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Systemfahrzeug Nexat: Säen und Ernten auf festen Spuren

Feste Fahrspuren mit 14 m Abstand: Beim Nexat bleiben bis zu 95 % der Fläche unbefahren. Wir haben uns das Konzept vom Entwickler Kalverkamp erklären lassen.

Lesezeit: 6 Minuten

Spricht man mit Klemens Kalverkamp, gehören Bodenverdichtungen und die damit verbundenen Folgen wie verminderte Wasseraufnahme, gehemmtes Wurzelwachstum und Erosion zu den größten Problemen der modernen Landwirtschaft.

Kalverkamp ist seit Jahrzehnten als Konstrukteur in der Branche bekannt. Zusammen mit seinem Sohn Felix steckt er mit dem Unternehmen Kalverkamp Innovation hinter dem Projekt Nexat – einem Pflanzenbau-Produktionssystem, dessen Kern ein völlig neues Trägerfahrzeug ist.

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Im Jahr 2014 gab es erste Konzepte und 2017 den ersten Prototypen. Im Jahr 2019 wurden in der Ukraine 400 ha komplett mit dem Nexat bewirtschaftet, von der Bodenbearbeitung über die Aussaat und Pflege bis zum Drusch. Mittlerweile gehen die ersten Kundenmaschinen auf bereits drei Kontinenten in den Einsatz.

Das Projekt wird unter anderem durch das Land Niedersachsen unterstützt. Es gibt weitere Teilhaber, aber die Mehrheit liegt bei der Familie Kalverkamp. Wir hatten Anfang Mai die Gelegenheit, mit Klemens Kalverkamp im Werk in Rieste, Landkreis Osnabrück, über das Konzept und die technische Umsetzung zu diskutieren.

Controlled Traffic Farming: Nur 5 % der Fläche befahren

Im den üblichen Pflanzenbaukonzepten bestimmt die Arbeitsbreite des Geräts über das Befahren der Fläche. Beim sogenannten Random Traffic wird der Boden irgendwann an jeder Stelle überrollt und damit fast flächig verdichtet. Kritiker bemängeln, dass sich diese Verdichtungen wenn überhaupt nur durch tiefe und energieintensive Bodenbearbeitung wieder beheben lassen. Das kann aber die natürliche Bodenstruktur beeinträchtigen und die Erosionsgefahr erhöhen. Das zu ändern, ist laut Kalverkamp ein wesentlicher Treiber in der Entwicklung des Nexat.

Über feste Fahrgassen und größere Arbeitsbreiten versucht man, die Schäden zu reduzieren. Weiter geht der Ansatz des Controlled Traffic Farming (CTF). Es soll die Befahrung auf den immer gleichen Fahrspuren konzentrieren. Darauf müssen dann alle Geräte – auch die Erntemaschinen – abgestimmt sein. Herkömmliche Maschinenkonzepte kommen da an ihre Grenzen: Die verschiedenen Arbeitsbreiten und die Logistik lassen sich nur schwer darauf abstimmen.

Der Nexat ist ein sogenannter Wide Span-Tractor. Die Idee des Wide Span Controlled Trafic Farming (WSCTF) an sich ist nicht neu. Ein Pionier war der englische Farmer David Dowler zu Beginn der 1980er-Jahre. Die Maschinen fahren lang zum Feld, drehen ihre Fahrwerke um 90° und bewegen sich dann wie ein Brückenkran über den Acker. Die Arbeitsgeräte sind zwischen den beiden Fahrwerken eingehängt.

Nexat greift die Idee auf und setzt sie mit den heutigen technischen Möglichkeiten um. Die aktuelle Maschine hat auf der Straße eine Gesamtlänge von 21,70 m, die Spurweite im Feldmodus beträgt 14 m. In Arbeitsposition bleiben laut Klemens Kalverkamp so 95 % der Fläche unbefahren.

Die Fahrspuren vergleicht der Entwickler mit 60 bis 70 cm breiten Feldwegen. Die Spuren liegen möglichst etwas höher, damit sich hier kein Wasser sammeln kann. Auch eine Begrünung ist denkbar. In Brasilien experimentiert das Unternehmen mit dem Brachiaria-Gras, einem besonders tief wurzelnden tropischen Weidegras. In den kommenden Jahren soll übrigens eine Version für den westeuropäischen Markt folgen, die 9 m Spannweite hat.

Das aktuelle Fahrzeug rollt auf knapp 2,30 m hohen Michelin-Reifen. Auf der Straße lassen sich zusätzliche Räder absenken, um die zul. Radlasten einzuhalten. Auch Versionen mit Raupenlaufwerken haben die Kalverkamps im Programm.

