Auch 2020 haben viele Höfe und Lebensmittelunternehmen auf Bio umgestellt. Mehr Kunden als je zuvor füllten ihre Einkaufstaschen mit mehr Bio-Lebensmitteln. Corona verstärkte den Wunsch nach gesundem, umweltschonend produziertem Essen noch einmal deutlich. Das teilte der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) am Mittwoch zur digitalen Messe Biofach mit.
35.413 Höfe in Deutschland bewirtschafteten im Jahr 2020 1.698.764 ha Fläche ökologisch, insgesamt 10,2 % aller Landwirtschaftsflächen sind damit Bio. Das Flächenplus von 5,3 % sorgte für zusätzliche 84.930 Bio-Hektar. Über 8.000 Betriebe entschieden sich in den vergangenen 5 Jahren für Öko-Landwirtschaft. Hierüber sprachen wir mit BÖLW-Geschäftsführer Peter Röhrig.
Rund 13,3 % aller Betriebe wirtschaften nun deutschlandweit ökologisch. Im Jahr 2020 kamen noch einmal gut 1.300 Betriebe dazu. Gibt es hier regionale Schwerpunkte?
Röhrig: Mehr als jeder 7. Hof setzt nutzt die Chancen die Bio bietet. Wir sehen noch nicht genau, wo mehr oder wo weniger Betriebe neu umgestellt haben 2020. Wir wissen aber, dass die absolute Zahl sehr unterschiedlich ist. So sind des in Niedersachsen unter 3 % der Fläche während in Mecklenburg-Vorpommern ein Viertel aller Betriebe ökologisch wirtschaften.
Klar ist, dass es einiges braucht für eine positive, transformative Entwicklung. Von Ausbildung und Bratung, bis hin zu Verarbeitern die mit den Bio-Waren umgehen können. Aber auch ein guter Förderahmen, der Betriebe dabei unterstützt, umzustellen. Positiv wirken Bio-Aktionspläne der Länder, die mit einem Bündel an Maßnahmen die Umstellung unterstützen.
2019 wirtschafteten 46 % der Betriebe nach Verbandsrichtlinien, 2020 rund 48 %. Sehen Sie eine nachhaltige Bewegung zum Verbandsbio?
Röhrig: Ja, viele Bauern setzen auf einen Bio-Verband. Die Betriebe nutzen deren Stärke in Beratung, Vermarktung und politischer Vertretung. Die Kunden kennen die Marken der Verbände und wissen, dass dort eine noch höhere Qualität drinsteckt und greifen so auch häufig zu Verbandsware. Wir sehen die Verbände gut aufgestellt für weitere Entwicklung des Bio-Marktes.
Die von der EU (Farm to Fork) angestrebten 25 % Ökolandbau in 2030 würden 4,15 Mio ha Bio-Fläche in Deutschland bedeuten. Derzeit sind es rund 1,7 Mio ha. In den letzten zehn Jahren von 2010 bis 2020 kamen 0,7 Mio. ha dazu. Um das angestrebte Ziel 2030 zu erreichen, müssten in den nächsten zehn Jahren noch einmal 2,5 Mio ha. Ökofläche – also das dreifache Wachstum im Vergleich zur Vergangenheit - dazu kommen. Wie kann das gelingen?
Röhrig: Wir sehen, dass Österreich mehr als 25 % Bio-Flächen hat, oder dass in Dänemark pro Kopf doppelt so viel Bio gekauft wird wie in Deutschland. Und wir sehen auch, dass nicht überall für heimische Nachfrage ein heimisches Angebot gibt. Hier gibt es noch Potential, dazu kommt ein nach wie vor hohes Umstellungsinteresse. Daran sehen wir, dass 25 % Bio möglich sind.
Mehr Bio ist auch nötig, um die großen ökologischen Herausforderungen vor der die Landwirtschaft steht, zu lösen.
Wie lässt sich verhindern, dass bei weiter steigenden Zahlen von Ökobetrieben und Ökoangebot die Marktpreise unter Druck geraten?
Röhrig: Vor einigen Jahrzehnten gab es noch keinen Bio-Markt. Engagierte Bauern, Verarbeiter und Händler haben ihn aufgebaut. Und es wird auch so bleiben, dass vor allem unternehmerische Initiative Bio treibt. Das fordert auch diejenigen die umstellen. Es wird nicht reichen, die Getreideernte einfach bei Händler abzukippen, und zu erwarten, dass dann alles läuft. Wichtig ist bei der Vermarktung mit Abnehmern und Kollegen zu kooperieren, und ein tragfähiges Betriebs- und Vermarktungskonzept aufzubauen.
