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Tierschutzbund will Bauern von neuen Stallsystemen überzeugen

Da Medien und vor allem kleine Interessengruppen heute vielfach ein sehr negatives Bild der Landwirtschaft zeichnen, fand am Mittwoch ein Diskussionsforum zum Thema Tierhaltung auf dem Bauerntag in Fürstenfeldbruck statt. Für den Deutschen Tierschutzbund stellte sich dabei dessen Präsident Thomas Schröder der Kritik der Bauern.

Lesezeit: 6 Minuten

Da Medien und vor allem kleine Interessengruppen heute vielfach ein sehr negatives Bild der Landwirtschaft zeichnen, fand am Mittwoch ein Diskussionsforum zum Thema Tierhaltung auf dem Bauerntag in Fürstenfeldbruck statt. Für den Deutschen Tierschutzbund stellte sich dabei dessen Präsident Thomas Schröder der Kritik der Bauern.


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Eins vorweg: Der große Zoff blieb aus, stattdessen wurden die Argumente in dem vollbesetzten Saal sachlich ausgetauscht. Allerdings war sich der Tierschutzvertreter bewusst, wo er auftrat und schlug entsprechend versöhnliche Töne an.


Zunächst stellte Schröder klar, dass es ihm nicht um die Diskussion „groß gleich schlecht und klein gleich gut“ gehe. Vielmehr wolle er bei jeder Betriebsgröße das Wohlbefinden des einzelnen Tieres betrachten. Die Kritik von Landvolkpräsident Werner Hilse an dem Begriff „Massentierhaltung“ ließ der Tierschützer denn auch abprallen. „Ich habe das Wort gar nicht in den Mund genommen. Ich spreche lediglich von industriell geprägter Intensivhaltung“, konterte Schröder.


Im Kern spricht sich der Tierschutzbund dafür aus, die Tierhaltungssysteme zu überdenken und neu zu konzipieren. So müsse ein Landwirt Ferkel nur kastrieren und die Schwänze kürzen, weil es das Tierhaltungssystem so erfordert. „Frühere Einzelgenehmigungen wie etwa das Enthornen sind heute überall Standard. Das System hat sich so geändert, dass den Landwirten gar nichts anderes übrig bleibt“, begründete Schröder seine Kritik. Ihm sei bewusst, dass die Maßnahmen aus heutiger Sicht notwendig seien, doch man müsse die Konzepte doch weiterentwickeln. „Irgendwann hat die Tierhaltung in Deutschland auf dem Weg der Verbesserungen in der Haltung eine Abzweigung verpasst und läuft seitdem in die falsche Richtung“, so der oberste Tierschützter, der in diesem Zusammenhang auch auf die seiner Meinung nach „krank gezüchteten" Hochleistungstiere hinwies.


Sein Bestreben sei es nun, zusammen mit den Bauern ein neues System unter Einbeziehung wissenschaftlicher Fakten zu entwickeln, er warte lediglich auf einen gemeinsamen Startpunkt für die Diskussion.


"Was ist denn schlecht am Schwänzekürzen und am Brandzeichen?"


Erwartungsgemäß auseinander gingen anschließend die Meinungen, was denn Schmerz ist und was eigentlich so schlimm daran sei, wenn ein Tier kurzzeitig einen Schmerz erfahre. Die anwesenden Tierhalter im Saal zeigten sich in Wortmeldungen davon überzeugt, dass dies nicht schlimmer sei als ein Arztbesuch beim Menschen. Der Frust blickte dabei auch bei dem geplanten Verbot des Brandzeichens bei Pferden durch.


Ebenso zeigten sich die unterschiedlichen Positionen im Punkt Tiergerechtigkeit: Die Landwirte, auf dem Podium vertreten durch DBV-Vizepräsident Werner Hilse, erklärten, die Einhaltung der Gesetze gewährleiste vollen Tierschutz. Thomas Schröder hingegen hält die gesetzlichen Vorgaben für viel zu lasch.


