Wie die aktuelle Situation bei der Kastration männlicher Ferkel aussieht und welche Möglichkeiten Tierhalter haben, hat Tierarzt Dr. Werner Hagmüller analysiert.
Unser Autor: Dr. Werner Hagmüller, Tierarzt und Berater
Viele Tierwohlprogramme regeln neben der Stallfläche, der Futterherkunft oder des einzusetzenden Beschäftigungsmaterials auch die Eingriffe am Tier. Dazu zählt etwa die Kastration männlicher Ferkel. Mit der Novellierung der 1. Tierhaltungsverordnung (THVO) wurde zu der bestehenden gesetzlichen Regelung auch die Inhalationsmethode mit wirksamer Schmerzbehandlung hinzugefügt.
Schnell gelesen In vielen Tierwohlprogrammen müssen Ferkel unter Narkose kastriert werden, ebenso wie bei der Biohaltung. Es gibt zwei Möglichkeiten, entweder wird die Narkose mit einer Injektion verabreicht oder durch ein Inhalationsgerät. Die Tierhalter dürfen weiterhin selbst kastrieren, sofern sie einen Sachkundenachweis haben. Derzeit muss bei jeder Narkoseart ein Tierarzt anwesend sein, auch wenn der Tierhalter die Kastration durchführt.
Die Diskussion über Maßnahmen zur Reduktion des routinemäßigen Schwanzkupierens hat die Kastrationsdiskussion in den letzten Monaten überlagert. Eine verpflichtende Risikoanalyse mit Tierhaltererklärung wird von allen schweinehaltenden Betrieben verlangt und muss erstmals am 31. März 2024 vorgelegt werden.
Wer darf kastrieren?
Gerade Betriebe, die aufgrund ihres Engagements in Tierwohlprogrammen oder als Biobetrieb bereits jetzt ihre Tiere nicht mehr kupieren, müssen auch bei der Kastration höhere Standards umsetzen. Derzeit ist die Injektionsnarkose noch die am weitesten verbreitete Methode zur wirksamen Betäubung. Je nach betrieblicher Vorliebe werden Ferkel bereits in der ersten Lebenswoche oder erst später – bis zur dritten Lebenswoche – betäubt.
In der 1. THVO wird unter dem Kapitel „Eingriffe“ auf das Kastrieren männlicher Ferkel eingegangen. Nach wie vor dürfen Tierhalter (sachkundige Personen) Schweine, die nicht älter als sieben Tage sind, mit wirksamer Schmerzbehandlung, welche auch postoperativ wirkt, selbst kastrieren. Wird von einer Vermarktungsorganisation eine Narkose vorgeschrieben, gibt es drei Möglichkeiten:
Tierärztlicher Eingriff: Es wird sowohl die Betäubung mittels Injektion als auch die chirurgische Kastration von tierärztlicher Seite durchgeführt. Landwirte sorgen für den reibungslosen Ablauf, den Zu- und Abtransport der Ferkel sowie eventuelles Abwiegen der Tiere zur korrekten Arzneimitteldosierung. Eine Altersbeschränkung der Ferkel gilt in diesem Fall nicht.
Einbindung der Tierhalter bei Verwendung einer Inhalationsnarkose: Es dürfen Ferkel, die nicht älter als sieben Tage sind durch eine sachkundige Person (Tierarzt oder vom TGD-Tierarzt beigezogene Hilfsperson) mit zusätzlicher wirksamer Schmerzbehandlung, welche auch postoperativ wirkt, kastriert werden. Die Narkoseüberwachung obliegt den Tierärzten, eine Abgabe des Betäubungsmittels Isofluran an Landwirte ist nicht möglich.
Einbindung der Tierhalter bei Verwendung einer Injektionsnarkose: Auch wenn in der 1. THVO dieser Punkt grundsätzlich nur auf Tierarzt oder Viehschneider abstellt, ist unter Beachtung des § 15 (1) Tierärztegesetz eine Einbindung einer Hilfsperson unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Dies setzt voraus, dass diese Hilfspersonen nach genauen Anordnungen sowie unter ständiger Aufsicht und Anleitung der Tierärztin oder des Tierarztes handeln.
Die 1. THVO spricht außerdem von einem weiteren Fall, der in Zukunft eintreten könnte: der Einführung eines in Österreich zugelassenen Injektions-Arzneimittels, dessen Abgabe an die Tierhalter zulässig ist. Erst dann kommt es zu einer generellen Verpflichtung aller Tierhalter zur Durchführung einer Betäubung bei der Kastration.
