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Bisher alles gescheitert

Umweltrechtler Prof. Wolfgang Köck will neues Landwirtschaftsgesetz

Die undefinierte "Gute fachliche Praxis" und die vielen Einzelgesetze funktionieren nicht, sagt der UFZ-Umweltrechtler Prof. Wolfgang Köck. Er plädiert für ein neues Landwirtschaftsgesetz.

Lesezeit: 4 Minuten

Ende Juni hat die Zukunftskommission Landwirtschaft ihre Vorschläge präsentiert, die ein "Weiter so" ausschließen. Zudem hat die EU ihren Mitgliedstaaten mehr nationale Spielräume in der Agrarpolitik eingeräumt.

Der Umweltrechtler Prof. Wolfgang Köck vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) sieht nun gute Voraussetzungen für ein neues Landwirtschaftsgesetz in Deutschland. Es soll für mehr Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft sorgen und nach vielen Jahrzehnten bürokratischer Politikentwicklung das Parlament in die Agrarpolitik einbeziehen.

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Naturschutzrecht, Pflanzenschutzrecht, Bodenschutzrecht, Pestizidzulassungs- und -anwendungsrecht, Düngerecht - gesetzliche Regelungen, wie der Schutz der Umwelt in der Landwirtschaft umgesetzt werden könnte, gibt es reichlich. Doch geholfen hat das bisher wenig, meint Köck. "Es ist dem Umweltrecht und dem umweltbezogenen Agrarfachrecht bis heute nicht gelungen, eine umweltverträgliche Landwirtschaft sicherzustellen", stellt er fest.

"Gute fachliche Praxis“ funktioniert nicht

Für die Einhaltung von Grundsätzen des Tier- und Umweltschutzes in der Landwirtschaft sollte eigentlich die sogenannte "gute fachliche Praxis" sorgen, die in verschiedenen Fachgesetzen verankert ist, doch de facto wurde diese bislang kaum konkretisiert und deswegen in der landwirtschaftlichen Praxis kaum angewendet, behauptet Köck weiter und verweist auf einen Verlust von Tier- und Pflanzenarten, Emissionen von den Agrarflächen, die jährlich 8 % der gesamten ⁠Treibhausgas⁠-Emissionen ausmachten, Gefährdungen durch Düngemittel und Pflanzenschutzmittel und negative Folgen für das Grundwasser.

Neuer Gesellschaftsvertrag notwendig

Mittlerweile habe die Politik aber erkannt, dass ein "Weiter so" in der Landwirtschaft nicht der richtige Ansatz sein kann, stellt der Umweltrechtler fest. Das zeige der Abschlussbericht der von der Bundesregierung eingesetzten "Zukunftskommission Landwirtschaft". "Die Zukunftskommission hat so viele Aufgaben und Probleme angesprochen, dass sie sich nicht durch kleine Weichenstellungen in diversen Fachgesetzen lösen lassen", sagt Köck, der seit 2020 auch Mitglied des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) ist. "Wir brauchen für die Landwirtschaft einen neuen Gesellschaftsvertrag, um diesen Sektor auf eine große Transformation vorzubereiten. Dies geht nur über ein umfassendes Gesetz, das sämtliche Aspekte der Landwirtschaft berührt", sagt er.

Das bisherige Landwirtschaftsgesetz stammt aus dem Jahr 1955 und regelt lediglich den Auftrag zur Erfassung der Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft und die regelmäßige Berichtspflicht der Bundesregierung zur Lage der Landwirtschaft. Köck: "Das ist angesichts der enormen Bedeutung dieses Sektors für die nachhaltige Entwicklung in Deutschland erschreckend wenig. Die wesentlichen Entscheidungen gehören in einer Demokratie in die Hand des Parlaments."

Rahmengesetz mit Leitbild und verbindlichen Zielen

Das neue Landwirtschaftsgesetz sollte aus Sicht des UFZ-Umweltrechtlers als Rahmengesetz konzipiert werden, das der Agrarpolitik durch ein verbindliches Leitbild und daraus abgeleiteten verbindlichen Zielen Richtung und Maß für den Transformationsprozess gibt. "Es muss die notwendigen Weichenstellungen und Instrumente bereithalten, um die Ziele auch durchzusetzen. Dazu zählen etwa die Grundpflichten für die landwirtschaftliche Bodennutzung, die durch konkrete Festlegungen über die gute fachliche Praxis zu bestimmen sind, sowie eine Agrarpolitikplanung, die durch das EU-Recht ohnehin vorgegeben ist", erläutert Köck die Eckpunkte für ein solches Landwirtschaftsgesetz.

Das Gesetz sollte zudem Kompensationsregelungen für die Transformation der Landwirtschaft festlegen, wie zum Beispiel Ausgleichszahlungen für bestimmte Sonderlasten, die Anpassung an den Klimawandel oder Investitionen für eine tierwohlgerechte Nutztierhaltung. Zudem sollte es ökologische Leistungen im Allgemeininteresse von Landschaftsschutz und Biodiversität honorieren.

Entstehende Kosten müssen Bürger auffangen

"Der Umbau ist mit Sonderlasten verbunden, denn die Betriebe werden anders wirtschaften müssen als bisher, vor allem in den Nitratbelastungsgebieten. Das muss die Gesellschaft durch Ausgleichszahlungen auffangen", sagt er. Notwendig sei außerdem, die Landwirtschaft wieder stärker mit der regionalen Raumentwicklung zu verzahnen und regionale Wirtschaftskreisläufe zu stärken.

Rechtlich möglich werden könnte ein neues Landwirtschaftsgesetz jetzt auch, weil die EU-Kommission bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) den EU-Staaten mehr nationale Verantwortung überlässt. "Das neue GAP-Modell sieht vor, dass Brüssel nur die grundlegenden Anforderungen festlegt und dass die Mitgliedstaaten über ihre nationalen Strategiepläne konkrete Festlegungen treffen und die Maßnahmen bestimmen können", sagt Köck. Deutschland könne damit eine eigene Landwirtschafts- und Agrarumweltpolitik machen, wenn diese nicht im Widerspruch zur EU-Politik stehe. "Diese Autonomieräume sollte die Bundesregierung nutzen und damit schon in der kommenden Legislaturperiode beginnen."

Dass ein Landwirtschaftsgesetz in Deutschland funktionieren könnte, zeigt der Blick über die Grenzen: Sowohl die Schweiz als auch Frankreich haben ein Landwirtschaftsgesetz verabschiedet. So nennt das Schweizerische Gesetz als Leitbild die Ernährungssicherung für die eigene Bevölkerung, den Umweltschutz, das Tierwohl und die Pflege der Kulturlandschaft. "Die Schweiz hat in der Zielfestlegung und Leitbildentwicklung die großen Zukunftsthemen erfasst, so dass deutlich wird, was zu leisten ist und wofür staatliche Hilfen erwartet werden können", sagt er. Dies könnte auch Vorbild für Deutschland sein.

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