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Kuhgebundene Aufzucht – bald keine Nische mehr?

Viele Konsumenten lehnen die frühe Trennung von Kuh und Kalb nach der Geburt ab. Manche suchen gezielt nach Produkten aus kuhgebundener Aufzucht. In den meisten Läden gibt es die aber noch nicht.

Lesezeit: 6 Minuten

Unsere Autoren: Dr. Kerstin Barth (Thünen-Institut Trenthorst), Dr. Inken Christoph-Schulz (Thünen-Institut Braunschweig), Matthias Placzek (Kiel)

Seit einigen Jahren wächst das Interesse an der kuhgebundenen Aufzucht. Allerdings ist bisher nur ein kleiner Teil der Milchviehbetriebe in das Produktionsverfahren eingestiegen. Für viele Landwirte spricht die geringere Menge an Liefermilch dagegen. Hinzu kommen die höheren Anforderungen an den Stallbau und die Umstellungen im Management.

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Um den Mehraufwand dieser Haltungsform zu kompensieren, ist die Vermarktung besonders wichtig. Das gilt nicht nur für die Milch, sondern auch für die Kälber, die nicht als Nachzucht oder zur Mast in der eigenen Herde bleiben. Auch hier müssen Milcherzeuger Konzepte entwickeln, um diese Kälber zu angemessenen Preisen zu vermarkten.

Mehr als eine Nische?

Bislang gibt es nur wenige Informationen über die Vermarktungswege der Betriebe, die ihre Kälber an der Mutter oder ammengestützt aufziehen. Auch die Haltung der Molkereien und des Lebensmittelhandels zu dieser speziellen Wirtschaftsweise ist noch nicht geklärt.

In einem Projekt des Thünen-Instituts stand deshalb die gesamte Kette von der Erzeugung über die Verarbeitung und den Handel bis zum Konsumenten im Hinblick auf Milch aus kuhgebundener Aufzucht im Mittelpunkt. Das Projekt trägt den Titel „Mehr als eine Nische? Untersuchungen zum Potenzial der kuhgebundenen Kälberaufzucht in der Vermarktung von Milch und männlichen Kälbern“. Gefördert wurde es durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft.

Auf der Erzeugerseite zeigte sich die dynamische Entwicklung des Themas kuhgebundene Aufzucht: Beim Projektstart im Jahr 2018 sollten noch 40 Milchviehbetriebe interviewt werden, die auf einer Internetplattform ihre Aufzucht öffentlich gemacht hatten. Innerhalb eines Jahres stieg diese veröffentlichte Zahl aber zügig an. Außerdem konnten die Wissenschaftler weitere Betriebe identifizieren, die zwar kuhgebundene Aufzucht praktizieren, das aber meist nur an ihre Kundschaft oder befreundete Landwirte kommunizierten.

60 Betriebe befragt

Schließlich fanden 60 Betriebsbesuche statt. Bis auf einen Betrieb wirtschafteten alle ökologisch und 57 Betriebe gehörten einem Bio-Anbauverband an. Kleinstbetriebe waren ebenso vertreten wie eine Herde mit 370 Kühen. Die Milchviehhalter praktizierten ganz unterschiedliche Verfahren des Kuh-Kalb-Kontakts. Der größte Teil hat vor weniger als fünf Jahren mit der Haltung begonnen. Auf etwas mehr als der Hälfte der Betriebe saugten die Kälber an den eigenen Müttern, sonst an Ammenkühen. Die Hauptgründe für den Einstieg waren der Tierwohlaspekt sowie eine erwartete Arbeitserleichterung.

Eine ähnliche Aufteilung bestand bei der Vermarktung der Milch. Jeweils rund 40% der Betriebe vermarkteten ihre Milch an eine Molkerei oder direkt. Ein Fünftel bzw. 20% der Betriebe nutzte beide Wege. Erwartungsgemäß erzielten die Direktvermarkter höhere Erlöse für ihre Milch und Milchprodukte. Allerdings schätzten sie ihr Vorgehen meist nur als kostendeckend und nicht zwangsläufig als gewinnbringend ein. Diese Einschätzung hatten aber wiederum an Molkereien liefernde Betriebe.

Gut die Hälfte der Milchviehhalter informierte die Kundschaft über ihre spezielle Haltungsform. Meist geschah das über eine eigene Webseite, direkt im Verkaufsgespräch oder bei Hofbesichtigungen. Lediglich sechs Betriebe kennzeichneten ihre Produkte. Inzwischen haben Erzeugergemeinschaften jedoch eigene Standards entwickelt und weisen dies auch auf ihren Produkten aus.

Was planen Molkereien?

Molkereien zeigen Interesse für Tierwohlaspekte auf den Erzeugerbetrieben, die in der Vermarktung bedeutsam werden könnten. Nur so lässt sich die gute Resonanz auf eine schriftliche Befragung von 96 deutschen Molkereien erklären. Ein Drittel der angeschriebenen Milchverarbeiter antwortete und repräsentierte gleichzeitig ein Drittel der in Deutschland verarbeiteten Milchmenge.

