Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Kläranlagen

Soviel Stickstoff und Phosphor gelangt aus Kläranlagen in Oberflächengewässer

Nährstoffe aus Kläranlagen und Fäkalien aus Mischwasserüberläufen gelangen weitestgehend unbemerkt in unsere Gewässer. Bauern fragen sich, warum Kläranlagen nicht mehr in die Pflicht genommen werden.

Lesezeit: 10 Minuten

Wenn es um Nährstoffüberschüsse in Oberflächengewässern geht, scheint die Verantwortung in der Regel stets der Landwirtschaft und einer überhöhten Düngung zugeschoben zu werden. Berichte über Kläranlagen, die bei Starkregen die Schieber öffnen und welche Restmengen aus den Klärbecken generell in die Gewässer gelangen, finden kaum Gehör.

top agrar stellte dazu acht Fragen an Ministerien, Behörden und Verbände. Fast einstimmig sehen die Befragten alle Beteiligten in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten, verweisen aber darauf, dass dies bei den Kläranlagen in den letzten Jahren bereits in großem Umfang geschehen sei. Das Umweltbundesamt (UBA), als zuständige Behörde, zitieren wir im Folgenden exemplarisch. Alle weiteren Antworten entnehmen Sie bitte den Anhängen.

Das Wichtigste zum Thema Ackerbau dienstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft antwortete lediglich mit einer Stellungnahme – auch diese finden Sie im Anhang.

1. Wie stehen Sie zu den Nährstoffeinträgen durch Kläranlagen?

UBA: Kommunale Kläranlagen leisten einen unverzichtbaren Beitrag, um Nährstoffe aus häuslichem und gewerblichen Schmutzwasser sowie dem Regenwasserablauf von versiegelten urbanen Flächen zu reduzieren.

Die Einleitung von Abwasser wird über gesetzliche Regelungen kontrolliert. Gemäß § 57 WHG darf Abwasser nur eingeleitet werden, wenn die Schadstofffracht des Abwassers so gering gehalten wird, wie dies nach dem Stand der Technik möglich ist. Die Abwasserverordnung regelt die Mindestanforderungen für das Einleiten von Abwasser in Gewässer. In Anhang 1 werden die Anforderungen an Nährstoffe (Stickstoff, Phosphor) gestellt.

Insbesondere in den letzten 30 Jahren wurden durch technischen Ausbau und die Weiterentwicklung des Standes der Technik die Nährstoffeinträge über Punktquellen in die Oberflächengewässer um mehr als 300.000 t/Jahr (ca. 80 %) für Stickstoff (N) und um mehr als 50.000 t/Jahr (ca. 8,5%) für Phosphor (P) reduziert. Hierfür wurden erhebliche finanzielle Mittel eingesetzt. Aktuell (2016) eliminieren Kläranlagen in Deutschland die im kommunalen Abwasser anfallenden N- und P-Frachten zu über 80 % (Stickstoff) bzw. zu über 90 % (Phosphor).

2. Wie hoch schätzen Sie den Anteil der Ausleitfrachten an der Gesamtbelastung für die Oberflächengewässer ein?

UBA: An den gesamten Nährstoffeinträgen, die in Oberflächengewässer gelangen, beträgt der Anteil aus geklärten Abwässern im Mittel der Jahre 2015/2016 für Stickstoff ca. 17% (~76.800 t/a) und für Phosphor ca. 30% (~6.300 t/a).

Hinzu kommen Einträge aus kleinen Anlagen (< 50 EW), Regenwassereinleitungen und Mischwasserüberläufe. Insgesamt werden ca. 5 % des Stickstoffs (~24.000 t/Jahr) und ca. 19% des Phosphors (~4.000 t/Jahr) über diese Eintragspfade verursacht, davon: 1 % N und 3 % P durch kleine Kläranlagen (< 50 EW) und jeweils ca. 2 % N und 8 % P über Mischwasserüberläufe und Regenwassereinleitungen.

Damit summiert sich in Deutschland im Mittel der Jahre 2015/2016 die durchschnittliche Nährstofflast aus abwasserbürtigen Eintragspfaden bei Stickstoff auf 22 % (~100.700 t/Jahr) und bei Phosphor auf ca. 49% (~10.300 t/Jahr).

