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Was Überbelegung wirklich bringt

Mehr Kühe, mehr Milch – oft geht diese Rechnung nicht auf. Die Praxis zeigt: Wenn es zu eng wird, lässt die Leistung nach. Die Situation ist verlockend: Nach langer Eiszeit herrscht beim Milchpreis endlich Tauwetter. Gleichzeitig bleiben Kälber- und Färsenpreise vorerst niedrig.

Lesezeit: 8 Minuten

Mehr Kühe, mehr Milch – oft geht diese Rechnung nicht auf. Die Praxis zeigt: Wenn es zu eng wird, lässt die Leistung nach.


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Die Situation ist verlockend: Nach langer Eiszeit herrscht beim Milchpreis endlich Tauwetter. Gleichzeitig bleiben Kälber- und Färsenpreise vorerst niedrig. Viele Milcherzeuger wollen daher mit möglichst vielen Kühen den Preisanstieg in höhere Erlöse umwandeln.


Das ist verständlich, geht aber nicht so einfach. Das zeigen die Erfahrungen mehrerer Milchviehhalter. So auch die von Hannes Pump (25), Landwirt aus Seth in Schleswig-Holstein. Nachdem er jahrelang Färsen nach Südeuropa verkauft hatte, brachen dort 2016 die Preise plötzlich ein. Von Juni bis Oktober wuchs Pumps Herde daher außerplanmäßig von 124 auf 136 melkende Kühe – bei 115 Liegeplätzen.


Pumps Milchtank wurde trotzdem nicht voller. Im Gegenteil: Die Tagesmenge der gesamten Herde schrumpfte von 4 150 auf 3 820 Liter bei gleichbleibenden Inhaltsstoffen. Gaben seine Kühe im Juni noch durchschnittlich 35,2 Liter Milch pro Tier und Tag, waren es im Oktober nur noch 29,6 Liter.


Mehr Kühe, weniger Geld


Bei einem Milchpreis von 30 ct/l bedeutet das einen Rückgang des Erlöses von satten 100 € pro Tag (siehe Übersicht rechts). Gleichzeitig stiegen die Kosten, unter anderem durch den zusätzlichen Arbeitsaufwand für Melken und Tierbetreuung. Etwa eine halbe Stunde mehr verbrachten Pump und seine Familie täglich im Stall, um die größere, färsenlastige Herde zu betreuen, schätzt er. Außerdem hatten sie 15 Tiere mehr zu füttern.


Pump weiß im Nachhinein: Er hätte die Färsen trotz Preisrückgang abgeben sollen. „Wir haben mehr gearbeitet für weniger Milch“, resümiert er. Sein Beispiel zeigt: Schon ein kleiner Zuwachs der Herde kann zu einem deutlichen Leistungsabfall führen.


Wenn es im Stall eng wird, stehen die Tiere unter Stress. In der Konsequenz kommt es schnell zu Gesundheitsproblemen und Leistungseinbußen.


Nicht immer sind sich Landwirte der Überbelegung ihres Stalls bewusst. Die Erfahrung hat auch Landwirt Jansen (Name geändert) aus dem Landkreis Schleswig-Flensburg gemacht: „Man behält die guten Färsen und bemerkt die schrittweise Verengung im Stall nicht sofort“, hat er festgestellt.



Wie selektieren?


Vor allem „Problemkühe“ bieten sich für eine Selektion an. Tiere mit hohen Zellzahlen, wiederkehrenden Klauenerkrankungen, Fruchtbarkeitsproblemen, niedriger Milchleistung oder schlechter Körperkondition sollten die Herde als Erste verlassen. Ihre Probleme treten unter Überbelegungsdruck noch deutlicher zutage, weil sich der damit einhergehende Stress negativ auf das Immunsystem auswirkt.


Mit dem Abgang dieser Tiere verhindert man zudem die Vererbung des Problems. Auch der Verkaufserlös ist höher, wenn man mit dem Verkauf nicht wartet, „bis es wirklich nicht mehr geht.“


Oft wirkt sich der Abgang dieser Tiere auch positiv auf den Rest der Herde aus. Dieser ist aufgrund der Stresssituation anfälliger für Krankheiten, die von den Problemkühen ausgehen.


Bei folgenden Kandidatinnen sollten Sie über eine Selektion nachdenken:

  • Zellzahl-Schlepper: Gerät eine Kuh über drei Milchkontrollen in den sehr kritischen Zellzahlbereich von über 700 000 Zellen, gilt sie nach internationalem Standard als unheilbar, ist also definitiv eine Selektionskandidatin.