Dem größten Teil der Molkereien war die kuhgebundene Aufzucht bereits ein Begriff. Einige wussten auch, dass ein kleiner Teil ihrer Lieferanten diese Aufzucht praktiziert. Keine Molkerei schloss aus, dass sich Milch und Milchprodukte aus kuhgebundener Aufzucht am Markt etablieren werden. Weniger als ein Viertel hielt es für wahrscheinlich.

Selbst Milchprodukte aus kuhgebundener Aufzucht auf den Markt bringen, wollten in der nächsten Zeit aber nur sehr wenige. Milchverarbeiter, die in die Vermarktung der Haltungsform einsteigen wollen, sind meist klein und verfolgen das Ziel, sich so von ihren Wettbewerbern abheben zu können.

Nach Angaben vieler Milchverarbeiter verhindern die Erfassung von Kleinstmengen sowie die notwendige gesonderte Verarbeitung derzeit einen Einstieg in das Segment. Um Angebote zu schaffen, muss außerdem auch Kundennachfrage vorhanden sein. Molkereivertreter sehen laut der Umfrageergebnisse den Kundenschwerpunkt in Bio- und Naturkostläden.

Getreu dem Motto Angebot schafft Nachfrage müsste aber der Lebensmitteleinzelhandel erstmal Interesse daran haben, Produkte aus kuhgebundener Kälberhaltung in die Regale zu bringen. Von 100 telefonisch angefragten Einzelhändlern waren allerdings nur 14 zu einer Auskunft bereit. Von diesen boten bereits elf Händler Milch und Milchprodukte von Betrieben mit kuhgebundener Aufzucht an. Diese sehr eingeschränkte Stichprobe ließ keine allgemeinen Schlussfolgerungen zu.

Frühe Trennung unerwünscht

In den Märkten konnte der Projektmitarbeiter allerdings 120 Kunden zu ihrer Einstellung zur kuhgebundenen Aufzucht befragen. Diese Stichprobe ist zwar ebenfalls nicht repräsentativ. Im Gegensatz zu den Erhebungen bei den Händlern liegen für die Kundenbefragung aber aus anderen wissenschaftlichen Erhebungen verlässliche Informationen vor. Diese werden durch die Ergebnisse des Thünen-Instituts bestätigt: Etwas mehr als die Hälfte der befragten Konsumenten wusste, dass die Kälber früh von ihren Müttern getrennt werden. Wie in anderen Studien lehnten drei Viertel der Umfrageteilnehmer diese Praktik ab.

Wurde gezielt nach Produkten aus kuhgebundener Kälberhaltung gefragt, wäre es für etwas mehr als die Hälfte der Konsumenten relevant, ob die Aufzucht der Kälber an der leiblichen Mutter erfolgt. Weitere Untersuchungen sollten deshalb der Frage nachgehen, ob die ammengestützte Aufzucht, die für manche Betriebe aus vielerlei Gründen das praktikablere Verfahren darstellt und meist einen ganztägigen Kontakt zwischen Kälbern und Kühen ermöglicht, langfristig akzeptabel für die Kundschaft ist.

Ein herausforderndes Thema ist die Vermarktung von Kälbern, die nicht für die eigene Zucht verwendet werden. Der überwiegende Teil der Betriebe, die keine eigene Bullenmast praktizierten, verkaufte diese Kälber im Alter von 14 bis 21 Tagen über den Viehhandel in die konventionelle Rindermast. Damit wird weder die ökologische Wirtschaftsweise, noch der Kontakt zur Kuh berücksichtigt, bzw. honoriert.

Das sagen die Mäster

Für Mäster spielte das Thema der kuhgebundenen Kälberaufzucht bisher keine Rolle. Dennoch stellten sich zehn Mäster (acht bio, zwei konventionell) für ein Gespräch zur Verfügung. Von diesen begrüßten acht die Form der Aufzucht für Milchviehbetriebe und vier hatten auch schon Kälber aus kuhgebundener Aufzucht bezogen. Allerdings merkten sie kritisch an, dass bei der Vermarktung des Fleisches nach der Mastphase von mehr als eineinhalb Jahren, die Aufzucht in den ersten Lebensmonaten als Verkaufsargument nur wenig Bedeutung hat.

Bisher wurden bei den befragten Mästern noch nicht gezielt nach Rindern aus kuhgebundener Aufzucht nachgefragt. Das könnte sich aber ändern: Die Standards der Interessengemeinschaft kuhgebundene Kälberaufzucht und die Arbeit der Brudertierinitiative zielen auf den unmittelbaren Zusammenhang von Milch- und Fleischproduktion ab, der nicht nur im Ökolandbau Beachtung finden muss.

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