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Prolactal: Auf der Suche nach Biomilch

2011 übernahm Johann Tanzer mit der Prolactal einen Sanierungsfall. Er krempelte das Unternehmen vollkommen um. Heute wird Milch in ihre Einzelteile zerlegt und weltweit verkauft. Vor allem Biomilch wird gesucht. Ein Bericht von Torsten Altmann, top agrar Österreich.

Lesezeit: 7 Minuten

2011 übernahm Johann Tanzer mit der Prolactal einen Sanierungsfall. Er krempelte das Unternehmen vollkommen um. Heute wird Milch in ihre Einzelteile zerlegt und weltweit verkauft. Vor allem Biomilch wird gesucht. Ein Bericht von Torsten Altmann, top agrar Österreich:

 

Wer erinnert sich nicht an den Listerien-Skandal der Prolactal im steirischen Hartberg aus dem Jahr 2009. Der Listerien-Quargel brachte nicht nur den beiden damaligen Geschäftsführern bedingte Haftstrafen ein, sondern ließ das Unternehmen 2010 auch an den Rand des Ruins abgleiten.


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Heute 200 Mio. € Umsatz


Doch aus dem einstigen Sanierungsfall hat sich bis heute ein florierendes Unternehmen entwickelt. Verantwortlich dafür zeichnet Dr. Johann Tanzer. Seit 2011 hat der Geschäftsführer mit einer Neuausrichtung der Prolactal und dem dazugehörigen Tochterunternehmen Rovita im bayerischen Engelsberg den Umsatz von 35 Mio. € auf jetzt voraussichtlich 200 Mio. € fast versechsfacht.

 

Tanzers Aufgabe ist es nach eigener Aussage schon seit seinem 18. Lebensjahr, „Kombinationen von Anlagen zu bauen, die es ermöglichen, Produkte herzustellen, die nicht am Markt vorhanden sind. Oder auch neue Techniken zu entwickeln.“ Dies hat er vor seiner Verpflichtung bei der Prolactal schon bei Unternehmen wie der Unilever oder auch bei der Berglandmilch erfolgreich gemacht.

 

Tanzer: „Unsere Ausrichtung in Hartberg war, Nischenprodukte für den Weltmarkt zu produzieren, welche die großen Mitbewerber nicht herstellen.“ Außerdem war ihm wichtig, keine Konkurrenz zu den österreichischen Molkereien zu bilden, sprich keine Produkte herzustellen, die von den Molkereien produziert werden. Tanzer: „Wir kaufen von den Molkereien, haben aber keine eigenen Landwirte – abgesehen von einigen Erzeugergemeinschaften.“ Welche das sind, wollte er allerdings nicht sagen.

 

Tanzer erzeugt mit der Prolactal und der Tochterfirma Rovita heute Milchderivate aus Milch und Molke und Komponenten aus Milchproteinen bzw. aus Pflanzenproteinen zur Erzeugung von Wurst- und Fleischersatzprodukten sowie Sportler- und Nahrungs-Ergänzungsmitteln.


70 % Biomilchprodukte


In Hartberg konnte Tanzer ab 2011 zunächst mit einem Spezialprodukt für Babynahrung in Asien punkten. Dabei ging es um entmineralisierte Molke. Der Manager entwickelte ein Verfahren, um die Mineralien aus der Molke herauszuholen. Das getrocknete Endprodukt ging nach Asien sowie auch Ozeanien. Doch 2014 ebbte die Nachfrage nach diesen Produkten ab. Das lag u.a. an Maßnahmen der chinesischen Regierung, ausländischen Firmen den Markteintritt zu erschweren. Außerdem forciert sie den Ausbau der eigenen Milchproduktion.

 

Aber Tanzer hatte auch eine Bioschiene aufgebaut. Denn er erkannte frühzeitig, dass Bio eine lukrative Nische für die Prolactal vor allem in Asien werden könnte. „Bioinhaltstoffe in getrockneter Form – danach sucht der asiatische Markt“, so der Geschäftsführer. Tanzer: „Wir haben seit 2011 konsequent in Anlagentechnik investiert, mit der wir auch die Biomilch in ihre Inhaltsstoffe zerlegen. Diese werden dann entweder in flüssiger Form zusammengemischt oder als Einzelstoffe getrocknet, je nach Kundenwunsch“, so der Geschäftsführer. „Etwa 97 % davon gehen in den Export, hauptsächlich nach Ozeanien und Asien.“

 

Der Bioanteil in der Verarbeitung liegt inzwischen bei 70 %. Das sind umgerechnet etwa 280 Mio. kg der aktuellen Gesamtverarbeitung von 400 Mio. kg. „Wir rechnen in Milch- und Molkenäquivalent“, so Tanzer. Dies muss in Milchmenge umgerechnet werden. Denn die Prolactal kauft Milch flüssig oder als Konzentrat und Molke nur als Konzentrat.

 

Die Gesamtmenge setzt sich je zur Hälfte aus Milch und Molke zusammen, aufgeteilt auf beide Standorte, sprich Rovita und Prolactal. Milchlieferanten sind die meisten österreichischen Molkereien, kommen aber auch aus dem benachbarten Ausland. Allerdings schränkt Tanzer ein: „Wir können derzeit nicht mehr konventionelle Milch aufnehmen.“ Man sei trotz der Investitionen der letzten Jahre an der Kapazitätsgrenze.


