Für die rund 160.000 Beschäftigten in Schlachthöfen und Unternehmen der Fleischwirtschaft wird es zukünftig einen flächendeckenden Tarifvertrag mit einem steigenden Mindestlohn geben. Wie der Verband der Ernährungswirtschaft (VdEW) und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in der vergangenen Woche mitteilten, brachte die vierte Verhandlungsrunde am 27. Mai den Durchbruch. Der bis November 2024 laufende Tarifvertrag sieht vor, dass nach Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit durch das Bundesarbeitsministerium alle Beschäftigte in der Branche mindestens 10,80 € pro Arbeitsstunde erhalten.
Mindestlohnuntergrenze steigt jährlich
Die Mindestlohnuntergrenze soll am 1. Januar auf 11,00 € sowie Anfang 2023 und 2024 auf 11,50 € bzw. 12,30 € steigen. Damit liegt die Bezahlung in der Fleischwirtschaft über dem gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 9,50 € je Stunde. „Das ist eine deutliche Verbesserung und ein wichtiger Schritt. Wir sprechen aber immer noch von einem geringen Lohn für sehr harte Arbeit - es bleibt also viel zu tun“, erklärte der stellvertretende NGG-Vorsitzende Freddy Adjan. Ihm zufolge sollen in einem zusätzlichen Tarifvertrag noch weitere einheitliche Regelungen für die Branche - zum Beispiel für Urlaub, Zuschläge und bei den Arbeitszeiten - festgeschrieben werden.
Laut VdEW-Hauptgeschäftsführer Vehid Alemić steht vielen Betrieben im Vergleich zum aktuellen gesetzlichen Mindestlohn innerhalb von zweieinhalb Jahren eine Lohnsteigerung von rund 30 % bevor. „Wir haben uns als Branche bis an die Decke gestreckt“, so Alemić. Der Fleischwirtschaft werde damit viel zugemutet. Vor allem kleine und Familienbetriebe würden mit den Kostenerhöhungen schwer zu kämpfen haben. Doch zeige die Branche, dass sie geschlossen in die Zukunft gehe, ihre Tarifautonomie stärke und sich deutlich zu sozialpartnerschaftlichen Lösungen bekenne. Die getroffene Vereinbarung führe jetzt zur notwendigen Rechts- und Planungssicherheit für alle Beschäftigten und Unternehmen.
Zweiter Tarifvertrag vereinbart
Nach Angaben des VdEW haben sich beide Parteien auch darauf geeinigt, eine verbindliche Arbeitnehmerüberlassungsquote durch einen zweiten Tarifvertrag zu regeln, der nur für Verbandsmitglieder gelten soll. Die Nutzungsoption der Arbeitnehmerüberlassung durch die Unternehmen gelte uneingeschränkt auf Basis der Regelungen des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten (GSA) in der Fleischwirtschaft. Das bedeute, dass zum Beispiel in Saisonzeiten maximal 8 % Leiharbeit in einem Zeitraum von bis zu vier Monaten zulässig sei.
Grüne: „Toller Erfolg“
Begrüßt wurde die Einigung auf einen Branchentarifvertrag von den Grünen-Sprechern für Arbeitnehmerrechte und Agrarpolitik, Beate Müller-Gemmeke und Friedrich Ostendorff. „Der Tarifvertrag zu einem deutschlandweiten Mindestlohn für die Fleischbranche ist ein toller Erfolg der Sozialpartnerschaft, der hoffentlich auch für andere prekäre Branchen Signalcharakter hat“, erklärten die Politiker. Von dieser Einigung würden zehntausende Beschäftigte profitieren.
Auch die Ankündigung, dass dieser branchenspezifische Mindestlohn nur ein Auftakt sei und weitere tarifliche Vereinbarungen zu Themen wie Urlaub und Arbeitszeiten angestrebt würden, sei zu begrüßen. „Dieser Erfolg beweist auch, dass es richtig und gut war, Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischbranche gesetzlich zu beschränken“, betonten die Sprecher. Damit sei für die Arbeitgeberseite ein echter Anreiz geschaffen worden, statt auf prekäre Arbeitsverhältnisse wieder mehr auf Dialog mit der zuständigen Gewerkschaft und auf eine funktionierende Sozialpartnerschaft zu setzen.