    Zweifellos müssen Sie klinisch erkrankte Tiere sofort behandeln. Oft bergen jedoch chronisch kranke Kühe das noch größere Risiko für die Herdengesundheit. Sie sind meist „nur“ subklinisch erkrankt, zeigen somit keine Symptome und bleiben in der Herde. Die Erreger, die sie in sich tragen, breiten sich aber in den Liegeboxen aus und können so den Rest der Herde infizieren.



    Laut internationaler Definition ist eine Milchkuh schon ab 100 000 Zellen subklinisch euterkrank. Ab drei Milchkontrollen mit mehr als 400 000 Zellen sei eine Behandlung notwendig, so der Deutsche Verband für Leistungs- und Qualitätsprüfung in Bonn. Während der Wartezeit darf die Milch der Kuh nicht verkauft werden. Ein Mehraufwand entsteht außerdem durch die erhöhten Hygieneanforderungen während des Melkens.



    In der Regel ist es daher die bessere Wahl, die Zellzahl-Schlepper auszuselektieren.

  • Tiere mit wiederkehrenden Fruchtbarkeitsproblemen: Trächtigkeitsuntersuchungen, Spermaportionen und eventuelles Anspritzen kosten bares Geld. Deswegen sind Tiere, die schlecht bullen oder aufnehmen, teuer. Zudem sackt die Milchleistung bei längerer Zwischenkalbezeit (ZKZ) ab. Gleichzeitig verfetten die Tiere aufgrund der geringeren Leistung schneller und werden wiederum schlechter tragend.
  • Klauenkranke: Hat die Kuh Schmerzen beim Laufen, zieht sie den Liegeplatz dem Fressplatz vor. Die Futteraufnahme sinkt und damit einhergehend auch die Leistung.



    Eine stetige, qualitative Klauenpflege ist für jede Milchkuh Grundvoraussetzung. Einige Tiere verfügen aber aufgrund ihrer genetischen Veranlagung über ein schlechteres Klauenfundament, sodass der Betreuungsaufwand bei ihnen höher ist. Zudem vererben sie ihre Klauenprobleme oft an die Folgegenerationen.

  • Niedrig Leistende: Kommt ein Tier infolge einer zu kurzen Trockenstehzeit, einer zu hohen ZKZ, eines zu hohen Alters oder aus anderen Gründen nicht (mehr) auf Leistung, leidet die Herdeneffizienz.
  • Kälber und Färsen: Um das Herdenwachstum zu bremsen, kommt auch der Verkauf von Jungtieren infrage. Ob Sie Ihre Tiere bis zum Färsenalter aufziehen oder besser schon als Kalb verkaufen, hängt von Ihren Aufzuchtkosten und dem Erlös ab. Meist sind die Färsenpreise nicht vollkostendeckend. Wenn Sie Ihre Entlohnung verbessern wollen, ist der Verkauf von Kälbern wahrscheinlich sinnvoller. Die Einkreuzung von Fleischbullen ist dann sehr interessant.


Pump zog Reißleine


Auch Hannes Pump selektierte Anfang Oktober aus. Er verkaufte 15 Färsen und drei Schlachtkühe. Einen Tag später hatte er 350 Liter weniger Milch im Tank.


Was dann passierte, erstaunte den Junglandwirt selbst: Bereits nach vier Tagen hatte seine Herde den Abgang der 18 Kühe beinahe vollständig kompensiert.


Hannes Pump würde daher auch bei niedrigen Kälber- und Färsenpreisen die Kuhzahl nicht mehr erhöhen. Nicht nur für seine Kühe, sondern auch für die Familie sei der überbelegte Stall eine echte Belastung gewesen. „Die Überbelegung hat uns außer mehr Arbeit nichts gebracht“, zieht er sein Fazit.


„Die Herde wächst schleichend“


Mit Stoffwechselproblemen und Leistungsverlust schlugen die Kühe Alarm: Landwirt Jansens Stall war zu voll.


In gesunden Herden mit geringer Remontierungsrate kann die Kuhzahl auch ganz allmählich steigen. „Wenn man jeden Tag durch den Stall läuft, fällt das gar nicht so auf“, sagt Landwirt Jansen (Name geändert) aus dem Kreis Schleswig-Flensburg. Werden die Tiere optimal versorgt, zeige die Herde zunächst nicht unbedingt Krankheitssymptome und Leistungseinbußen. Aber nach einiger Zeit kommt dann doch die Quittung.


