Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau DLG-Feldtage 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

Aus dem Heft

Biogas: Der Mixer macht’s

Lesezeit: 9 Minuten

Viele Biogaserzeuger können noch mehr Leistung aus ihren Anlagen herauskitzeln. Dazu müssten sie nur die Rührtechnik optimieren, um der Gasproduktion auf die Sprünge zu helfen.


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Rainer Winkelmann (Name geändert) hatte nicht lange Freude an seiner neuen Biogasanlage. Nach nicht einmal sechs Monaten brach die Gasproduktion ein. Das Schlimmste: Die Ursache konnte zunächst nicht gefunden werden. Egal welchen Experten er auch zu Rate zog, keiner konnte ihm weiterhelfen.


Erst als nach etwa einem Jahr ein Paddel seines Rührwerkes abknickte, kam sprichwörtlich Licht ins Dunkel. Denn während der Reparaturarbeiten konnte Winkelmann zum ersten Mal einen Blick in den Reaktor werfen. Was er zu sehen bekam, war alles andere als erfreulich.


Zu viele Totzonen.

Am Rand des Behälters hatte sich eine dicke Schicht aus Substrat abgesetzt. Offensichtlich schafften seine Rührwerke es nicht, die Energiepflanzen in dieser Zone ausreichend zu mischen und in Bewegung zu halten.


Der Biogasexperte Toni Baumann aus Wangen im Allgäu (Baden-Württemberg) kennt unzählige solcher Geschichten. „Oft werden die Betreiber auf die Probleme mit ihren Rührwerken erst aufmerksam, wenn es zu spät ist“, berichtet er. „Es gibt zu viele Totzonen in den Fermentern“, bestätigt auch Dr. Karin Jobst vom Fraunhofer Institut für Keramische Technologie und Systeme in Dresden (Sachsen). Die Wissenschaftlerin ist zufällig auf diese Erkenntnis gestoßen. Eigentlich wollte sie untersuchen, ob sich Biogassubstrat besser in einem Hochfermenter (höher als breit) oder in einem Flachfermenter vermischen lässt. Dabei fiel ihr auf: In Biogasanlagen mit flacher Bauweise gibt es zu viele Zonen, in denen das Substrat vom Abbau der Bakterien ausgeschlossen ist. „Die Energiepflanzen vegetieren in diesen Bereichen vor sich hin“, sagt Jobst.


Die Expertin schätzt, dass die meisten Betreiber das Potential ihrer Biogasanlagen daher auch nur zu 70 % ausnutzen. Anders ausgedrückt: Wer die Rührwerkstechnik seiner Reaktoren optimiert, kann deutlich mehr Gas aus seinem Substrat erzeugen. Fachleute führen das Versagen der Rührwerke vor allem auf drei Faktoren zurück:


  • Die Hauptfermenter sind zu groß.
  • Es kommen zunehmend zähe Substrate wie Gras oder Ganzpflanzensilagen zum Einsatz.
  • Die Betreiber machen Fehler.


1. Die Behälter sind zu groß.

Je breiter die Fermenter werden, desto schwieriger wird das Rühren. „Hochfermenter (höher als breit) sind in dieser Hinsicht klar im Vorteil“, sagt Jobst. Idealerweise beträgt deren Verhältnis von Höhe zu Breite mindestens 1:1. Auf die futtersiloförmigen Türme setzen allerdings die wenigsten Firmen. Denn diese sind teurer als herkömmliche Typen, deren Bauform wiederum stark an Güllelager aus der Landwirtschaft erinnern. Die hohen Reaktoren eignen sich daher nur für große Anlagen, bei denen sich die Investitionskosten auf möglichst viel Kilowattstunden Strom verteilen lassen.


In Zukunft werden deshalb vermutlich auch weiterhin mehr güllesiloförmige Biogasanlagen gebaut als schlanke Hochfermenter. Das Rühren bleibt somit eine zentrale Herausforderung für die Branche. Erschwerend kommt hinzu, dass das neue EEG eine Verweilzeit des Substrates in den Anlagen von mindestens 150 Tagen vorschreibt. Die Fermenter wachsen daher künftig noch stärker in die Breite, was das Rühren nochmals komplizierter macht.


