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„Ich bitte um Vertrauen, dass wir das hinbringen“

Der Entwurf des Ergänzungsgesetzes zum Volksbegehren in Bayern hat viele Bauern enttäuscht. Südplus konfrontierte Landwirtschaftsministerin Kaniber mit den Kritikpunkten.

Lesezeit: 7 Minuten

Frau Ministerin, viele Landwirte sind enttäuscht vom Entwurf des Ergänzungsgesetzes, das die Fehler des Volksbegehrens ausmerzen soll. Der Bauernverband kritisiert z. B. das Genehmigungsverfahren für Ausnahmen vom Walzverbot auf Grünland nach dem 15. März als viel zu bürokratisch.

Kaniber: Hinter dem Walzverbot steckt der Gedanke, die Bodenbrüter zu schützen. Deshalb kann dieses Verbot z. B. in Vogelschutzgebieten nicht gelockert werden. Andere Flächen in Bayern wollen wir aber unbürokratisch behandeln. Alle sieben Bezirksregierungen sollen rechtzeitig festlegen können, in welchen Gebieten der Verbotstermin verschoben wird.

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Damit das nicht jeder Betrieb einzeln machen muss, sorgen wir dafür, dass die Regierungen großräumige Allgemeinverfügungen aussprechen können. Das wäre das Einfachste und Unbürokratischste. Es darf nicht sein, dass jeder Landwirt ins Landwirtschaftsamt rennt und wegen einer Einzelgenehmigung nachfragt.

Zudem wird es beim Walzverbot auch Ausnahmen bei der Beseitigung von Unwetter-, Wild- und Weideschäden geben. Ich finde es schade, wenn man jetzt schon darüber spricht, es wird bürokratisch. Ich bitte einfach um ein bisschen Vertrauen, dass wir das ordentlich hinbringen.

Laut Gesetz dürfen bayerische Bauern auf Grünland ab 2022 nicht mehr flächenhaft Pflanzenschutzmittel einsetzen. Haben Landwirte noch Alternativen in Fällen, wo dies fachlich noch nötig wäre?

Kaniber: Absolut, das muss auch sein. In den meisten Fällen muss auf Grünland kein flächiger Pflanzenschutz ausgeführt werden. Es gibt aber immer wieder auch giftige oder problematische Pflanzen, die sich ausbreiten. Dann muss man natürlich Eingriffsmöglichkeiten haben. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Bauern zuvor fachlich beraten lassen und eine entsprechende Genehmigung einholen.

Fläche für Biotopverbund erhöht

Auf Kritik stößt auch, dass Sie die Zielgröße für den Biotopverbund entgegen den Vorgaben des Volksbegehrens und des Runden Tisches von 13 auf 15 % erhöht haben. Laut Bauernverband wären das weitere 70 000 ha landwirtschaftliche Fläche, die aus der Produktion fallen.

Kaniber: Ich kann verstehen, wenn Landwirte das so sehen. Aber es gibt einen Hintergrund. Laut Umweltministerium entspricht der derzeitige Biotopverbund knapp 10 % vom Offenland. Wenn wir Gewässer- und Waldrandstreifen, grüne Oasen usw. hineinrechnen, erreichen wir die 13 % sehr gut. Deshalb haben wir uns gesagt, wenn uns Naturschutz wichtig ist, können wir noch etwas mehr machen.

Das soll aber auf kooperativer Basis mit den Landwirten geschehen, z. B. über das Vertragsnaturschutzprogramm. Es gilt auch bei dieser Regelung die Freiwilligkeit, nicht das Ordnungsrecht, und die Vorgabe gilt nicht für den Einzelbetrieb.

Übrigens: Der schwerwiegendste Flächenentzug passiert nicht im Rahmen des Umwelt- und Naturschutzes, den ich über ein freiwilliges Programm entlohnt bekomme. Der extreme Flächenentzug ist verursacht durch Gewerbe, Industrie und Wohnbebauung.

Das Ergänzungsgesetz ist bei den Vorgaben zum Flächenfraß aber sehr weich. Ein klare Zielvorgabe fehlt.

Kaniber: Bloß weil das jetzt in diesem einen Gesetz noch nicht drin ist, heißt das nicht, dass wir uns nicht darum kümmern. Wirtschaftsminister Aiwanger hat zum Beispiel im März ein Symposium zum Thema Flächenverbrauch abgehalten. Wir arbeiten da mit Hochdruck dran und ich bin mir sicher, dass Hubert Aiwanger entsprechende Lösungen bringt.

Einschränkungen für Streuobstwiesen

Ein weiterer Streitpunkt des Volksbegehrens sind die Streuobstwiesen. Wie definiert das Gesetz Streuobstwiesen und welche Einschränkungen hat deren Einstufung als Biotop zur Folge?

Kaniber: Die klare Definition, was eine extensive Streuobstwiese ist, wird das Umweltministerium vornehmen. Festgeschrieben ist die Mindestgröße von 2 500 m2. Das ist eigentlich keine große Fläche. Das heißt, dass auch schon kleinere Obstbaumbestände, die nicht an einen Hof angrenzen, als Biotop definiert werden könnten. Am Runden Tisch war man sich einig, dass man auch künftig bestimmte Pflegemaßnahmen machen darf und soll, um den Streuobstbestand zu erhalten. Dasselbe gilt für den Pflanzenschutz. Wenn bestimmte „Schad-Tierchen“, wie die Kirschessigfliege, ihr Unwesen treiben, dann muss Pflanzenschutz erlaubt sein.