43 bis 48 Ct/kg Biomilch


Anders bei Bio: Hier werde man mit Sicherheit in 2016/2017 noch einmal massiv in der Verarbeitungsmenge wachsen. „Wir wollen 50 bis 60 Mio. kg mehr Biomilch aufnehmen“, so die klare Ansage von Tanzer. Und welche Preise zahlt die Prolactal dafür? „Bei Bio ist der Preis etwa der Durchschnitt aus Österreich und Bayern. Wir zahlen aktuell zwischen 43 und 48 Ct je nach Entfernung und Höhe der daraus resultierenden Transportkosten“, so der Manager.

 

„Wir wollen den Biorohstoff möglichst aus Österreich. Bekommen wir ihn nicht hier, holen wir ihn aus dem Ausland: Aus Deutschland, Ungarn, Tschechien oder auch aus Frankreich und Dänemark“, hält Tanzer fest.

 

Während die Prolactal in der Vergangenheit sehr viel über den Spotmarkt eingekauft hat, geht das Unternehmen jetzt mehr zu längerfristigen Bindungen über. In Zukunft sollen es vor allem Drei- bis Fünf-Jahresverträge werden.

 

„Auch im konventionellen Bereich nutzen wir Anlagentechnologien, um neue Produkte zu positionieren“, berichtet Tanzer weiter. So sei man derzeit dabei, ein Protein-Pulver für einen Kunden zu produzieren, der daraus einen Drink mit 10 % Protein auf den Markt bringen will. „Dieser ist interessant, weil er klar wie Wasser ist. Wir können dieses Protein aus konventioneller Milch klar löslich herausfiltern. Diese Nische wollen wir im konventionellen Bereich besetzen“, hofft Tanzer auf einen Erfolg.

 

Darüber hinaus erzeugen sie ein spezielles, auf einer Walze getrocknetes Milchpulver für die Salamiindustrie. Auch dies soll dazu beitragen, den Absatz der konventionellen Produkte anzukurbeln.


„Milchschnitzel“ aus Amstetten


Darüber hinaus hat Tanzer gerade erst ein neues Projekt in Angriff genommen. In St. Georgen bei Amstetten werden seit Kurzem in der eigens dafür gegründeten Fa. Veggiemeat Schnitzel auf Basis von Milch- und Erbsenprotein hergestellt. Auch hier soll das in großen Mengen anfallende Kasein sinnvoll verwertet werden. „Milchschnitzel auf Basis von nativem Milchkasein sind ein großer Trend weltweit“, ist Tanzer zuversichtlich.

 

Idee dahinter: Eine Alternative zum Fleisch für Flexitarier. „Flexitarier wollen sich zwei bis drei Tage fleischlos ernähren, aber nicht auf typische Gerichte verzichten. Das trifft auf 60 % der Europäer zu“, erklärt der Geschäftsführer. Mit den Produkten der Veggiemeat habe man diese Alternative aufgebaut. Ziel laut Tanzer: „Wir wollen den Betrieb in den nächsten ein bis zwei Jahren auf 30 bis 40 Mitarbeiter steigern. Aktuell liegt die Planung bei 1.500 t Endprodukte. Der Betrieb ist für größere Mengen ausgerichtet. Für Europa wollen wir bis zu 6.000 t produzieren.“ Grundsätzlich will man hier zukünftig auch vermehrt den Focus auf Bio setzen.


Ziel heißt verdoppeln


Für die weitere Entwicklung der Prolactal hat Tanzer ebenfalls konkrete Vorstellungen: „Entweder wir investieren groß am Standort Hartberg oder woanders in Österreich. Aufgrund unserer Technik haben wir jedenfalls das Potenzial, die Verarbeitung von derzeit 40.000 t auf 80.000 t Endprodukte zu verdoppeln. Dies bedeutet aber hohe Investitionen in allen Bereichen.“


Israelis haben das Sagen


Die Prolactal erzielt seit 2011 ein jährliches Umsatz-Wachstum von 30 bis 50 %. Das extreme Wachstum erforderte auch hohe Investionen, insgesamt etwa 50 Mio. €. „Durch den Kapitalbedarf haben wir uns 2014 entschlossen, einen Partner ins Unternehmen zu holen“, so Tanzer. Seit Januar 2015 gehören Prolactal und Rovita zur ICL Food Specialties aus Tel Aviv. Der israelische Konzern kaufte damit den größten Teil der Linzer Firmengruppe Artax. Diese wiederum war 1995 aus den „Überresten“ der Raiffeisen-Lebensmittelgesellschaft AMF hervorgegangen.

 

ICL ist an der New Yorker Börse notiert und setzt mit 12.000 Mitarbeitern rund 6 Mrd. US-Dolar um. Der Konzern hat Betriebe weltweit, setzt 700 Mio. Euro im Lebensmittelbereich um. Er liefert an die Nahrungsmittel- und die pharmazeutische Industrie.

 

„Wir sind quasi von ICL entdeckt worden“, so Tanzer zu den Gründen für den Einstieg. „Der Konzern sei auf der Suche nach einem Partner gewesen, der Kompetenz im Bereich Pflanzen- und Milchprotein hat. Exakt das haben wir hier aufgebaut.“

 

ICL habe ein weltweites Vertriebsnetz in der Lebensmittelindustrie und „war immer auf der Suche nach der „Proteinkompetenz“, so Tanzer. „Letztlich haben wir Ende März 2015 unseren Betrieb komplett an ICL verkauft.“ Aber das Management von Prolactal und Rovita führt es weiter.

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