Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

topplus Ratgeber

Wundertüte Liefervertrag: Schweinehalter fühlen sich bedrängt

Viele Schweinehalter wurden zuletzt in Lieferverträge gedrängt. Für etliche Betriebe ist das Neuland, und sie sind unsicher. Die ISN sieht erheblichen Aufklärungsbedarf.

Lesezeit: 6 Minuten

Unsere Autoren: Klaus Kessing, Marktanalyst der ISN-Interessengemeinschaft der Schweinehalter

Der Schweinestau hat sich aufgelöst, und der Markt läuft wieder frei. Die Preise erholen sich sogar schneller als erwartet. Ist also alles wie vorher?

Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Nein – ganz im Gegenteil, die Krise am Schweinemarkt hinterlässt nachhaltige Spuren: Während des Schweinestaus drängten viele Schlachtunternehmen und Vermarkter zahlreiche Schweineerzeuger zu festen Lieferverträgen. Beschwerden dazu gab es zuhauf und trotzdem wurden die Verträge unter dem Druck des Marktes häufig vorschnell unterschrieben – in der Notsituation durchaus verständlich.

Wann beginnt ein Vertrag?

Dabei ist die Abgrenzung gar nicht so eindeutig. Wann beginnt der Liefervertrag und wann endet die freie Vermarktung? Grundsätzlich gilt, dass bei jedem Schweineverkauf Vereinbarungen mit mehr oder weniger Eckpunkten eingegangen werden – schriftlich, mündlich oder per Handschlag. Und selbst der Standardlieferschein ist eine schriftliche Form der Vereinbarung.

Im landläufigen Sinne beginnt ein Liefervertrag aber erst dann, wenn zwischen Landwirt und Abnehmer konkretere und schriftliche Vereinbarungen getroffen werden, die über eine Lieferung hinaus gehen. Und diese Form der Verträge nimmt in der Schweinevermarktung dramatisch zu. In Deutschland sind mittlerweile ca. 40 % der Schweine vertraglich gebunden. Es sind vor allem die größeren Schlachtbetriebe, die hier den Takt vorgeben. Bei einigen Unternehmen liegt der Liefervertragsanteil bei bis zu 70 %. Lieferverträge sind also längst keine Ausnahme mehr.

Vertragscheck

Trotz der hohen Verbreitung der Lieferverträge sind viele Tierhalter noch un­sicher, und es kommen auf beiden Seiten immer neue Fragen auf. Deshalb greifen top agrar und ISN dieses Thema auf, um für mehr Transparenz zu sorgen. So soll unter anderem ein Vertragscheck mehr Licht ins Dunkel der Verträge bringen. Analysiert werden dazu die verfügbaren Lieferverträge der Top 10 der deutschen Schlachtunternehmen. Auf folgende Kriterien wird dabei besonders geschaut:

  • Regelungen zu Liefermengen,
  • Abrechnungsmodelle,
  • Laufzeiten und Kündigungsfristen,
  • Vertragsstrafen,
  • Weiterverwendung der Daten.

Zusammen mit einer Anwaltskanzlei werden die Inhalte bewertet.

Es zeigen sich bereits jetzt große Unterschiede bei der Ausgestaltung der Lieferverträge.

Beispiel Abnahmesicherheit: Einige Unternehmen garantieren eine Abnahme der Schlachtschweine bei rechtzeitiger Anmeldung. Andere tun dies nur mit der Einschränkung, dass sich die Abnahme aus Vermarktungsgründen auch verzögern kann. Die letztgenannte Garantie ist mit diesem Zusatz völlig unbrauchbar. Große Unterschiede gibt es zudem bei Vertragslaufzeit und Kündigungsfristen. Einige Lieferverträge haben eine Laufzeit von einem Jahr und können drei Monate vor Vertragsende gekündigt werden. Andere Lieferverträge sind unbefristet und müssen mit einer Vorlaufszeit von 52 Wochen gekündigt werden.

Diese und weitere Fragen sollen in mehren Beiträgen in top agrar beantwortet werden. Und in den kommenden Monaten werden sich immer wieder neue Fragen zu Verträgen stellen.

Haben auch Sie Fragen zu Lieferver­trägen? Dann senden Sie diese bitte an: 

redaktion@topagrar.com

Betreff: Lieferverträge 

--------

Vertragslos glücklich?

Die Mehrzahl der Schweinehalter ist weiterhin „frei“. Bleibt das so?

Warum müssen sich Schweinehalter überhaupt mit Verträgen auseinander setzen? Seitdem sich der Schweinestau aufgelöst hat, sind Schlachttiere wieder gefragt – auch ohne Vertrag. Die Abnehmer haben auch kein Druck­mittel zur Unterzeichnung von Lieferverträgen mehr. Trotzdem dürfte der „Siegeszug“ der Lieferverträge aber kaum aufzuhalten sein.