Der Bundesregierung warf er Tatenlosigkeit vor. Insbesondere beim Tierschutzlabel habe die Politik versagt, weshalb der Tierschutzbund ein eigenes Label entwickelt habe. So sei die Einstiegsstufe für Landwirte recht erträglich. Der Sauenhalter müsse z.B. auf die betäubungslose Kastration verzichten, dürfe keine Schwänze kopieren und müsse abgetrennte Funktionsbereiche schaffen. Geflügelhalter müssten Scharrräume schaffen, die Tiere langsamer mästen und Beschäftigungsmaterialien bereitstellen. In der zweiten Stufe, dem Prämiumlabel, müsse der Landwirt den Schweinen u.a. Auslauf gewähren und auf Gentechnik verzichten.


Blasser Auftritt des Agrar-Wissenschaftlers


Prof. Dr. Thomas Jungbluth (Uni Hohenheim) von der Deutschen Agrarforschungs-Allianz (DAFA) stellte die Frage zurück, ob dadurch nicht eine Zwei-Klassen-Tierhaltung entstehe und ob der Verbraucher dies wirklich belohne. Ansonsten schlug sich der Wissenschaftler erstaunlich oft auf die Seite des Tierschützers, indem er dessen Vorwürfe indirekt bestätigte . So könne er in der Zucht ebenfalls Fehlentwicklungen erkennen, jedoch müsse der Tierhalter an die Wirtschaftlichkeit denken. Auch was die Ställe angeht, sieht Prof. Jungbluth einigen Verbesserungsbedarf. Insgesamt blieben seine kurzen Ausführungen jedoch hinter den Erwartungen zurück und brachten die Diskussion nicht mit neuen Lösungsansätzen nach vorn.


Der Lebensmittelhändler will mehr kommunizieren


Die Kernaussage des Lebensmittelhändlers Paul Daum von Konzern Kaisers Tengelmann kann man kurz mit dem Wort „Kommunikation“ beschreiben. Er sieht große Defizite in der Kommunikation zwischen Bauern, Handel und Verbrauchern. Gelächter unter den anwesenden Praktikern erntete der gelernte Landwirt dann für seine Aussage, der Handel versuche schon seit Jahren, den Verbrauchern höhere Preise zu vermitteln. „Der Handel setzt die Bauern und die Preise nicht unter Druck“, so Daum entschuldigend. Vielmehr müsse der Markt die Weitergabe der Mehrkosten für die Bauern bei Tierschutzmaßnahmen regeln. „Wir leben in Deutschland nicht auf einer Insel, sondern sind im harten internationalen Wettbewerb.“ Ein empörter Landwirt rief daraufhin dem Redner zu, der Handel müsse endlich aufhören den Verbrauchern eine heile Landwirtschaftswelt der 50er Jahre und tappsige Bären mit einer Milchkanne auf der Alm zu verkaufen. Stattdessen sollte in den Werbespots die Realität gezeigt werden. Gutes Beispiel sei hier McDonalds mit seinen Spots .


"Die Leute haben heute absolut keine Ahnung mehr von Landwirtschaft"


Dies führte zum letzten Thema der Diskussionsrunde, der Öffentlichkeitsarbeit. Werner Hilse zeigte sich bestürzt über das katastrophale Darstellungsbild der Landwirtschaft in den heutigen Schulbüchern. Genauso werde die falsche Meinung der künftigen Verbraucher geformt.


Landwirtin Susanne Schulze Bockeloh aus Münster berichtete von den sehr positiven Ergebnissen der offenen Höfe und forderte ein großes Budget für solche ehrenamtlichen Maßnahmen, die dauerhaft durchgeführt werden sollten. Zudem ärgerte sie sich über den Veggy-Day in Münster. Der Stadtrat hatte den fleischlosen Tag eingeführt. „Die Politiker erkennen uns Bauern damit vor der Öffentlichkeit die Fachlichkeit ab“, schimpfte sie in ihrer sehr fundierten und praxisnahen Stellungnahme. Und auch die Medien würden stets nur negatives aus der Landwirtschaft berichten. Das konnte auch DBV-Milchpräsident Udo Folgart bestätigen, der sich aus dem Publikum zu Wort meldete.



BBV-Präsident Walter Heidl sprach schließlich noch ein anderes Ärgernis an. Seiner Meinung nach versuchen mittlerweile auch die konservativen Parteien mit Tierschutzthemen bei einigen Wählergruppen zu punkten. „Dabei übersehen sie, dass sie 10-Mal soviele Stammwähler verlieren.“ (Alfons Deter, Fürstenfeldbruck)


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