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Die Schädlings-Armada marschiert gen Norden

Lesezeit: 8 Minuten

Der Klimawandel beschert uns vermehrt Schädlinge, die bisher unbekannt waren. Prof. Dr. Stefan Vidal, Uni ­Göttingen, gibt einen Einblick in ein ­Horrorkabinett.


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Die Klimaveränderung beschert uns in vielen Regionen höhere Temperaturen. Ob dies im Mittel ein oder zwei Grad sein werden, ist für die Schadinsekten ziemlich unerheblich. Mehr Wärme bedeutet für sie bessere Entwicklungsbedingungen. Und mehr Wärme heißt in der Regel auch mehr Nachkommen, also auch mehr Schäden.


Immer mehr Schädlinge aus Südeuropa


Schon jetzt mehren sich die Meldungen über das Auftreten von Arten, die überwiegend im mediterranen Raum beheimatet sind. So wird z. B. der Altweltliche Baumwollkapselwurm (Helicoverpa armigera) häufiger im Freiland in Süddeutschland beobachtet. Anders als der deutsche Name vermuten lässt, ist diese Art in ihren Nahrungsansprüchen nicht wählerisch. Sie kann sich an einer Vielzahl verschiedener Kulturpflanzen entwickeln.


In Südosteuropa ist der Wurm ein wichtiger Schädling im Mais und Paprika. Ähnlich wie der Maiszünsler verursacht er durch den Larvenfraß am Kolben und in der Folge durch höheren Pilzbefall erhebliche Probleme.


Auch verschiedene Mottenarten, für die es noch keine deutschen Namen gibt, werden ihr Verbreitungsgebiet nach Norden ausdehnen und somit regelmäßig bei uns auftreten. Ob sie dann gleichzeitig auch Schäden verursachen, hängt unter anderem auch von den hochsommerlichen Witterungsbedingungen ab. Verschiedene Klimaszenarien aus Nordamerika zeigen, dass im dortigen Maisanbau, insbesondere an der Grenze zu Kanada, in den nächsten Jahrzehnten mit Schäden durch bisher nur im Süden der USA beheimatete Schädlingsarten zu rechnen ist.


Ein vergleichbares Phänomen beobachten wir gegenwärtig beim Maiszünsler (Ostrinia nubilalis). Er war ursprünglich im südlichen Eu­ropa beheimatet. Er hat sich in den letzten Jahren aber stetig nach Norden ausgebreitet und ist jetzt von Mecklenburg-Vorpom­mern über Niedersachsen bis ins nördliche Nordrhein-Westfalen zu finden. Es ist eine Frage der Zeit, wann Schleswig-Holstein besiedelt sein wird.


Das Hauptproblem: Der Schädling schafft durch den Fraß in den Stängeln Eintrittspforten für Fusarium-Pilze. Bei starkem Befall kann die Toxinbelastung um ein Vielfaches, ja um mehr als das Hundertfache ansteigen. Versuche in Bayern haben gezeigt, dass bei einer Bekämpfungsschwelle von 20 bis 50 Larven oder 5 bis 7 Eigelegen pro 100 Pflanzen mit Kosten durch Insektizidbehandlungen von etwa 50 €/ha zu rechnen ist.


Exotische Käfer wandern nach Norden


Mit einem Rüsselkäfer, dem Getreide- oder Maiskäfer (Tanymecus dilaticollis) ist in den nächsten Jahren im Getreide- und Maisanbau zu rechnen. In Rumänien ist er bereits auf der Liste der Top-Schädlinge zu finden. Sowohl die Käfer als auch die Larven schädigen die auflaufenden Pflanzen und verursachen dadurch erhebliche Ernteausfälle. Auch dieser Käfer ist ein Beispiel für eine wärmeliebende Art, die sich vom östlichen, kontinentalen ­Europa stetig nach Zentraleuropa ausbreitet.


Eine weitere Käferart, die uns schon heute hin und wieder zu schaffen macht, ist der Getreidelaufkäfer (Zabrus tenebrioides). Dieser Schädling aus Osteuropa kann auch bei uns, z. B. nach mehrjährigem Weizen-Daueranbau, beträchtliche Schäden verursachen. Die bisher eher vereinzelten Schäden werden auf Grund der klimatischen Veränderungen zunehmen, denn die Käfer lieben trockene Sommer und höhere Temperaturen.


Der wohl wichtigste Schädling der kommenden Jahre ist der Westliche Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera virgifera). Seit er in den neunziger Jahren aus USA nach Serbien verschleppt wurde, dringt er unaufhaltsam nach Norden und Westen vor. Neben dem ersten Verschleppen nach Serbien hat es in den letzten 20 Jahren mindestens vier unabhängig voneinander verlaufene Einschleppungen aus den USA nach Europa gegeben (Umgebung Mailand, Paris, Elsass, London). Es ist zu befürchten, dass es in den nächsten Jahren zu weiteren Fällen kommen wird.


Simulationsmodelle aus den USA zeigen, dass sich der Schädling durch die Klimaveränderung nach Norden ausbreiten wird und die Entwicklungsbedingungen in den nächsten Jahrzehnten bis weit nach Kanada hinein günstiger sein werden. Auf Europa übertragen heißt das: Alle wichtigen Maisanbaugebiete bieten ideale Entwicklungsbedingungen für den Maiswurzelbohrer.


Neben den Anbaubeschränkungen für Mais in Befallsregionen gibt es ein weiteres durch die Käfer verursachtes Problem: Der Larvenfraß an den Wurzeln fördert den Pilzbefall in den Pflanzen, ähnlich wie beim Maiszünsler. Jüngste Studien der Universität Göttingen zeigen, dass mit hohem Fraßdruck der Larven und hohem Befallspotenzial durch Fusarium im Boden die Mykotoxinbelastung ansteigt.