Mehr Tierwohl – mehr ­Lieferverträge

Ein Treiber für festere Bindungen an Abnehmer sind die Tierwohlprogramme. Das hat einen ganz einfachen Grund, denn die Rahmenbedingungen sind dann ganz anders. Wer als Schweinehalter höhere Kosten für mehr Tierwohl auf sich nimmt, braucht Planungssicherheit, wie er diese über den Verkauf seiner Tiere wieder reinholt. Je höher die Kosten für die Umsetzung sind, desto wichtiger wird dies. Aber genauso wollen auch Schlachtunternehmen Planungssicherheit bei den Abnahmemengen.

Eine Kette funktioniert nur, wenn Nachfrage und Angebot zusammenpassen. Prinzipiell kann das zwar auch ohne Vertrag funktionieren – die Initiative Tierwohl schreibt dies beispielsweise nicht vor. Aber für den Schlachtbetrieb ist die Mengenplanung mit Vertrag deutlich leichter.

Das Gleiche gilt für die Rückverfolgbarkeit in einer geschlossenen Wertschöpfungskette. Diese sogenannte Nämlichkeit wird nicht nur bei Tierwohlprogrammen, sondern auch bei anderen Marken- und Labelproduktionen verlangt – insbesondere vom Lebensmitteleinzelhandel (LEH).

Vertrag gegen ASP-Misere

Die Fleischwirtschaft sieht die geschlossenen Lieferketten aber auch beim Umgang mit der Afrikanische Schweinepest (ASP) als Chance. Hier gibt es möglicherweise auf Dauer Regionalisierungskonzepte. Das könnte theoretisch bedeuten, dass Schlachthof X alle seine Schlachtschweine aus einer Region bezieht, die weit weg von jeglichem ASP-Geschehen ist. Das ließe sich gegenüber den Kunden im Export belegen.

Immer weniger Schweine

Neben der Vermarktungssicherheit sorgen auch strukturelle Veränderungen auf Erzeuger- und Abnehmerseite für engere Partnerschaften. Mit den ruinösen Preisen der vergangenen Monate beschleunigt sich der Strukturwandel und die Schweinebestände schrumpfen deutlich. Bei der letzten Viehzählung im November fiel die Sauenzahl um über 5 %.

Bis vor wenigen Wochen lagen zudem die Sauenschlachtungen gut 20 % über Norm und die Ferkelimporte bewegten sich um 35.000 bis 45.000 Tiere pro Woche unter den üblichen Mengen. Alles spricht für ein deutlich geringeres Angebot an Schlachtschweinen in diesem Jahr. 2021 könnten es mit unter 52 Mio. Tieren nochmals gut 4 % weniger sein. Und wenn man bedenkt, dass vor fünf Jahren noch knapp 60 Mio. Schweine an den Haken kamen, wird die Abwärtsdynamik deutlich.

In Deutschland wird der „Rohstoff“ Schwein knapp. Die Schlachtbetriebe wollen sich deshalb möglichst viele Tiere sichern.

Schlachter wollen planen

Konkrete Mengengerüste sind den Unternehmen aber auch deshalb wichtig, weil sie längst nicht mehr so flexibel sind wie früher. Mit dem Ende der Werkverträge haben sie mehr feste und auch teurere Arbeitskräfte. Mit einer Lieferpflicht der Erzeuger lassen sich diese besser planen und auslasten. Es sind vor allem die Schlachtbetriebe, die den Trend zu Verträgen vorantreiben. Dass sie es können, liegt nicht zuletzt auch an der Konzentration in der Schlachtbranche.

Laut ISN-Schlacht­hofranking landen mittlerweile 80 % der Schweine in Deutschland bei den Top 10, von denen mindestens jeder zweite Abnahmeverträge anbietet. Da wir uns gerade im Umbruch befinden, dürften weitere folgen. Haben Schweinehalter am Ende überhaupt noch eine Wahl?

Keine Wahl mehr?

Sie haben zumindest die Wahl zwischen den Verträgen. Aber auch der freie Markt wird sicherlich nicht verschwinden, sondern deutlich größer bleiben als bei Geflügel- oder der Milch. Denn es gibt aus Erzeugersicht auch weiterhin gute Gründe für vertragsfreien Handel, wie z. B. hohe Aufschläge in flotten Marktphasen und Flexibilität in der Wahl des Abnehmers.

Denkbar sind auch Hybridmodelle, bei denen in einem Betrieb der eine Stall an einem Tierwohlprogramm teilnimmt und vertraglich gebunden ist, während der andere als konventioneller weiterhin „frei“ bleibt. Es wird alle Varianten weiterhin geben, aber der Liefervertrag ist wohl der neue Standard.Klaus Kessing (ISN) andreas.beckhove@topagrar.com

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.