtige Ergänzung darstellen könnte, nicht die eine Lösung.

Das Thema Wiedervernässung findet laut dem Bauernverbandsvertreter hingegen wenig Anklang, da den Bauern keine Alternative geboten werde. Stattdessen hörten sie nur, dass etwas weggenommen und verboten werden soll. „Es gibt kein System zur Bonifizierung und Bepreisung der Leistungen durch die Landwirte“, bedauert Krüsken.

Verbraucher müssen ihren Teil leisten

Prof. Lakner betonte in dem Zusammenhang, dass der ganze Umbau auch nichts bringe, wenn sich gleichzeitig auf der Verbraucherseite nichts ändert. „Der Wandel bei den Verbrauchern muss von innen heraus kommen, anstatt den Verbrauchern ein schlechtes Gewissen zu machen oder zu zwingen. Das muss aus Überzeugung heraus geschehen, da ist noch sehr viel zu tun“, so der Fachmann. Lakner fordert, dass Innovationen entwickelt werden, wie man auch mit nassem Grünland erfolgreich wirtschaften kann. Das gehe nur in Kooperation mit den Bauern, Landwirte müssten Partner bei dem Prozess sein, der natürlich Geld kostet. Die Folgekosten der Moornutzung beziffert der Wissenschaftler auf 2,8 bis 8,6 Mrd. €/Jahr.

Häusling betonte nocheinmal, wie enorm wichtig Grünland als CO2-Speicher sei. Er wehre sich auch gegen Meinungen, dass Kühe klimaschädlich seien. Er wünsche sich ein Grünlandumbruchverbot und eine höhere Honorierung der Grünlandregionen.

Agrarpolitik: „DBV will doch eigentlich, dass alles so weitergeht“

In der zweiten Hälfte der Talkrunde ging es um die Agrarpolitik. Häusling bemängelte, dass alle Verbände und Politiker auf Brüsseler Bühne JA zum Klimaschutz sagen, aber nicht, wie dies gelingen soll. Da werde meist nur schnell auf neue Techniken verwiesen, die das richten sollen. „Der DBV will doch auch eigentlich, dass alles so weitergeht, wie bisher. Ein bisschen mehr Maßnahme und gut“, sagte Häusling. Er fragt, warum sich der Verband nicht für eine Stickstoffreduzierung einsetze, für mehr Grünlandförderung oder eine eigene Eiweißversorgung. Seinen Informationen nach könnte Deutschland problemlos 2 % der Fördergelder für die Eiweißförderung verwenden. „Bauern und Verbandsvertreter haben es wohl noch nicht läuten gehört, dass es so wie bisher nicht weitergeht“, meinte der Grünen-Politiker.

Er würde die zweite Säule, den Ökolandbau, nachhaltige Tierhaltung sowie Verarbeitungssysteme viel stärker fördern, man müsse weg von den bedingungslosen Flächenleistungen; 70 % der Gelder gingen heute einfach so an die Empfänger. „Heute haben sich so viele an die Subventionierung gewöhnt und die Prämien eingepreist. Nur der Handel verdient wirklich an den Produkten.“

Lakner forderte, dass es von der Politik das ganz klare Signal geben müsse, dass es künftig öffentliche Gelder nur noch für öffentliche Leistungen gibt. „Die GAP ist heute weder effektiv, noch effizient und trägt nicht zur Lösung der Probleme bei. Wir müssen definitiv mehr Geld für öffentliche Leistungen ausgeben, die Regierung eiert rum und gibt kein klares Signal“, kritisiert der Rostocker Professor. Er glaubt, dass sich die Programme der zweiten Säule tatsächlich eignen, um Klimaverbesserungen zu erreichen. Man komme allerdings nicht um einen Klimafonds herum.

Sind die Prämien für die Maßnahmen denn sicher?

Viele Bauern würden gerne mehr Maßnahmen durchführen, sind aber unsicher, ob diese am Ende auch entlohnt werden. Auf die Frage von Stefanie Awater-Esper, wie sicher die Prämien sind, bestätigte Lakner, dass die Politik diese Verlässlichkeit signalisieren müsse. „Klimaschutz als Betriebszweig kann es nur mit einem Gemeinwohl- oder Risikozuschlag geben, damit die Betriebe investieren können und einen Gewinn haben.“

Das sieht auch Bernhard Krüsken so. Er wünscht sich eine Anreizkomponente für die Agrarumweltmaßnahmen und den Klimaschutz. Dass Bauern 70 % der Prämien ohne ein Zutun bekommen, will er aber so nicht stehen lassen. „Die Prämienauszahlung ist ja bereits an die Einhaltung zweckgebundener Maßnahmen gekoppelt. Der Entwicklungsprozess hat längst begonnen, die klassische Prämie ohne Zutun der Landwirte ist auf 40 % geschrumpft und sinkt weiter“, so Krüsken. Die Landwirte würden ja auch gerne mehr bei der Eiweißversorgung unternehmen, aber die Kommission habe die Leguminosen aus dem Greening gestrichen, weshalb der Anbau dann sofort abgesackt wäre.

Krüsken fragt, wieviel Decarbonisierung sich Deutschland denn leisten könne. Er sieht da alle Bereiche und Branchen in der Pflicht, ihren Anteil beizusteuern. „Da müssen sich alle ehrlich eine Vorgabe geben.“

Ob die Prämien sicher sind? Da hat Häusling eine klare Antwort: „Wenn wir die Agrargelder nicht besser begründen, dann sind sie in Gefahr, sonst nicht.“ Vom DBV-Generalsekretär kam das Angebot, bei der Eiweißversorgung an einer Lösung zu arbeiten. Dann müssten aber auch Schwein und Geflügel auf Soja verzichten können. Häusling meinte, dass sich der DBV in Brüssel viel engagierter mit neuen Ideen einbringen und gemeinsam mit den anderen eine Argumentationslinie finden müsse.

Bei der Düngung sind Bauern auf dem richtigen Weg

Lakner erinnerte daran, dass seit der Wende 900.000 ha Grünland verloren gegangen sind. Auch den Landverbrauch müsse man dringend begrenzen. Es sei eine effizientere Stickstoffdüngung notwendig, wobei sich da in letzter Zeit viel in die richtige Richtung getan habe. Nur die Maßnahmen seien im Verhältnis zu der Wirkung wiedervernässter Moore recht gering.

Häusling reicht das noch nicht, er fordert, dass auch die vor- und nachgelagerten Bereiche eingebunden werden müssten, und nicht nur die Landwirtschaft. „Wir brauchen bei der Erzeugung wieder ein normales Niveau, mehr Regionalität, wir müssen Kreisläufe schließen, weg von der Überproduktion für den Export. Und wir müssen Agrargelder gezielt einsetzen.“

Bernhard Krüsken ließ auf konkrete Nachfrage Häuslings durchblicken, dass der DBV in Brüssel keine Abschaffung der Direktzahlungen fordern werde. Man sei aber zu einem Mix von Maßnahmen und Zielen bereit. Man werde in die Diskussion über eine Verschiebung der vorhandenen Komponenten einsteigen, wobei Ökonomie und Stabilität wichtigste Punkte seien.

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