Vollautomatische Melkkarusselle sollen Arbeitskräfte entlasten und Arbeitskosten sparen (siehe auch „Roboter melken zu festen Zeiten, top agrar 12/2020, Seite R 14). Dafür sind die Investitionskosten höher.
Aber wie stehen die Systeme bei den Kosten für Investition, Unterhalt, Material, Energie, Wasser und Arbeitseinsatz im Vergleich zu konventionellen Systemen da? Das Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und ländlichen Raum (TLLLR) und das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) haben die Verfahrenskosten der Milchgewinnung in sechs Betrieben mit vollautomatischer Melktechnik im Melkzentrum erfasst.
Coronabedingt beschränken sich die Auswertungen bisher auf die Karusselle von GEA und DeLaval, das Batch Milking System von Lemmer-Fullwood folgt 2021. Für weitere Informationen, wie gerechnet wurde, siehe Zusatzinfo „Vorgehen“, unten auf der Seite.
Investitionsvolumen
Die Anschaffungskosten der komplexen Technik sind nicht zu unterschätzen. Im Schnitt der sechs Betriebe kostete der Melkplatz 45.500 € mit einer Spanne von 40.500 bis 50.500 €. Zum Vergleich: Automatische Melksysteme (AMS) mit Einzelboxen kosten bezogen auf einen Melkplatz mehr als das Doppelte. Bei konventionellen Melksystemen hängt der Preis vom Ausstattungsgrad ab. In der Praxis liegen die Kosten zwischen 5.000 € und 20.000 € pro Platz.
Auffällig waren die hohen Baukosten. Für fünf der untersuchten Anlagen wurde ein neues Melkhaus gebaut. In der Regel dienen zwischen 80 und 95 % des Gebäudes direkt der Milchgewinnung, die anderen 5 bis 20 % beherbergen Funktionsräume für beispielsweise Milchlager oder Tierbehandlung. Auf die Milchgewinnung entfiel ein Baukostenanteil zwischen 630.000 und 1,2 Mio. €. Pro Melkplatz sind das 19.000 bis 43.000 €. Im Vergleich dazu ergaben ältere Untersuchungen für konventionelle Melksysteme maximal Kosten von 16.500 € pro Melkplatz.
Hierbei spielen die gestiegenen Baupreise der vergangenen Jahre eine Rolle. Aber auch der Wunsch nach Arbeitskomfort führt zu einer großzügigeren Flächenausstattung rund um das Karussell und deutlich größeren Funktionsräumen.
Unterhaltungsaufwand
Neben den reinen Baukosten sind auch die Unterhaltungskosten nicht zu unterschätzen. Sie lagen im Mittel mit 136,70 € pro 1.000 Gemelken deutlich über dem konventioneller Anlagen (47,09 €) als auch über Melkroboter-Boxenanlagen mit 138,64 € pro 1.000 Gemelken (siehe Übersicht 1).
Grund dafür ist die komplexe Technik. Erstaunlich ist auch die hohe Schwankungsbreite zwischen den Betrieben. Zu beachten ist, dass es sich um Anlagen handelt, die im Schnitt erst drei Jahre alt sind. Vermutlich steigen mit zunehmendem Alter bei gleichzeitig ablaufenden Garantieansprüchen diese Kosten weiter.
Materialaufwand
Der Aufwand an Hygienematerial beim Melken hängt von der Art der Maßnahmen und deren Durchführung ab. Er lag bei den Betrieben zwischen 14,90 und 54,90 €/Kuh und Jahr und im Mittel bei 36,32 €.
Für einen Beispielbetrieb mit zwei Melkungen bei 700 Kühen in vollautomatischen Systemen sind nach Modellrechnungen 25,70 € pro Kuh/Jahr realistisch. Unterstellt man dieselben Eckdaten für eine konventionelle Anlage, schneidet diese etwas teurer ab. Denn Mehr- oder Einwegtücher schlagen zusammen mit dem Equipment des Melkers etwa mit 10 € pro Kuh und Jahr mehr zu Buche.