Der Biogasberater Christoph Gers-Grapperhaus von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in Oldenburg (Niedersachsen) rät: Wenn in den Flachfermentern schwer zu rührende Substrate wie Gras zum Einsatz kommen, sollte das Verhältnis zwischen Höhe und Breite des Hauptreaktors nicht mehr als 1:3 betragen. „Sonst stoßen zumindest Tauchmotorrührwerke an ihre Grenzen“, so der Experte. Wird die Anlage doch breiter, ist in jedem Fall eine Kombination aus Tauchmotorrührwerk und einem weiteren Mixer wie beispielsweise einem Langachsrührwerk erforderlich. Mehr dazu im Punkt 2. Für die Nachgärer gelten diese Regeln im Übrigen nicht. Denn in ihnen ist das Substrat weitestgehend abgebaut und somit auch flüssiger, weshalb es kaum Probleme mit dem Rühren gibt.


2. Wenn das Substrat zu zäh ist.

Je zä-her das Substrat, desto höher sind die Anforderungen an die Rührwerke. Bei Trockensubstanzgehalten von weniger als 8,5 % im Fermenter reichen in der Regel die aus der Landwirtschaft bekannten schnelllaufenden Tauchmotorrührwerke aus, um gute Ergebnisse zu erzielen (siehe Kasten Seite 166). Sie sind relativ günstig und für die Wartung müssen sie nur aus dem Fermenter herausgezogen werden.


Langachsrührwerke sind ebenfalls gut für relativ dünnes Substrat geeignet. Diese Typen werden allerdings oftmals starr in den Fermenter eingebaut und lassen sich nicht oder nur eingeschränkt schwenken. Das wird zum Nachteil, wenn sich beispielsweise Schwimmdecken im Fermenter bilden. Wer auf diese Technik setzt, sollte sich deshalb zusätzlich ein Tauchmotorrührwerk zulegen, dass an der Oberfläche im Fermenter rührt und ggf. auch Schwimmdecken auflösen kann.


Allerdings gibt es eine Ausnahme von diesen Empfehlungen: Kommt sehr dünnflüssige Schweinegülle zusammen mit Energiepflanzen zum Einsatz, sind auch Tauchmotor- und Langachsrührwerke überfordert. Denn in dem besonders flüssigen Substrat schwimmen die Energiepflanzen schnell oben auf. Der Effekt ist vergleichbar mit dem Auftrieb von Cornflakes in Milch. In solchen Fällen sind Mixer, die das Substrat von oben nach unten drücken (z. B. Paddelrührwerke) die bessere Wahl.


Langsamläufer im Vorteil.

Steigen die TS-Gehalte im Fermenter auf über 8,5%, stoßen die Tauchmotorrührwerke an ihre Grenzen. Denn die zähflüssige Masse aus Energiepflanzen ist sehr schwerfällig und fließt daher nicht schnell genug zu den Flügeln des Rührwerkes nach. Die schnell laufenden Mixer rühren unter diesen Umständen „im eigenen Saft“.


Dr. Mathias Effenberger von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft empfiehlt unter diesen Umständen langsam laufende, großflügelige Axial- oder Langachsmixer in Kombination mit Propellerrührwerken. Die Mischer sollten dabei so aufgestellt werden, dass die Tauchmotorrührwerke die Axial- und Langachsmixer mit Substrat „anströmen“.


Baumann fügt hinzu: „Verzichten Sie auf Rührwerke, die das Substrat nur horizontal bewegen.“ Wichtig ist aus seiner Sicht eine vertikale Bewegung, bei der die Gasbläschen aufsteigen können und die Schwimmschicht heruntergedrückt wird. Der Hauptantrieb des Mixers sollte sich zudem möglichst außerhalb des Fermenters befinden. „Das erleichtert die Reparaturen“, so Baumann weiter.


Keine pauschale Lösung

Wenn die Typenfrage geklärt ist, muss überlegt werden, wie viele Rührwerke benötigt werden. In landwirtschaftlichen Anlagen mit niedrigen Rundbehältern reicht ein einzelnes Rührwerk selten aus – allerhöchstens in stark Gülle betonten, kleinen Fermentern. Ob es zwei oder mehr sein sollten, muss im Einzelfall entschieden werden. Effenberger rät aber: „Die Rührleistung im Hauptfermenter sollte in niedrigen Rundbehältern in der Regel mindestens 15 bis 20 Watt pro Kubikmeter Arbeitsvolumen betragen.“


Hochbehälter kommen hingegen mit einem einzigen Zentralrührwerk aus. Hier kann man je nach Einsatzstoffen ggf. auch mit einer etwas geringeren Rührleistung auskommen.