Als gängige Methode zur Betäubung kommt in Österreich die Injektionsnarkose zum Einsatz. Dabei werden Ketamin und Azaperon gewichtsbasiert entweder intravenös oder intramuskulär vom Tierarzt verabreicht.
Leider führt die Gabe dieser Injektionspräparate nur bei etwa 70 % der Ferkel zu einer ausreichenden Narkosetiefe. Eine zu geringe Dosierung, Unruhe der Ferkel vor dem Eingriff bzw. zu kurze Zeit zwischen Verabreichung und Kastration können dazu führen, dass der Eingriff von Seiten der Landwirte und Tierärzte als unzufriedenstellend beurteilt wird. Eine Verbesserung der Wirksamkeit kann durch die Zugabe von Butorphanol, eines stark schmerzstillenden Präparates, erreicht werden. Das Medikament ist bei Schweinen nicht zugelassen, muss also umgewidmet werden. Auch die höhere Kostenbelastung durch ein weiteres Medikament hemmt die Verbreitung dieser Methodik.
Alternativ wird seit der Zulassung von Isofluran für Schweine die Inhalationsnarkose in Österreich angewendet. Durch die einfachere Handhabung tendieren v. a. größere Betriebe zu dieser Narkoseform. Der Anteil an schlecht narkotisierten Ferkeln dürfte dabei geringer sein, auch die kurze Aufwachphase spricht für die Methode. Es darf aber dabei nicht vergessen werden, dass ein deutlich höheres Risiko für die Anwender besteht, da betäubte Ferkel nach dem Eingriff noch Narkosegas abatmen, was vor allem in geschlossenen Räumen zum Anstieg der Isoflurankonzentration führen kann. Das Gas gilt als krebserregend und schädigt aufgrund seiner chemischen Struktur auch die Ozonschicht. Deshalb ist auf einen besonders sorgfältigen Umgang zuachten.
Verordnung für Isofluran
Der Gesetzgeber hat bereits einen Entwurf zu einer Ausbildungsverordnung vorgelegt, um Tierhaltern den Zugang zu Isofluran zu ermöglichen. In Deutschland ist die Abgabe mit einem Sachkundenachweis zulässig, in Österreich noch nicht. Die Kastration unter Narkose wird von Bio- und Tierwohlbetrieben schon einige Jahre durchgeführt. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Tierhalter und Tierärzten ist für einen reibungslosen Ablauf nötig. Dies kann auch die Einbindung des Tierhalters umfassen – die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind vorhanden.
Unser Autor: Dr. Werner Hagmüller, Tierarzt und Berater
Viele Tierwohlprogramme regeln neben der Stallfläche, der Futterherkunft oder des einzusetzenden Beschäftigungsmaterials auch die Eingriffe am Tier. Dazu zählt etwa die Kastration männlicher Ferkel. Mit der Novellierung der 1. Tierhaltungsverordnung (THVO) wurde zu der bestehenden gesetzlichen Regelung auch die Inhalationsmethode mit wirksamer Schmerzbehandlung hinzugefügt.
Schnell gelesen In vielen Tierwohlprogrammen müssen Ferkel unter Narkose kastriert werden, ebenso wie bei der Biohaltung. Es gibt zwei Möglichkeiten, entweder wird die Narkose mit einer Injektion verabreicht oder durch ein Inhalationsgerät. Die Tierhalter dürfen weiterhin selbst kastrieren, sofern sie einen Sachkundenachweis haben. Derzeit muss bei jeder Narkoseart ein Tierarzt anwesend sein, auch wenn der Tierhalter die Kastration durchführt.
Die Diskussion über Maßnahmen zur Reduktion des routinemäßigen Schwanzkupierens hat die Kastrationsdiskussion in den letzten Monaten überlagert. Eine verpflichtende Risikoanalyse mit Tierhaltererklärung wird von allen schweinehaltenden Betrieben verlangt und muss erstmals am 31. März 2024 vorgelegt werden.
Wer darf kastrieren?
Gerade Betriebe, die aufgrund ihres Engagements in Tierwohlprogrammen oder als Biobetrieb bereits jetzt ihre Tiere nicht mehr kupieren, müssen auch bei der Kastration höhere Standards umsetzen. Derzeit ist die Injektionsnarkose noch die am weitesten verbreitete Methode zur wirksamen Betäubung. Je nach betrieblicher Vorliebe werden Ferkel bereits in der ersten Lebenswoche oder erst später – bis zur dritten Lebenswoche – betäubt.
