Eine klassische Lehre mit anschließendem Agrarstudium? Das hielt Carina Dünchem aus Andernach nicht für ihren persönlichen Weg. Wer Saatgut vermehrt, sagt sie, muss nicht wissen, wie die Tierhaltung funktioniert.
Was nun? Nach dem Abitur stand Carina Dünchem vor der Wahl: Uni oder Ausbildung? „Nach dem Agrarstudium hätte ich in der Industrie arbeiten können. Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass mir das später dabei hilft, den Familienbetrieb zu führen“, erklärt sie. „Tierhaltung ist für uns keine Option und einen BWL-Schwerpunkt gab es für den Bachelor in Bonn noch nicht. Deshalb fand ich die Ausbildung zur Steuerfachangestellten und das BWL-Studium passender für mich“, erklärt sie.
Im vergangenen Sommer stieg die heute 29-Jährige dann voll ins Hofgeschehen mit ein. „Obwohl ich seit Schulzeiten mit angepackt habe, meinte ich anfangs schon, dass mich andere Landwirte nicht ernst nehmen. Aber als mein Papa Ende August einen Unfall hatte und ich die Ernte allein mit den Lehrlingen über die Bühne bringen musste, konnte ich meine Fähigkeiten unter Beweis stellen“, ist sie überzeugt. „Und wenn der Papa ausfällt, dann fehlt nicht nur seine Arbeitskraft, sondern auch der, der mitdenkt.“
Saatgut und Kartoffeln:
Am liebsten verbringt die angehende Betriebsleiterin ihre Zeit auf dem Acker. Vor allem die Saatgutvermehrung liegt ihr. „Das ist viel Handarbeit – im Mai/Juni gehen wir durch die Felder, um Fremdbesatz wie Flughafer oder andere Getreidearten rauszurupfen. An richtig heißen Tagen springen wir mittags kurz in den See, dann geht’s weiter. Das ist auslaugend, aber eine richtig schöne Zeit“, sagt sie.Ihr elterlicher Betrieb vermehrt Saatgut seit den 70ern. Seit 25 Jahren reinigen und lagern die Dünchems ihr Saatgut auch selbst ein, um es an die RWZ in Andernach zu verkaufen.
Neben der Vermehrung von Weizen, Gerste, Hafer und Triticale baut die Familie unter anderem Kartoffeln an. Die Böden am Fuße der Vulkaneifel eignen sich dank des hohen Kaligehalts ideal für die Knolle. Dabei liefert sie nicht an den Großhandel, sondern direkt an Gastronomen und Hofläden. „Die Köche sind dankbare und treue Kunden“, sagt die Juniorchefin zufrieden.
Selbst ist die Frau:
Unabhängigkeit und Schlagkraft sind ihr bei der Arbeit wichtig. „Mit unseren 170 ha stehen wir an einer Schwelle. Der Hof ist zu klein für zwei Landwirte und zu groß für einen allein“, erklärt sie. „Der Lohnunternehmer rodet bei uns die Rüben. Ansonsten arbeiten wir aber mit eigenen schlagkräftigen Maschinen.“ Seit dieser Saison ergänzt ein zweiter Mähdrescher mit 7,5 m Schneidwerk ihren Fuhrpark. Auch in eine pneumatische Sämaschine hat sie vor Kurzem investiert. „Wir können die Maschinen trotz der mittleren Betriebsgröße voll auslasten, weil wir sie auch für Lohnarbeiten einsetzen. Unsere eigenen Flächen liegen teilweise direkt am Rhein. Wenn wir das Getreide vom Feld haben, können wir anschließend für die höher gelegenen Betriebe in der Eifel und im Westerwald, die später in der Abreife sind, fahren“, erklärt sie.Nur die nassen Sommer verderben der jungen Frau seit zwei Jahren den Spaß an der Arbeit. „Wenn wir die Ernte immer wieder unterbrechen müssen, leidet die Qualität. Wird das Saatgut dann wegen schlechter Keimfähigkeit nicht anerkannt, geht uns bares Geld verloren“, sagt sie.
Offensiv im Dialog:
Darüber hinaus macht sie die fehlende Akzeptanz in den Augen der Gesellschaft manchmal sprachlos. Seit einem Jahr postet sie daher Bilder aus ihrem Alltag bei Facebook und Instagram. „Gerade Spaziergängern und Radfahrern fehlt das Verständnis für Landwirte, die auch an Sonntagen in der Flur unterwegs sind“, sagt Carina Dünchem. „Mein Bruder hat uns vor Kurzem eine Homepage erstellt. Damit wirken wir transparenter und ich glaube, dass sich zukünftig die Wahrnehmung des Unternehmens stark am Internetauftritt orientiert“, ist sie überzeugt.Auch mit anderen Frauen aus der Landwirtschaft tauscht sie sich online aus. „In der Umgebung habe ich hauptsächlich männliche Kollegen“, erklärt sie. „Ich fühle mich wohl unter den Kerlen, aber manchmal muss ich einfach unter Mädels sein. Privat tanze ich karnevalistischen Showtanz, das macht riesig Spaß und ist ein super Ausgleich.“
Vorteilhaft gegenüber den Kollegen sieht sie ihre offene und kommunikative Art. Daneben pflegen sie und ihr Vater einen ehrlichen Austausch. „Während ich verschiedene Lösungen abwäge, entscheidet mein Papa oft aus dem Bauch heraus. Gerade in der Ernte führt das manchmal zu Diskussionen. Aber wir ergänzen uns gut und wenn mein Einwand berechtigt ist, dann ist er – Gott sei Dank – offen für meine Ideen.“
Im nächsten Schritt gründet das Vater-Tochter-Duo nun eine GbR. Für den Generationenwechsel wollen sie sich fünf bis zehn Jahre Zeit nehmen „Ich habe mich schon in der Bachelorarbeit mit der Übergabe beschäftigt. Es war gut, das im Vorfeld einmal theoretisch zu erarbeiten“, erklärt die Unternehmerin. „Vollmachten, Notfallpläne und meine eigene Familienplanung können jetzt – ganz geordnet und durchdacht – in den Prozess der Hofübergabe mit einfließen.“ Katharina Meusener