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Mehrwerte entlohnen

Rückverfolgbarkeit als Produktstory

Regionalität, nachhaltige Produktion, faire Bezahlung: Lebensmittel können zahlreiche „Mehrwerte“ haben. Nur: wie mache ich sie dem Verbraucher klar? Darum drehte sich das f3-Scheunengespräch.

Lesezeit: 8 Minuten

Es gibt sie, diese Lebensmittel, bei denen allen sofort klar ist, wieso sie etwas Besonderes sind. Bei dem einen wird der Erzeuger fair bezahlt. Bei dem nächsten der Anbau besonders nachhaltig betrieben. Wieder andere schützen die Biodiversität. Doch wie schafft man es, auch erklärungsbedürftige Mehrwerte bis zum Verbraucher zu transportieren? Was muss eine Marke dafür leisten? Oder sollte es doch lieber ein Label sein? Und welche technischen Möglichkeiten gibt es eigentlich, die Wertschöpfungskette von Acker bis zum Teller transparent zu machen?

All diese Fragen kamen beim digitalen f3-Scheunengespräch am vergangenen Donnerstag Abend auf den Tisch. In gewohnter Manier teilten erst zahlreiche Gründer und Gründerinnen ihre Ideen und Erfahrungen in Kurzvorträgen, bevor sie sich mit den Zuhörern auf drei Breakout-Rooms aufteilten. Dort konnte mit offenen Mikros und Kameras frei mit den Impulsgebern diskutiert werden.

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Die Aufteilung der drei Breakout-Sessions zeigt, wie breit das Themenspektrum der zweistündigen Digitalveranstaltung war:

Raum 1: Technologie zur Nachverfolgung: Blockchain, Chargenverfolgung & Co.

Martin Stoussavljewitsch und Dr. Sebastian Terlunen stellten jeweils technische Lösungen vor, mit denen die Rückverfolgbarkeit entlang der Lebensmittelkette gewährleistet werden kann. Warum? „Entweder für Prozessoptimierung, Service oder Mehrwert“, sagte Sebastian, Gründer von „Frachtpilot“. Der Nebenerwerbslandwirt bietet landwirtschaftlichen Direktvermarktern mit seiner Software die Digitalisierung ihres Geschäfts an. Sein Programm unterstützt den Bauern von der Bestellung über die Rechnung und den Lieferschein bis hin zur Tourenplanung. Bei der Funktion „Chargenverfolgung“ komme dann der Aspekt der Rückverfolgbarkeit ins Spiel. Hier betonte Sebastian die Freiwilligkeit hinter dem Einsatz einer Chargennummer, die sein Start-up jedem Produkt zuordnen kann. Sebastian sagte: „Chargenverfolgung ist die kleine Blockchain.“ Es sei der Servicegedanke, der den Verbraucher an den Erzeuger bindet. „Der Regalplatz im LEH ist begrenzt und irgendwann kommt der Tag, an dem der Handel eine Chargenverfolgung bis zum Erzeuger verlangen wird.“

Für Martin Stoussavljewitsch, den Gründer von „Youki“, ist digitale Rückverfolgbarkeit eine Möglichkeit, durch eine direkte Verbindung zwischen Landwirten und Verbrauchern wieder Vertrauen zwischen beiden aufzubauen. „Die Blockchain ist wie ein digitaler Fingerabdruck“, sagte er. „Jeder Mehrwert, den der Landwirt erbringt, kann sichtbar gemacht werden.“ – Für Stoussavljewitsch eine Voraussetzung für eine direkte Entlohnung seines Aufwandes. So legt der Landwirt beim Blockchain-Projekt „Combayn“ Blühstreifen an, die vom Verbraucher in einer Art Patenschaft bezahlt werden. Das Besondere: Der Verbraucher kann digital nachvollziehen, welcher Schlag wie bepflanzt wurde. Es gibt keinen Zwischenhändler. Die Daten werden aus der landwirtschaftlichen Farm-Management Software direkt in die Blockchain eingespeist.