In der 1. THVO wird unter dem Kapitel „Eingriffe“ auf das Kastrieren männlicher Ferkel eingegangen. Nach wie vor dürfen Tierhalter (sachkundige Personen) Schweine, die nicht älter als sieben Tage sind, mit wirksamer Schmerzbehandlung, welche auch postoperativ wirkt, selbst kastrieren. Wird von einer Vermarktungsorganisation eine Narkose vorgeschrieben, gibt es drei Möglichkeiten:
Tierärztlicher Eingriff: Es wird sowohl die Betäubung mittels Injektion als auch die chirurgische Kastration von tierärztlicher Seite durchgeführt. Landwirte sorgen für den reibungslosen Ablauf, den Zu- und Abtransport der Ferkel sowie eventuelles Abwiegen der Tiere zur korrekten Arzneimitteldosierung. Eine Altersbeschränkung der Ferkel gilt in diesem Fall nicht.
Einbindung der Tierhalter bei Verwendung einer Inhalationsnarkose: Es dürfen Ferkel, die nicht älter als sieben Tage sind durch eine sachkundige Person (Tierarzt oder vom TGD-Tierarzt beigezogene Hilfsperson) mit zusätzlicher wirksamer Schmerzbehandlung, welche auch postoperativ wirkt, kastriert werden. Die Narkoseüberwachung obliegt den Tierärzten, eine Abgabe des Betäubungsmittels Isofluran an Landwirte ist nicht möglich.
Einbindung der Tierhalter bei Verwendung einer Injektionsnarkose: Auch wenn in der 1. THVO dieser Punkt grundsätzlich nur auf Tierarzt oder Viehschneider abstellt, ist unter Beachtung des § 15 (1) Tierärztegesetz eine Einbindung einer Hilfsperson unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Dies setzt voraus, dass diese Hilfspersonen nach genauen Anordnungen sowie unter ständiger Aufsicht und Anleitung der Tierärztin oder des Tierarztes handeln.
Die 1. THVO spricht außerdem von einem weiteren Fall, der in Zukunft eintreten könnte: der Einführung eines in Österreich zugelassenen Injektions-Arzneimittels, dessen Abgabe an die Tierhalter zulässig ist. Erst dann kommt es zu einer generellen Verpflichtung aller Tierhalter zur Durchführung einer Betäubung bei der Kastration.
Als gängige Methode zur Betäubung kommt in Österreich die Injektionsnarkose zum Einsatz. Dabei werden Ketamin und Azaperon gewichtsbasiert entweder intravenös oder intramuskulär vom Tierarzt verabreicht.
Leider führt die Gabe dieser Injektionspräparate nur bei etwa 70 % der Ferkel zu einer ausreichenden Narkosetiefe. Eine zu geringe Dosierung, Unruhe der Ferkel vor dem Eingriff bzw. zu kurze Zeit zwischen Verabreichung und Kastration können dazu führen, dass der Eingriff von Seiten der Landwirte und Tierärzte als unzufriedenstellend beurteilt wird. Eine Verbesserung der Wirksamkeit kann durch die Zugabe von Butorphanol, eines stark schmerzstillenden Präparates, erreicht werden. Das Medikament ist bei Schweinen nicht zugelassen, muss also umgewidmet werden. Auch die höhere Kostenbelastung durch ein weiteres Medikament hemmt die Verbreitung dieser Methodik.
Alternativ wird seit der Zulassung von Isofluran für Schweine die Inhalationsnarkose in Österreich angewendet. Durch die einfachere Handhabung tendieren v. a. größere Betriebe zu dieser Narkoseform. Der Anteil an schlecht narkotisierten Ferkeln dürfte dabei geringer sein, auch die kurze Aufwachphase spricht für die Methode. Es darf aber dabei nicht vergessen werden, dass ein deutlich höheres Risiko für die Anwender besteht, da betäubte Ferkel nach dem Eingriff noch Narkosegas abatmen, was vor allem in geschlossenen Räumen zum Anstieg der Isoflurankonzentration führen kann. Das Gas gilt als krebserregend und schädigt aufgrund seiner chemischen Struktur auch die Ozonschicht. Deshalb ist auf einen besonders sorgfältigen Umgang zuachten.
Verordnung für Isofluran
Der Gesetzgeber hat bereits einen Entwurf zu einer Ausbildungsverordnung vorgelegt, um Tierhaltern den Zugang zu Isofluran zu ermöglichen. In Deutschland ist die Abgabe mit einem Sachkundenachweis zulässig, in Österreich noch nicht. Die Kastration unter Narkose wird von Bio- und Tierwohlbetrieben schon einige Jahre durchgeführt. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Tierhalter und Tierärzten ist für einen reibungslosen Ablauf nötig. Dies kann auch die Einbindung des Tierhalters umfassen – die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind vorhanden.