Die Maschine ist mit einem RTK-Lenksystem bzw. einem Autopiloten ausgestattet. Die Einsätze lassen sich genau vorplanen, um effizient zu arbeiten und die Fahrspuren genau einzuhalten. Der Fahrer kümmert sich mehr um die Überwachung der Geräte. Für die optimale Sicht lässt sich seine Kabine dazu über bzw. vor dem Nexat in allen Richtungen frei bewegen.

Zwei Diesel & vier E-Maschinen für Leistungs

Im Rahmen des Fahrzeugs arbeiten zwei Liebherr 12 l-Sechszylinder mit je 400 kW bzw. 544 PS Leistung. Mit knapp 1.100 PS ist der Nexat damit der stärkste Ackerschlepper weltweit, sagt Kalverkamp. Die Motoren geben ihre Leistung an Generatoren ab, die das Hochvolt-System der Maschine versorgen. Zusätzlich ist auch ein mechanischer Riemenabtrieb vorgesehen.

Den Fahrantrieb übernehmen elektrische Radmotoren, die aus dem Automotive-Bereich stammen. Jede dieser E-Maschinen hat eine maximale Leistung von 160 kW bzw. 220 PS. Standard ist ein Bereich von 0 bis 25 km/h, optional sind auch 40 km/h möglich.

Systembedingt liegen alle Komponenten im Brückenrahmen und sind daher gut zugänglich. Bei Störungen setzt Nexat auf den Austausch der kompletten Komponenten, was vor Ort herkömmliche Mechaniker erledigen können. Weil das Unternehmen die Maschinen weltweit verkauft, sind einfache Wartung und Reparatur sowie Ferndiagnose und Telemetrie existenziell. Die Kalverkamps garantieren einen 24/7-Service und schnelle Ersatzteilversorgung.

Anbaumodule zum Säen, Düngen, Pflegen, Ernten

Durch seine Fahrwerkskonstruktion kann sich das Fahrzeug heben und senken. So nimmt es die Anbaumodule ähnlich wie ein Frontladerwerkzeug auf: Aufnahmen greifen von unten in Haken, anschließend verriegelt sich das Ganze. Multikuppler versorgen die hydraulischen Funktionen der Module.

Bisher dauert der Modulwechsel rund fünf Minuten, künftig soll das Ganze vollautomatisch laufen. Den Kalverkamps ist bewusst, dass der schnelle Wechsel bei einem Universalfahrzeug existenziell für einen Erfolg ist.

In früheren Wide Span-Traktoren war das Thema Erntetechnik nicht gelöst. Als einziges eigenes Anbaugerät hat Nexat deshalb eine Druscheinheit entwickelt. Der Mähdrescher arbeitet mit einer tangentialen Zuführung, die das Erntegut rechts und links auf den Abscheiderotor aufteilt. Das Modul lässt sich mit 15 m breiten Erntevorsätzen, z. B. von Geringhoff oder MacDon bestücken. Der Korntank fasst 25 t. Durch die 600er-Schnecke soll er in einer Minute entleert sein. Das ist wichtig, weil möglichst keine Abfahrgespanne den Acker befahren sollten. Die Entladepunkte werden durch die Einsatzplanung vorab optimiert.

Alle anderen Module stammen aus Kooperationen mit spezialisierten Herstellern. Väderstad liefert bspw. Sä- und Bodenbearbeitungstechnik, von Dammann kommt eine Pflanzenschutzeinheit. Wienhoff hat ein Güllemodul gebaut. In den einzelnen Zielmärkten will Nexat auch mit lokalen Firmen zusammenarbeiten. Die Anbaugeräte bzw. deren Aggregate werden getragen, nicht gezogen. Das soll negative Effekte auf die Bodenstruktur vermeiden und Kraftstoff sparen. Das Gewicht überträgt der Rahmen auf die angetriebenen Räder in den festen Fahrspuren.

„Ich sehe unser System auf Direktsaatbetrieben oder auf solchen, die den Boden nur extensiv bearbeiten. Da wir nicht in den Beeten fahren, ermöglicht der Nexat sogar die Aussaat der Folgefrucht vor der Ernte in den Bestand. Das ist vor allem für Betriebe interessant, die eine dauerhafte Begrünung anstreben. Mir ist folgender Punkt besonders wichtig: Wir verkaufen nicht nur die Technik, wir wollen ein ganzheitliches System in den Markt bringen“, erklärt Kalverkamp. Im Jahr 2023 will Nexat zwölf Serienmaschinen bauen, die in den weltweiten Einsatz gehen.

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