Der Einsatz von Reinigungsmitteln für die Spülung der Anlage ist unabhängig von der Zahl der gemolkenen Kühe. Darum besteht bei identischer Ausstattung ein Degressionseffekt mit steigender Kuhzahl.
Wasserverbrauch
Der Wasserverbrauch der Anlagen bei der Milchgewinnung lag zwischen 9 und 21,6 l/Gemelk. Im Durchschnitt benötigten die Betriebe 15 l je Gemelk. Messungen in konventionellen Melkständen ergaben im Schnitt ein Drittel weniger.
Beim Vergleich von einem sparsamen (8,9 l/Gemelk) und einem Betrieb mit hohem Wasserverbrauch (17,8 l/Gemelk) zeigt sich Folgendes: Die manuelle Reinigung der Melkanlage sowie des Wartehofes und der Zu- und Abtriebe nach jeder Melkzeit verbrauchte täglich in beiden Betrieben fast die gleiche Wassermenge. Der sparsame Betrieb melkt aber doppelt so viele Kühe!
Ein systembedingter Unterschied ergab sich aus der Plattformreinigung. Im Betrieb mit hohem Verbrauch sprühen Hochdruckdüsen nach jedem Austrieb automatisch Wasser auf die Standflächen. Beim Betrieb mit geringem Wasserverbrauch erledigt das ein Mitarbeiter je nach Bedarf.
Energieeinsatz
Beim Stromverbrauch kann sich das beste vollautomatische Karussell mit nur 0,1 kWh je Gemelk mit jeder konventionellen Anlage messen. Der Durchschnitt der Betriebe liegt aber mit 0,26 kWh deutlich darüber, der höchste Wert liegt bei 0,47 kWh.
Neue Melkanlagen sind mit energieeffizienter Technik bestückt. Während aber manche Betriebe Wasser mit Strom erwärmen, nutzen andere preisgünstigere Energiequellen (z. B. Biogaswärme). Deshalb ist es wichtig, den Gesamtenergieeinsatz zu betrachten. Dieser lag im Mittel bei 0,36 kWh/Gemelk.
Beim Wärmeenergieverbrauch sind Menge und Temperatur des Spülwassers die entscheidenden Größen. Hinzu kommt je nach Verfahren warmes Wasser für die Euterreinigung und Melkzeugzwischendesinfektion. Eine große Rolle spielt auch hier die Auslastung der Melkanlage. Ob eine Schicht 350 oder 700 Kühe melkt, spielt für die Warmwassermenge der Ringspülung keine Rolle. Aber der Verbrauch je Gemelk verdoppelt sich.
Arbeitsaufwand
Die größten Reserven beim Einsatz von automatischen Systemen gibt es bei den Arbeitskräften.
Die beste Anlage benötigte je Gemelk 0,75 Arbeitskraftminuten (AKmin), was jährlich 8,0 AKh/Kuh entspricht (Übersicht 2). Der Betrieb teilte die Arbeit so ein: Ein Melkbetreuer holte die Kühe, erledigte die Boxenpflege, trieb die Kühe in den Wartehof und hatte dann zwischen 10 und 20 Minuten Zeit, im Karussell zu arbeiten. Kühe, die das System nicht automatisch ansetzen konnte, selektierte es aus und lenkte sie zum Karussell zurück. Diese wurden nun manuell angesetzt. Nach dem Gruppenwechsel trieb der Melkbetreuer die fertigen Kühe zurück und holte die nächste Gruppe. Dazwischen blieb Zeit für andere Arbeiten wie das Reinigen der Tränken.