Jeder Mehrwert, den der Landwirt erbringt, kann sichtbar gemacht werden. - Auszug

„Es kann zwar jeder Erzeuger eine eigene Blockchain für sein Produkt erstellen“, sagte Martin. „Wir sollten uns als Erzeuger aber gemeinsam bündeln.“ Wichtig zu betonen war ihm, dass die Daten, die der Landwirt preisgibt, vorab klar ausgewählt werden. „Der Landwirt hat mit unserem System weiterhin die Hoheit über seine Daten.“ Er plädierte dafür, dass Erzeuger sich jetzt zusammenschließen und eigene Projekte eröffnen. Wenn der Weg einer Blockchain erst vom LEH ausgehe, sei es schwieriger, diese Hoheit beim Erzeuger zu belassen.

Bei der Technologie gehe es zum großen Teil um eine Beziehung zwischen Erzeuger und Verbraucher. Die Weiterentwicklung und Technisierung der Landwirtschaft habe häufig eine Distanz mitgebracht. Dieser hochtechnische Ansatz soll aber genau das Gegenteil bewirken.

Raum 2: Marken, Labels und Storytelling

Um die Nähe zum Verbraucher und sein Vertrauen in ein Lebensmittel drehte sich auch die zweite Breakout-Session. Denn dafür sind Marketing und Storytelling ja da: nur wenn der Verbraucher einer Marke oder einem Label vertraut, kauft er es. Und nur, wenn er den proklamierten Mehrwerten Vertrauen schenkt, ist er bereit, einen Aufpreis zu zahlen. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es verschiedene Wege, zeigten die Speaker auf dem f3-Scheunengespräch.

Nicolas Barthelmé von „Du bist hier der Chef – die Verbrauchermarke“ gibt den Konsumenten sogar ein besonderes Mitspracherecht. Sie können per Online-Fragebogen mitbestimmen, welche Mehrwerte ihnen wichtig sind. Diese Mehrwerte haben dann unmittelbaren Einfluss auf den Preis. „Das erste Produkt war eine Milch“, berichtet der Gründer. „Die Verbraucher wählten eine Bio-Weidemilch und bestimmten Details zur Fütterung, Vergütung der Landwirte, Tierwohlaspekte oder Verpackung.“ Der Preis lag am Ende bei 1,45 €, wovon 58 Cent an den Landwirt gehen. Durch ihre direkte Einbeziehung lernten die Verbraucher nicht nur viel über die Erzeugung, berichtete der Gründer, sondern bekamen auch ein Gefühl dafür, wie der Landwirt für bestimmte Mehrwerte entlohnt werden muss.

Bei erklärungsbedürftigen Produkten ist die verbale Kommunikation vor Ort mit dem Verbraucher ungemein wichtig. - Marvin Coböken

Ohne eine technische Rückverfolgbarkeit kommt auch Marvin Coböken von „once upon a bean“ aus. Der Gründer betonte vielmehr, wie wichtig authentisches Storytelling bei der glaubhaften Vermittlung von Produktmehrwerten ist. In seinem Fall ging es um hochpreisigen, weil direkt vom Anbauer gehandelten Kaffee. „Bei erklärungsbedürftigen Produkten ist die verbale Kommunikation vor Ort mit dem Verbraucher ungemein wichtig.“ Die Information nur auf die Verpackung zu drucken, reiche nicht. Das hat Auswirkungen auf den Vertriebskanal, der für hochpreisigen Kaffee infrage kommt. „Wenn der teure Kaffee einfach im Supermarkt neben dem günstigeren steht, und niemand erklärt dem Kunden, was das Besondere ist, dann bleibt er stehen“, sagte der Gründer in der am besten besuchten Breakout-Session. Wer kein eigenes Filialnetz oder gut geschultes Personal habe, sollte dann zumindest den Weg über eine gelungene und persönliche Online-Kommunikation mit angeschlossenen Webshop gehen. Das will „once upon a bean“ nun für Kakaoprodukte probieren.