Wie das Marktgleichgewicht gehalten werden kann, zeigt das Beispiel Milch. Trotz hoher Umstellung in den vergangenen Jahren blieben die Preise auf einem stabilen Niveau. Generell schwanken Bio-Preise weniger, weil sie unabhängiger sind vom Weltmarkt.
Immer wieder in Feld geführt wird das Argument der potenziellen Verlagerung der Produktion an Standorte mit niedrigeren Umwelt- und Tierschutzauflagen, wenn Auflagen im Inland und damit die Lebensmittelpreise steigen. Wie könnte man diesem Effekt begegnen?
Röhrig: Von diesen Entwicklungen unabhängiger ist man mit unterscheidbaren Produkten, deren Mehrwert für Verbraucher klar erkennbar ist. Das zeigt sich am Bio-Markt, aber auch bei anderen Vermarktungsinitiativen oder Markenprodukten.
Weithin sollte es selbstverständlich sein, dass Deutschland nicht europäische Umweltauflagen unterläuft und sich so im Binnenmarkt einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft, wie es beim Düngerecht über viele Jahre zugelassen wurde.
Darüber hinaus ist klar, dass höhere Umweltstandards in einem Markt nicht durch Importe unterlaufen werden dürfen. Die EU-Kommission schlägt beim Klimaschutz vor, alle Importprodukte, die künftige EU-CO2-Standards unterlaufen, entsprechend zu verteuern. Das ist ein guter Ansatz.
Einen weiteren Ansatz zeigt die Borchertkommission auf. Über eine Abgabe auf Fleisch soll eine Prämie finanziert werden, die eine bessere Tierhaltung ermöglicht. Das ist ein Weg, höhere Standards ohne Außenhandelsschutz zu ermöglichen.
Umweltstandards müssen eine wesentlich stärkere und verbindlichere Rolle bei Handelsabkommen spielen.
Was wäre Ihr Weg, um die externen Umwelteffekte in den Preis von Lebensmitteln einzupreisen und die Landwirte dafür zu entlohnen?
Röhrig: Bei der Nutzung von Umweltgütern versagt der Markt, da sie kaum Teil der Produktpreise sind und es für sie damit keinen Markt gibt. Schäden an Umweltgüter werden damit von der Gesellschaft getragen. Das führt zu Marktverzerrungen.
Um die Umweltschäden durch Pestizide zu mindern, sollte eine Pestizidumlage erhoben werden. Die Mittel daraus sollten pauschal und flächengenbezogen zurück fließen an die Landwirte. So wäre derjenige im Vorteil, der seinen Pestizideinsatz reduziert, denn er würde weniger Abgaben bezahlen, aber die pauschale Ausgleichszahlung dennoch erhalten. Ähnlich sollte mit Stickstoffüberschüssen umgegangen werden.
Der Vorteil der Umlagesysteme ist, dass im Gegensatz zum Ordnungsrecht eine höhere unternehmerische Freiheit erhalten bleibt.
Ganz wichtig ist die GAP. Sie muss weitaus stärker dafür genutzt werden, freiwillige Umweltleistungen der Landwirtschaft zu honorieren. Das Umschichten muss Schritt für Schritt erfolgen, in der kommenden GAP fordern wir mind. 70 % der Mittel für freiwillige Umweltleistungen der Landwirtschaft. So können Landwirte stärker für Güter entlohnt werden, die über den Produktpreis nicht zu erwirtschaften sind. Auch die Ausbauziele des Öko-Landbaus muss die GAP entsprechend finanzieren.
Von den pauschalen Flächenzahlungen wissen wir, dass ein zu großer Anteil an die Verpächter weitergereicht wird und so für die Landwirtschaft verloren ist.
Reichten die Fördertöpfe 2020 der Länder aus, um allen Umstellungswilligen eine Umstellerprämie auszuzahlen?
Röhrig: Alle konventionellen Betriebe, die umstellen wollten, konnten auch 2020 eine entsprechende Förderung erhalten. In kleinerem Umfang gab es dabei Einschränkung in Sachen-Anhalt. Wichtig ist, dass Bund und Länder dafür sorgen, dass die veränderungswilligen Betriebe Planungssicherheit haben. Damit die Mittel für diese bis dahin konventionellen Betriebe zur Verfügung stehen konnten, war die zuletzt erfolgte Erhöhung der Umschichtung in die zweite Säule im Rahmen der laufenden GAP von Bedeutung.