Die Abbildung verdeutlich, wie sich die Eintragsmenge und die Eintragspfade von 1987 bis 2011 verändert haben.

3. Warum sind diese Nährstofffrachten kein Bestandteil der Diskussion um die Zustände der Fließgewässer? Warum liegt der Fokus alleine auf der Landwirtschaft?

UBA: In der Diskussion um die zu ergreifenden Reduzierungsmaßnahmen werden alle relevanten Nährstoffeintragspfade einbezogen. Die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen dafür sind das Wasserhaushaltsgesetz für die Bewirtschaftung insgesamt, Anhang 1 der Abwasserverordnung (AbwV) für die kommunalen Kläranlagen und die Düngeverordnung für die Landwirtschaft. Die Berichte zum Stand der Abwasserbeseitigung in den Ländern, die alle zwei Jahre veröffentlicht werden, zeigen, dass die Regelungen für Kläranlagen deutlich gegriffen haben.

Durch die Reduzierung der N-Punktquellen nimmt bei Stickstoff, bezogen auf die Gesamteinträge in die Oberflächengewässer, der Grundwasserzufluss den relevantesten Pfad ein. Er beziffert sich auf ca. 52 % (~250.000 t/a, im Mittel der Jahre 2015/2016). Die Stickstoff-/Nitrateinträge ins Grundwasser werden hauptsächlich geprägt durch die flächenhafte landwirtschaftliche Nutzung. Weitere hauptsächlich durch die landwirtschaftliche Nutzung geprägte Stickstoffeintragspfade sind Dränagen (ca. 15% der Gesamteinträge) und der Oberflächenabfluss (ca. 6 % der Gesamteinträge). Insgesamt summiert sich der N-Eintrag in die Oberflächengewässer über die landwirtschaftlich genutzten Flächen auf ~360.000 t N/Jahr.

Im Rückblick der letzten 30 Jahre ist festzustellen, dass die der landwirtschaftlichen Nutzung zugeordneten N-Einträge zwar reduziert wurden (~200.000 t N/Jahr), die relative Bedeutung bezogen auf den Gesamteintrag allerdings durch die starke Reduzierung der Punktquellen zugenommen hat, und zwar von ca. 54% in den frühen 80er Jahren auf aktuell 75 %. Die Ergebnisse der Grundwasserüberwachung zeigen dabei keine signifikanten Veränderungen der Nitratkonzentrationen in den letzten 30 Jahren.

Für Phosphor sind Landwirtschaft und Kläranlagen beides große Eintragsquellen, daher müssen in beiden Bereichen noch weitere Maßnahmen zur Reduzierung der P-Einträge in Gewässer ergriffen werden. Für den landwirtschaftlichen Bereich sind die erosiven Einträge und die Einträge über den Grundwasserpfad bestimmend.

4. Müssten die Kommunen nicht auch in die Pflicht genommen werden bei den Kläranlagen ihren Beitrag zur Behebung der Nitrat- und Phosphatbelastung zu leisten?

UBA: Aus unserer Sicht ist den Kommunen, den Länder und dem Bund die Tatsache bewusst, dass zur Nährstoffbelastung der Oberflächengewässer sowohl Kläranlagen als auch andere Verursacher beitragen. Dem wird in der Praxis Rechnung getragen. Im Abwasserbereich wurden und werden aktuell große Anstrengungen unternommen sowie erhebliche finanzielle Mittel investiert. Sie fließen in den Ausbau der Kanalisationsnetze, den technischen Ausbau der Abwasserbehandlung und der dem Rückhalt von Mischwasserabschlägen und Regenwasserüberläufen. Darüber hinaus ist uns bekannt, dass in vielen Ländern neben der Landwirtschaft insbesondere die kleineren Kläranlagen im Fokus für Eintragsreduzierungen (speziell Phosphor) stehen.

5. In den Berichten zur „Beseitigung kommunaler Abwässer“ berufen sich die Länder stets darauf die Richtlinie 91/271 einzuhalten. Die Landwirte hielten auch ihre Regeln zur Düngung ein und werden trotzdem mit härteren Maßnahmen gestraft. Warum gilt nicht gleiches Recht für alle?