Entgegen den Erwartungen tritt dieses Problem auch bei transgenen Maislinien auf, die ein gegen die Käferlarven spezifisches Toxin in den Wurzeln bilden. Die Wurzeln dieser Bt-Pflanzen schmecken den Larven nicht. Sie knabbern daher an vielen Stellen wiederholt an den Wurzeln, mit der Folge, dass mehr Eintrittsstellen für den Pilz entstehen und damit die Gefahr einer vielfach höheren Toxinbelastung zunimmt. Jüngste Ergebnisse zeigen außerdem, dass Mais nicht die einzige Wirtspflanze des Käfers ist. Wer sich mit dem Gedanken trägt, z. B. Chinaschilf als Alternative anzupflanzen, sollte lieber gleich die Finger davon lassen. Studien in den USA zeigen, dass diese Pflanze für die Larvenentwicklung noch um einiges besser geeignet ist als Mais – man käme somit vom Regen in die Traufe.


Drahtwürmer nehmen zu


Wiederholt gibt es mittlerweile Meldungen über Schäden durch Drahtwürmer, die Larven der Schnellkäfer. Von der Universität Göttingen, der Firma Syngenta und einer Vielzahl von Pflanzenschutzämtern wurde 2009 erstmals ein bundesweites Monitoring zum Vorkommen der verschiedenen Schnellkäferarten durchgeführt. Dabei hat sich gezeigt, dass die fünf wichtigsten Arten bei uns nicht gleich oft in den verschiedenen Regionen vorkommen. Arten mit längeren Entwicklungszyklen (vier bis fünf Jahre) finden sich mehr im Norden und Arten mit kürzeren (ein bis zwei Jahre) vermehrt im Süden. Aus Frankreich wird berichtet, dass sich die letztgenannten Arten nach Norden ausbreiten – vielleicht ebenfalls eine Folge der Klimaänderung.


Die unterschiedlichen Ansprüche der verschiedenen Schnellkäferarten und ihre Entwicklungszyklen werden unterschiedliche Bekämpfungsstrategien notwendig machen. Die bisher gebräuchliche Schadensschwelle von mehr als 6 Larven/m2 ist weder gut begründet noch artspezifisch definiert. Zudem sind die empfohlenen Kulturmaßnahmen (z. B. Schwarzhalten des Bodens zwischen den Kulturen, Nahrungsangebot limitieren) nur langfristig erfolgreich und sollten durch flankierende Maßnahmen begleitet werden.


Benötigt wird ein umfassendes Monitoring der tatsächlich verursachten Schäden, abhängig von Fruchtfolgen und regionalen Anbaubedingungen sowie eine artenspezifische Zuordnung der Schäden und das Prüfen chemischer Bekämpfungsoptionen.


Auch neue Läusearten dringen in den letzten Jahren aus dem südosteuropäischen Raum nach Zentraleuropa vor. Dies sind die Grüne Getreideblattlaus (Schizaphis graminum) und die Russische Weizenlaus (Diuraphis noxia). Beide Arten sind in ihren Ursprungsländern als wichtige Getreideschädlinge und als Überträger von Virosen bekannt. Aber auch die Maisblattlaus (Rhopalosiphum maidis) wird in den nächsten Jahren verstärkt zu beachten sein.


Die Virusgefahr nimmt zu


Blattläuse können sich bei höheren Temperaturen besser entwickeln. Somit wird der Klimawandel auch dazu beitragen, dass sich hohe Populationsdichten noch schneller aufbauen können als bisher. Mehr Läuse im Herbst bedeutet auch eine höhere Virusgefahr. Allerdings ist das Szenario, mehr Wärme = mehr Läuse, zu einfach gedacht. Zum einen werden in vielen Regionen auch die Regenfälle (inklusive Starkregenereignisse) im Sommer zunehmen. Wird eine Blattlaus von einem Regentropfen getroffen, wird sie wie von einem Zentnergewicht erschlagen.


Zum anderen lieben nicht nur die Blattläuse die Wär­me, auch ihre Gegenspieler. Ver­schiedene Modellrechnungen zum Einfluss der Klimaerwärmung auf die Dynamik der Blattlaus-Gegenspieler kommen allerdings zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen.


Vielfach wird daher angenommen, dass der Status quo erhalten bleibt und, wie schon heute, die zu erwartenden Schäden durch Blattläuse kaum sicher vorhersagbar sind. Sicher sind nur zunehmende Virusprobleme, so dass bessere Vorhersagemodelle vonnöten sind.


Die Zwergzikadenart (Psammotettix alienus), einen deutschen Namen gibt es noch nicht, wird als einziger Überträger des Weizenverzwergungsvirus (Wheat dwarf virus, WDV) in den nächsten Jahren verstärkt auftreten. Auch sie profitiert durch warme Herbste und kann dadurch große Populationen im folgenden Frühjahr aufbauen.


Außerdem ist davon auszugehen, dass die zukünftigen klimatischen Bedingungen zu zahlreichen Generationen pro Jahr führen werden. Damit wird automatisch eine Virusübertragung wahrscheinlicher.


Fazit


Eine nicht gerade geringe Zahl schädlicher Insektenarten steht in Deutschland sozusagen ante portas. Es wird von den klimatischen Bedingungen der nächsten Jahre oder Jahrzehnte abhängen, ob sie ihr erhebliches Schadpotenzial entfalten können. Neben eingeschleppten Arten sind es vor allem Schädlinge aus Süd- und Südosteuropa, die bei uns zu Problemfällen werden können. Sie gilt es, in den nächsten Jahren verstärkt zu beachten.

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