Der umgekehrte Weg.

Torsten Fischer vom Ingenieurbüro Krieg & Fischer aus Göttingen (Niedersachsen) verfolgt bei der Mixerauswahl einen anderen Ansatz. „Die Rührwerkshersteller verkaufen Standardkonzepte“, sagt er. Diese Technik ist auf den Einsatz bestimmter Substrate mit einem gewissen TS-Gehalt abgestimmt. „Weichen die Werte in der Praxis davon ab, kann es Probleme geben“, so Fischer.


Wenn die Branche den umgekehrten Weg gehen würde, gäbe es deutlich weniger Schwierigkeiten, ist Fischer überzeugt. Das heißt: Erst teilt der Betreiber dem Anlagenplaner mit, welche Substrate er einsetzen will und welchen TS-Gehalt diese haben. Dann erstellt der Hersteller anhand dieser Daten eine Massenbilanz. Daran lässt sich ablesen, wie dick (Fluidität-Viskositäts-Verhältnis) das gesamte Gemisch im Fermenter wird. Mit diesem Ergebnis lassen sich dann die optimalen Rührwerke aussuchen. „Ich halte nichts davon, das eine oder andere Rührwerk zu empfehlen und andere wiederum nicht. Jedes Rührwerk hat seine Vor- und Nachteile“, so Fischer. Pauschale Empfehlungen helfen aus seiner Sicht nicht weiter.


Diese Vorgehensweise hat noch einen weiteren Vorteil: Wenn der Betreiber sich an die Vorgaben hält und es tauchen dennoch Probleme auf, kann er den Hersteller der Mixer schneller und einfacher dafür verantwortlich machen.


3. Betreiber machen Fehler.

Schwierigkeiten mit den Rührwerken gibt es nicht nur, wenn das falsche Rührwerk ausgewählt wurde, sondern auch, wenn der Betreiber Fehler macht. Ein typischer Fall: Die Rührwerke sind falsch eingestellt. In klassischen Rundbehältern wird eine Rührzeit von fünf Minuten pro Stunde kaum zu unterbieten sein, mehr als 30 Minuten pro Stunde sind auf jeden Fall nicht mehr akzeptabel. Am besten tastet man sich in Rücksprache mit dem Hersteller an die optimale Rührzeit herran. Zwei Werte helfen dabei, die richtige Einstellung zu finden. Zum einen sollte täglich durch das Sichtfenster im Fermenter der Flüssigkeitsspiegel beobachtet werden. Sobald dort mehr unvergorenes Substrat aufschwimmt, stimmt etwas mit den Mixern nicht. Zum anderen ist der Ampere-Wert der Rührwerke ein guter Anhaltspunkt. Hinter dem Begriff versteckt sich die Stromaufnahme der Mixer. Jeder Rührwerksmotor hat einen optimalen Ampere-Wert, der beim Hersteller erfragt werden kann. Weicht der tatsächliche Wert von diesem ab, sollten beim Betreiber die Alarmglocken läuten.


Ein Ampere-Meter wird in den Stromkreis des Rührwerkes eingebaut (Kosten inklusive Einbau: ab 300 Euro). Alternativ kann der Wert auch mit einer „Ampere-Zange“ abgelesen werden. Elektrofachgeschäfte bieten diese für rund 100 Euro an. Am besten fragen Sie Ihren Elektriker, wo und wie Sie damit die Stromaufnahme messen können.


„Manchmal hilft auch Handauflegen Wunder!“, so Baumann weiter. Beim täglichen Pflicht-Rundgang sollte der Betreiber jedem Rührwerksmotor einmal täglich die Hand auflegen. So lassen sich Unwuchten, Vibrationen und ähnliche Probleme schnell erkennen. Bei Tauchmotorrührwerken können Unregelmäßigkeiten an den Aufhängungen und Seildurchführungen ertastet werden. Es ist auch kein Luxus mit einem Ärzte-Stethoskop (ab 15 €) am Fermenter zu horchen, wenn das Rührwerk in Betrieb ist. So kann man ebenfalls verdächtige Geräusche entlarven.


Diethard Rolink

Die Redaktion empfiehlt

top + Schnupperabo: 3 Monate für 9,90 € testen

Alle wichtigen Infos zur Maissaussaat 2024 | Tagesaktuelle Nachrichten, Preis- & Marktdaten

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.