Kommunikation, ja, Übersetzungsarbeit gar – dafür ist Nina Mannheimer beim Start-up „Klim“ verantwortlich. Das Team will regenerative Landwirtschaft fördern und dafür bereits bestehende Foodmarken begeistern. Weil regenerative Landwirtschaft oder Carbon Farming aber ein zu erklärungsbedürftiges Thema sei, das ein Durchschnittsverbraucher nur schwer verstehen kann, machte sich das Team aktiv auf die Suche nach einem einfacheren Begriff, der sich breitenwirksamer vermarkten lässt. Dabei herausgekommen ist ein Label, das „klimapositive Lebensmittel“ auszeichnet und dem Verbraucher sagt: Wenn du dieses Lebensmittel kaufst, unterstützt du nachhaltige Landwirtschaft. Klim lässt nämlich einen bestimmten Teil des Erlöses, eine CO2-Compensation, an umstellungswillige Landwirte fließen.

Raum 3: Die ganze Kette mitnehmen: Vom Landwirt über die Mühle zum Bäcker bis zum Verbraucher

Wer sich wundert, dass bisher überwiegend vom Landwirt zum Verbraucher von Rückverfolgbarkeit die Rede war, fand im dritten Breakout-Room auch Verarbeiter, Einzelhandel und Gastronomie vor. Sowohl das BASF-Projekt „Lerchenbrot“ als auch die „Regiothek“ von Gründer Simon Nestmeier setzen darauf, Lieferketten entlang der ganzen Wertschöpfungskette transparent zu machen. Simon berichtete: „Der Begriff Regionalität kam zuletzt wohl etwas zu sehr in Mode. Wir wollen daher die wirklich regionalen, kleinen Betriebe darstellen und zeigen, dass sogar ihre Lieferbeziehungen regional bleiben.“ Auf der Website haben sich bislang rund 150 landwirtschaftliche Betriebe, Verarbeiter wie Metzger und Brennereien, kleine Einzelhandelsläden und Gastronomen listen lassen. Dort legen sie Profile mit authentischen Fotos und Geschichten an, können einen Online-Shop einrichten und legen ihre Lieferbeziehungen offen. „Die Verbraucher fragen dann nicht nach Zertifikaten oder Qualitätsstandards“, berichtete Simon. „Es geht darum, die guten Geschichten der Betriebe lebendig und emotional zu erzählen. Da braucht es dann keine Marke und kein Label.“

Landwirt Dominik Bellaire aus Neupotz in Rheinland-Pfalz ist froh, dass er sich beim „Lerchenbrot“ einem größeren Projekt anschließen konnte, in dem das Geschichten erzählen und „Marketing betreiben“ in anderen Händen liegt. Hier schlossen sich unter der Federführung von BASF Landwirte mit einer regionalen Mühle und einem Bäcker zusammen, um die bedrohte Vogelart Feldlerche zu schützen und den Verbraucher für diese Leistung mitzunehmen. Das funktioniert so: Dominik Bellaire lässt bestimmte Flächen auf seinem Acker unbewirtschaftet. Diese werden von der Feldlerche genutzt. Durch die BASF-Software „Xarvio“ kann der Landwirt nachweisen, welche Flächen frei geblieben sind. Die „Walter Mühle“ verarbeitet das aus den Lerchenfeldern produzierte Getreide separat und liefert es an die Bäckerei Görtz, die das „Lerchenbrot“ wiederum für 10 Cent Aufpreis vermarktet. Diese 10 Cent teilen sich alle beteiligten Akteure der Kette.

Ein durchaus erklärungsbedürftiger Ansatz, der gut und vor allem dauerhaft kommuniziert werden will. „Wenn wir aufhören, darüber zu sprechen und Werbung zu machen, dann bricht der Absatz ziemlich schnell ein“, berichtete Markus Röser von BASF. Gerade die Bäckerei sei da gefordert, die Verkäuferinnen müssten geschult sein. Landwirt Dominik Bellaire unterstützt am Feldrand. „Ich komme darüber wieder mehr in Kontakt mit den Verbrauchen und kann ihnen das erklären“, sagte er. „Es ist schön, wenn sie verstehen, dass wir für die Biodiversitätsmaßnahmen entlohnt werden müssen.“

Das Brot im Regal bleibt 10 Cent teurer als das Brot nebenan. Wenn der Verbraucher nicht sofort sieht, was er da unterstützt, wird er schnell wieder zur günstigeren Alternative greifen. Der Mehrwert muss klar werden. Das hat das f3-Scheunengespräch gezeigt.

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