UBA: Es ist richtig, dass die Anforderungen der EU-Kommunalabwasserrichtlinie in Deutschland eingehalten werden. Diese Anforderungen spiegeln sich auch in den im Anhang 1 der deutschen Abwasserverordnung (AbwV) festgelegten Mindestanforderungen wider. Es ist aber nicht richtig, dass die Länder darüber hinaus keine weiteren Maßnahmen zur Reduzierung der Einträge über kommunale Kläranlagen ergreifen. Mit Blick auf die aktuelle Qualität der Oberflächengewässer und deren Sensitivität haben die Länder bereits für eine Vielzahl von kommunalen Einleitern deutlich strengere Mindestanforderungen (als nach Anhang 1 AbwV bzw. EU-Kommunalabwasserrichtlinie notwendig) festgelegt. Bei Nichteinhaltung der Anforderungen können ihnen über die Abwasserabgabe unter Umständen empfindliche finanzielle Nachteile entstehen.

Aus unserer Sicht tragen die Betreiber kommunaler Kläranlagen in Deutschland eine große Verantwortung. Das Einhalten der festgelegten Mindestanforderungen wird einerseits durch die Betreiber im Rahmen der Eigenüberwachung dokumentiert und andererseits stehen die Anlagen unter regelmäßiger behördlicher Überwachung.

Weiterhin arbeiten die Länder aktuell an einer Überprüfung des Standes der Technik. Damit werden auch die im Anhang 1 der AbwV festgelten Anforderungen auf den Prüfstand gestellt. Ziel soll es sein – entsprechend dem aktuellen Stand der Technik – neue Mindestanforderungen zu definieren.

Darüber hinaus befindet sich die EU-Kommunalabwasserrichtlinie in einem Revisionsprozess. Allerdings steht dieser Prozess ganz am Anfang und über eine mögliche Festlegung neuer Mindestanforderungen können zum derzeitigen Stand keine Aussagen getroffen werden.

6. Kann es sein, dass marode Kanalisationssysteme ebenfalls einen erheblichen Anteil an diffusen Einträgen in Grund- und Oberflächenwasser haben? (vergl. Publikation vom UBA 21/2015 „Kanalabdichtung – Auswirkungen auf die Reinigungsleistung der Kläranlagen und der Einfluss auf den örtlichen Wasserhaushalt“)

UBA: Nach Angaben des statistischen Bundesamtes (Statistisches Bundesamt 2015) belief sich im Jahr 2013 die Gesamtlänge des in Deutschland betriebenen Abwasserkanalnetzes auf 575.561 km bei einem Anschlussgrad von 97 % der Bevölkerung. Hochrechnungen (Berger, C. et al. 2016) kommen zu dem Ergebnis, dass ca. 20 % aller Kanalhaltungen einen kurz- bis mittelfristigen Sanierungsbedarf aufweisen.

Das bedeutet, dass durch undichte Kanalisationen, je nach Lage der Kanäle zum Grundwasserspiegel und der Charakteristik des Bodenmaterials an der Rohrsohle, auch Nährstoffe in den Boden und die Gewässer (Grund- und Oberflächengewässer) gelangen können (Exfiltration). Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass dieser Eintragspfad im Vergleich zu anderen diffusen Eintragspfaden als erheblich anzusehen ist. Das zeigt auch eine kürzlich durchgeführte Studie (bisher unveröffentlicht) im Rahmen eines laufenden, von den Ländern finanzierten Vorhabens zur Nährstoffeintragsmodellierung. Im Gegenzug kann aber die Infiltration von Grundwasser in die Kanalisation und damit in die Kläranlagen problematisch sein. Das dadurch erhöhte Schmutzwasseraufkommen führt zu verminderter Effektivität in den Kläranlagen und häufigeren Mischwasserentlastungen.

7. Bisher wird die Landwirtschaft als Alleinverursacher von Nährstoffeinträgen dargestellt. Was antworten Sie Landwirten, die sich fragen, warum Ausleitungsfrachten der Kläranlagen kein Bestandteil der Diskussion sind?