„Meine Tiere waren einfach nicht so fit wie sonst“, erinnert sich Jansen an eine Überbelegungsphase von bis zu 20 % in 2010/2011. Bei Stoffwechselproblemen und geringeren Eiweiß- und Fettgehalten in der Milch habe er zuerst die Ration als Übeltäter vermutet. Laut Analyse habe sich daran aber in diesem Zeitraum nichts verändert und trotzdem nahm die Milchleistung der Kühe ab. Vor allem „die üblichen Verdächtigen“, die Frischmelker, zeigten einen deutlichen Leistungsverlust. Das wurde erst besser, als er Problemkühe konsequent ausselektierte. Die Stoffwechselprobleme nahmen schnell ab, die Milchleistung erholte sich allerdings nur langsam, berichtet Jansen.


„Nicht auf Vorrat melken!“


Ein neuer Roboter muss laufen, um sich zu rentieren. Deshalb stockte Landwirt Meier frühzeitig auf. „Nie wieder“, sagt er jetzt.


Landwirt Meier (Name geändert) aus Nordfriesland baute 2006 neu. Er hoffte, durch eine frühzeitige Aufstockung der Herde den neuen Melkroboter sofort optimal auslasten zu können. Denn der Roboter finanziere sich durch die ermolkene Milchleistung pro Stunde.


Zukaufstiere kamen für Meier aber nicht infrage. Damit hatte er in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht. Die Tiere von anderen Betrieben brachten stets ein neues Keimmilieu mit sich. „Das wurde mir zu riskant für den Rest der Herde“, sagt Meier.


Deswegen standen kurz vor dem Umzug 140 Kühe in einem Altstall mit 100 Plätzen und zeigten auch deutlich, was sie davon hielten: Spaltenlieger, hohe Zellzahlen, Verkalben, Blut im Euter, viele Umbuller und weniger Milch waren die Folge. „Wir hatten das volle Programm“, erinnert sich Meier, und resümiert: Er hätte besser ein halbes Jahr auf eine hundertprozentige Auslastung des Roboters verzichten oder das Risiko von Zukaufstieren eingehen sollen.


„So wie damals würde ich es nicht noch einmal machen,“ gibt er heute offen zu.


Was ist Überbelegung?


Die niedersächsische Tierschutzleitlinie zur Milchkuhhaltung empfiehlt ein Tier : Liegeplatz-Verhältnis von 1 : 1. Für Risikogruppen wie z. B. die Frischmelker empfehlen Tierwissenschaftler sogar, den Stall zu maximal 85 % zu belegen.


Ein Fressplatz entspricht 75 cm am Futtertisch. Wenn rund um die Uhr eine hochwertige Ration vorliegt, erlaubt die niedersächsische Tierschutzleitlinie eine Stallbelegung von 1,5 Tieren pro Fressplatz. Wird jedoch auf „leeren Trog“ gefüttert ist ein Verhältnis von 1 : 1 unerlässlich.


So erkennen Sie die Überbelegung:

  • Milchkontrolle: Nehmen Sie sich jeden Monat 15 Minuten Zeit für die Ergebnisse der Milchkontrolle und den Eutergesundheitsbericht. Bewerten Sie vor allem Herdengröße, Leistung, Inhaltsstoffe und Mastitisrate. Gibt es hier Abweichungen zum Vormonat oder Vorjahr? Dann lohnt sich eine Analyse mit Ihrem Berater, um Problemen durch Überbelegung vorzubeugen.
  • Gespräch mit Mitarbeitern: Wenn Sie nicht selbst melken, nehmen Sie sich bewusst vor, Ihren Melker zweimal pro Woche nach Auffälligkeiten zu fragen. Vor allem Problemkühe zeigen frühzeitig an, wenn ihnen im wahrsten Sinne des Wortes „etwas nicht passt“, indem sie ihre gewohnte Melkreihenfolge unterbrechen.
  • Notizen im Stall: Auch wenn Ihr Stall auf dem Papier über 120 Liege-und Fressplätze verfügt, sehen Ihre Kühe das möglicherweise anders. Zählen Sie vier Tage in Folge zu unterschiedlichen Tageszeiten die Plätze, welche von Ihren Kühen tatsächlich angenommen werden. Passt diese Anzahl zu Ihrer Herdengröße?

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