Leider hielten sich nur drei der Betriebe an diesen effizienten Arbeitsablauf. Obwohl es wichtig ist, dass der Arbeitseinsatz bei vollautomatischen Systemen auf das nötigste Minimum reduziert und gut organisiert wird. Während in Betrieben mit mehr als 1.000 laktierenden Kühen diskutabel ist, ob ein Melkbetreuer permanent am Karussell überwachen muss, ist dies in den kleineren Betrieben eindeutig abzulehnen. Wenn immer ein Mitarbeiter anwesend ist, überwacht dieser das Melken nicht nur, er greift auch viel zu häufig ein. Damit entsteht kein Nutzen, sondern Schaden. Und so entstehen Arbeitszeiten wie im Betrieb 1 in Übersicht 2. Selbst für ein konventionelles Karussell sind 16,4 AKh/Kuh/Jahr kein idealer Wert.
Modellkalkulation
Um die Kosten der Milchgewinnung ohne den Einfluss betriebsindividueller Faktoren darzustellen, nutzten die Experten die gemessenen Daten in einer Modellrechnung (Übersicht 3). Sie berechneten das Modell für einen Jahresdurchschnittsbestand von 750 Kühen mit 10.000 kg Milchleistung. Die laktierenden Kühe (648) werden zweimal täglich gemolken.
Das Ergebnis: Unterm Strich stehen Kosten in Höhe von 5,43 € je dt Milch. Unterstellt man dieselben Eckdaten zur Herde in einem konventionellen 2 x 16 Side-by-Side-System, kostet die konventionelle Variante rund 50 Cent weniger bei einer pausenfreien Schichtdauer von knapp sieben Stunden.
Automatik derzeit teurer
Wenn die Technik den Menschen ersetzt, führt das zu mehr Arbeitskomfort aber auch zu höherem Energieverbrauch und Wartungsaufwand. Dazu kommen die hohen Investitionskosten, sodass eine gute Auslastung der Technik dringende Voraussetzung für deren Wirtschaftlichkeit ist.
Der größte Knackpunkt ist aktuell jedoch der Arbeitskräfteeinsatz. Deren Einsparung reicht in der Praxis bislang nicht aus, um die Mehrkosten der Systeme gegenüber konventioneller Technik zu decken. Um das zu ändern ist es wichtig, Arbeitsabläufe festzulegen und Vertrauen in die Technik zu entwickeln. Denn eine hohe Qualität der Arbeitserledigung durch die Roboter ist längst gegeben. Man muss die Technik aber auch machen lassen, was sie kann!
In Summe ist daher die Milchgewinnung mit vollautomatischen Melkkarussellen tendenziell (noch) teurer als das Melken mit konventioneller und teilautomatisierter Technik.
Vorgehen: Das wurde gemessen
Die Verfahrenskosten setzen sich aus den folgenden Positionen zusammen:
Abschreibungen: Diese wurden zum Vergleich mit einheitlichen Sätzen berechnet. Die Experten haben die Investitionssummen aller am Prozessabschnitt der Milchgewinnung beteiligten Technik sowie den Gebäudeanteil erfasst. Auch die Beleuchtung und Hochdruckreiniger sowie Desinfektionsanlagen, Treiber, Heizung und Melkflure gehören dazu.
Unterhaltungsaufwand: Kosten durch Wartung und Reparaturen, aber auch Ersatzteile wie Zitzengummis. Und die eingesetzte Arbeitszeit bei eigenen Reparatur und Wartungsarbeiten.
Materialverbrauch: Alle Hygiene- und Hilfsmaterialien für die Milchgewinnung wie Melkmaschinenreiniger, Dipp- und Pflegemittel, Desinfektionsmittel und Melkbekleidung.
Strom- und Wasserverbrauch: Für die Messung installierten die Spezialisten Unterzähler.
Arbeitserledigungskosten: Die Arbeitszeiten wurden je Arbeitsgang erfasst für: Melkanlage vorbereiten, melknotwendige PC-Arbeiten, Treiben der Kühe, Unterstützung des Melkprozesses, Service während des Melkens, Beseitigung von Störungen (Kleinreparaturen) und Nachbereitung.
Dieser Beitrag von René Pommer (LfULG Sachsen) und Kerstin Hubrich (TLLLR Thüringen) ist auch in der top agrar Ausgabe 01/2021 erschienen.