UBA: Die Aussage, dass bisher die Landwirtschaft als Alleinverursacher von Nährstoffeinträgen dargestellt wird, ist aus unserer Sicht falsch. Seit Jahrzehnten werden alle oben genannten Nährstoffeinträge aufgezeigt, diskutiert und behandelt. Richtig ist, dass für Stickstoff die Landwirtschaft als Hauptverursacher benannt wird. Der Anteil des von landwirtschaftlich genutzten Flächen in die Gewässer eingetragenen Stickstoffs, bezogen auf den Gesamteintrag, liegt bei ca. 75 % (rund 358.000 t N/Jahr). Die mengenmäßig wichtigste Ursache ist die Konzentrierung von Gülle und Mist in den Regionen sehr hohen Viehbesatzes.

Für Phosphor liegt der Anteil der urbanen (abwasserbürtigen) Eintragspfade bei ca. 49 %. Der Anteil der durch landwirtschaftliche Nutzung abgeschätzten Eintragspfade beträgt ca. 48 %.

Wie bereits erläutert, sind wir der Auffassung, dass Landwirtschaft und das kommunale Abwassersystem beides große Eintragsquellen für Phosphor in Gewässer sind. Daher müssen beide Bereiche P-Einträge weiter reduzieren. Sowohl Bund als auch Ländern diskutieren Maßnahmen in beiden Bereichen. Darüber hinaus setzten bereits einzelne Ländern Programme zur Reduzierung der Phosphoreinträge aus kommunalen Kläranlagen (z. B. in Hessen) um.

8. Wie ist es Landwirten zu vermitteln, dass sie Gewässerabstände einhalten sollen, wenn die Kläranlage daneben gerade ungeklärtes Mischwasser einleitet?

UBA: Gewässerrandstreifen erfüllen neben dem Rückhalt von Nährstoffeinträgen eine Vielzahl von Funktionen. Sie sollen dauerhaft vor direkter Abdrift eingesetzter Dünge- und Pflanzenschutzmitteln in die Gewässer dienen und tragen zum Erhalt bzw. zur Erhöhung der Biodiversität und zum Artenschutz bei.

Auch die Kapazitäten für Mischwasserrückhalt bei Starkregenereignissen und die Behandlung von Regenwasserüberläufen wurde in den letzten Jahrzehnten ausgebaut. Nach aktuellen Auswertungen in Baden-Württemberg und Bayern ist durchschnittlich von ca. 20 Entlastungsereignissen im Jahr auszugehen. Daher werden in den nächsten Jahren in dem Bereich noch weitere Anstrengungen folgen (müssen), denn auch hier besteht Handlungsbedarf, um den Eintrag von Stoffen in die Gewässer zu reduzieren.

Es ist aus unserer Sicht wichtig, dass alle Verursacher in die Pflicht genommen werden.

---------------------------------

BMEL: „Kläranlagen nicht Gegenstand der Nitratrichtlinie“

Auf Anfrage von top agrar erklärte eine Sprecherin des Bundesagrarministeriums, dass sich das Ministerium auf die Landwirtschaft konzentriere. Ziel sei die zu hohen Nährstoffeinträge aus der Düngung in das Grundwasser zu reduzieren und das EuGH-Urteil gegen Deutschland umzusetzen. Kläranlagen seien dabei weder Gegenstand der EG-Nitratrichtlinie, noch entwässerten sie ins Grundwasser und könnten daher hier auch nicht herangezogen werden.

Und weiter sagte die Sprecherin: „Außerdem berichten die für die Gewässerüberwachung zuständigen Bundesländer regelmäßig, dass die Landwirtschaft die wesentliche Ursache für die Belastung des Grundwassers mit Nitrat ist. Die Beseitigung kommunaler Abwässer liegt in der Zuständigkeit der Landesumweltbehörden. Innerhalb der Bundesregierung ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zuständig. Dorthin wären entsprechende Anfragen zu Kläranlagen zu richten.“

Weitere Antworten in den Downloads

Mehr zu dem Thema

top + top informiert ins Frühjahr

3 Monate top agrar Digital + gratis Wintermützen-Set + Gewinnchance für 19,80 €

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.