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topplus Krieg in der Ukraine

„Die Gefahr einer globalen Nahrungsmittelkrise ist da!“

Die aktuelle Lage im Land und die Folgen für die Agrarmärkte diskutierten gestern ukrainische und deutsche Marktexperten und Wissenschaftler in einem Online-Forum.

Lesezeit: 4 Minuten

Der russische Präsident Putin hat mit seiner Invasion in der Ukraine nicht nur Zerstörung und Leid im ganzen Land verursacht. Auch der Agrarsektor des Landes ist massiv betroffen. In den Betrieben herrscht Stillstand, und die Exporthäfen des Landes sind vermint oder geschlossen, werden teils auch umkämpft. Die aktuelle Lage im Land und die Folgen für die Agrarmärkte diskutierten gestern abend (2. März) ukrainische und Deutsche Marktexperten und Wissenschaftler in einem Online-Forum, das Agrarökonom Prof. Sebastian Lakner, Uni Rostock, organisiert hatte.

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Prof. Dr. Oleg Nivievskyiforscht seit mehr als 12 Jahren in den Bereichen Agrar- und Nahrungsmittelprodukte, Faktormärkte und Wertschöpfungsketten.

Er hat die Hauptstadt Kiew am vergangenen Donnerstagmorgen verlassen und befindet sich mit seiner Familie in relativer Sicherheit in der Ukraine. Laut Nivievskyi ist die landwirtschaftliche Bevölkerung der Ukraine mobilisiert, um die Ernährungssicherheit im Land sicherzustellen. „Viele Landwirte geben auch Treibstoff an die Verteidigungskräfte ab. Ob nun Feldarbeiten starten können, ist noch unklar“, erklärte Nivievskyi vorab gegenüber top agrar.

"Hängt davon ab, wie lange der Krieg dauert."

Das bestätigte auch ein weiterer aus der Ukraine zugeschalteter Agrarexperte: Dr. Alex Lissitsa leitet den ukrainischen Großbetrieb IMC mit rund 120.000 ha bewirtschafteter Fläche. Sein Betrieb hat sich zur Versorgung der Armee und der Bevölkerung verpflichtet. Milch wird direkt an die Armee und die örtliche Zivilbevölkerung abgegeben. „Die Abholung und Verarbeitung in Molkereien ist zusammengebrochen“, erklärte er. Die Kühe würde „auf Sparflamme“ gefüttert, Bestände bereits sukzessive reduziert.

200.000 t Körnermais des Betriebes, die noch in den Silos liegen, sollen zur Versorgung der einheimischen Bevölkerung dienen und nicht mehr exportiert werden. Das würde auch derzeit gar nicht funktionieren, da seiner Einschätzung nach nicht nur die Häfen am Schwarzen Meer blockiert sind, sondern auch die Transportrouten dorthin. "Lkw kommen nur extrem langsam durch", beschrieb er die Lage. Mit drastischen Worten und sehr emotional beschrieb Lissitsa die Stimmung im Land, und dass ein so brutaler Überfall von niemandem erwartet oder für möglich gehalten worden wäre.

Lissitsa erklärte, dass für die Frühjahrsbestellung zwar Saatgut eingekauft wurde, die Feldarbeiten aber nun nicht starten können bzw. im wärmeren Südosten unterbrochen wurden. "Auf den Feldern geht momentan nichts. Von unseren Mitarbeitern sind nur noch 10 bis 20 % da, Treibstoff haben wir entweder an die Armee abgegeben oder teils auch verbrannt, damit der Diesel nicht den Russen in die Hände fällt."

Er rechnet damit, dass beim Weizen, wenn überhaupt, maximal ein Viertel der sonst üblichen Erträge (5 bis 6 t/ha) erzielt werden können, weil Düngung und Pflanzenschutz komplett ausfallen könnten. "Und über Qualitäten diskutieren wir gar nicht“, fügte er hinzu. Alles hänge jetzt davon ab, wie lange der Krieg andauere.

Dass der von Russland geplante Blitzkrieg nicht funktioniere, zeige sich mit jedem Tag deutlicher, erklärte auch Dr. Heinz Strubenhoff. Der Agrarexperte leitete von Januar 2006 bis Dezember 2011 das Projekt „Deutsch-Ukrainischer Agrarpolitischer Dialog“ und war bei der Weltbank in Kiew beschäftigt. Er befürchtet eine internationale Nahrungsmittelkrise, was Marktexperte und agrarfax-Gründer Jan Peters bestätigte:

Die Ukraine hat in dieser Kampagne statistisch noch ca. 12 – 15 Mio. t Mais zu exportieren. Wenn diese dem Weltmarkt nicht zur Verfügung stehen, werden sich viele Länder an die USA wenden, weshalb Mais gestern Limit-Up in Chicago geschlossen hat. In Europa wird der Mais aus der Ukraine dringend benötigt. In einigen Ländern im Süden der EU spricht man von einer Deckung von nur sechs Wochen.

Eine Wiederaufnahme ukrainischer Exporte ist aber für Wochen, vielleicht für Monate nicht möglich. Damit entstehen in der EU akute Engpässe beim Futtermais und bei Non-GMO Proteinfuttermitteln, die nicht zu ersetzen sind.

Mangel an günstigem Nahrungsmittelgetreide

Noch schwerer wiegt, dass Importländer für Weizen besonders betroffen sind: Häufig sind das Schwellenländer mit geringer Kaufkraft, dort ist Importgetreide aus Osteuropa essentieller Teil der Ernährung der Bevölkerung. Ein Ausbleiben dieser Lieferungen bzw. die massive Verteuerung könnte dort dann durchaus in Unruhen münden.

Peters nannte konkrete Beispiele für Verteuerungen: Die Preise haben sich von ca. 190 US-Dollar/t in 2020 auf 240 US-Dollar/t in 2021 auf jetzt über 350 US-Dollar/t ab Hafen erhöht. Die Regierungen sind alarmiert. Kairo brach wegen zu hoher Preise seine zweite Weizen-Ausschreibung binnen einer Woche erfolglos ab. Pakistan ist bereit, auch außerhalb des Ausschreibungsverfahrens Weizen zu kaufen.

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