Der dritte Punkt ist der Eingriff ins Eigentumsrecht. Auch da haben uns die Initiatoren Recht gegeben. Wenn es um Zubauten oder Anbauten im Zuge der Privilegierung geht, dann darf dieser Streuobstbestand beseitigt werden, er muss aber an einer anderen Stelle wieder gepflanzt werden.

Auch arten- und strukturreiches Dauergrünland soll als Biotop eingestuft werden. Was verstehen Sie darunter und welche Konsequenzen hat das für die Bewirtschaftung dieser Flächen?

Kaniber: Es geht hier nicht um alle artenreichen Dauergrünlandflächen, sondern um ca. 20 000 ha, die genau beschrieben sind: Es handelt sich um magere Flachlandmähwiesen, Bergmähwiesen und um Brenndolden-Auenwiesen, die FFH-Lebensraumtypen beschreiben und bisher noch nicht als Biotop geschützt sind. Hier bleiben wir im bereits abgegrenzten FFH-Gebiet und es wird Förder- und Instandsetzungsmöglichkeiten geben.

Festlegung von Gewässerrandstreifen

Heftige Einschnitte für die Landwirte bringt die Regelung, dass sie 5 m breite Streifen neben Gewässern nicht mehr bewirtschaften dürfen. Welche Gewässer meint das Gesetz?

Kaniber: Es geht um Gewässer erster, zweiter und dritter Ordnung. Dritter Ordnung dann, wenn ständige Wasserführung gegeben ist. Auch da warten wir auf eine genaue Kulisse des Umweltministeriums, weil dies die Wasserwirtschaft betrifft. Zur Kritik an den Gewässerrandstreifen möchte ich anmerken, dass alle anderen Bundesländer dazu gesetzliche Vorgaben haben, wir dagegen bisher auf Freiwilligkeit gesetzt haben.

In unserem bisherigen freiwilligen Förderprogramm „Anlage von Gewässerrandstreifen“ haben wir bisher erst 5 700 ha drin. Wir haben in Bayern aber ein Potenzial von rund 20 000 ha Gewässerrandstreifen entlang von Ackerflächen. Die Freiwilligkeit hat in diesem Fall also nicht schnell genug den erwünschten Flächenumfang erbracht.

Wichtig ist zudem: Wir können auch hier künftig einen Teil – zwar nicht mehr so viel wie bisher – mit Geld ausgleichen. Die Wasserrahmenrichtlinie und das Wasserhaushaltsgesetz machen es möglich, in ausgewiesenen Maßnahmengebieten für gebietsbezogene Benachteiligungen bis zu 200 € pro Hektar zu bezahlen. Bisher waren es 920 € pro Hektar.

Wir wollen daher Möglichkeiten für die Landwirte schaffen, Fördermittel über andere Maßnahmen beantragen zu können und planen neue Maßnahmen im Rahmen des KULAP, z. B. grüne Bänder und Inseln oder Waldrandstreifen. Die neuen Maßnahmen werden gerade fachlich ausgearbeitet und müssen dann bei der EU-Kommission genehmigt werden, sodass wir sie dann hoffentlich im nächsten Jahr bereits anbieten können.

Chemischen Pflanzenschutz reduzieren

Ihr ergänzender Regierungsantrag zum Volksbegehren enthält auch die Vorgabe, den chemischen Pflanzenschutz bis 2028 zu halbieren? Was haben Sie konkret vor?

Kaniber: Es geht mir hier um eine gesamtgesellschaftliche Zielvorgabe, nicht um ein Verbot und schon gar nicht um eine einzelbetriebliche Vorgabe. Jede Kommune, jeder private Gartenbesitzer und jeder Landwirt sollte sich Gedanken machen, wie wir den Pflanzenschutzmitteleinsatz reduzieren können. Wie uns beim Antibiotikaeinsatz die Halbierung gelungen ist, werden wir das auch bei den Pflanzenschutzmitteln schaffen.

Wir sind in Bayern in der Digitalisierung soweit auf dem Weg, dass wir in zehn Jahren mit Hacktechnik, Abflammtechnik usw. viel mehr Möglichkeiten haben werden, Pflanzenschutzmittel einzusparen. Und wir weiten den Ökolandbau aus.

Mir geht es um das Image der Bauern. Ich will diese emotionale Debatte um das Thema Pflanzenschutz positiv begleiten, im Sinne von „wir geben uns alle Mühe, dass wir ordentlich und innovativ arbeiten und gesunde Produkte auf den Teller bringen“.

Haben Sie noch Hoffnung, die Bauern mit dem Volksbegehren versöhnen zu können?

Kaniber: Ich bin zurzeit in ganz Bayern unterwegs und werde das Gespräch mit den Bauern suchen. Das Problem ist: Wir haben bereits jede Menge an rechtlichen Vorgaben, die den Bauern das Leben schwer machen. Wir haben eine neue Düngeverordnung, wir haben eine Verpflichtung zur Reduzierung der Luftschadstoffe und wir haben die anstehende Gemeinsame Agrarpolitik in Europa zu verhandeln. Und als i-Tüpfelchen kam dann auch noch das Volksbegehren ohne Vorgespräche mit den Bauern.

Die bisherigen Veranstaltungen mit den Landwirten zeigen: Wenn wir erklären, dass wir fachliche Mängel im Volksbegehren durch Ergänzungen im Begleitgesetz verbessern und auch die Fördermöglichkeiten weitestgehend erhalten und ausbauen konnten und zudem andere Akteure zu mehr Artenschutz verpflichten, denke ich, schaffen wir es, die Bauern zu befrieden.

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