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topplus Zehn Jahre nach Fukushima

Atomausstieg besiegelt: Konzerne erhalten Entschädigung in Milliardenhöhe

Kurz vor dem 10. Jahrestag des Unglücks von Fukushima gewährt die Bundesregierung Ausgleichszahlungen an Energiekonzerne. Klagen haben die Zahlung in die Höhe getrieben.

Lesezeit: 7 Minuten

Die Bundesregierung hat sich mit den vier Energieversorgungsunternehmen (EVU) EnBW, E.ON/PreussenElektra, RWE und Vattenfall auf einen finanziellen Ausgleich aufgrund des beschleunigten Atomausstiegs verständigt. Diesen hatte die Bundesregierung im Jahr 2011 nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima beschlossen. Den Atomausstieg selbst hatte das Bundesverfassungsgericht zwar als rechtens erklärt, aber im Dezember 2016 und im September 2020 festgestellt, dass ein finanzieller Ausgleich nötig ist. Die Bundesregierung will jetzt insgesamt etwa 2,428 Mrd. € zahlen, davon 1,425 Mrd. € an Vattenfall, 880 Mio. € an RWE, 80 Mio. € an EnBW und 42,5 Mio. € an E.ON/PreussenElektra.

Konzernausschüsse und EU müssen noch zustimmen

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Diese Zahlungen dienen einerseits einem Ausgleich für Reststrommengen, welche die Unternehmen nicht mehr in konzerneigenen Anlagen erzeugen können (RWE und Vattenfall), andererseits dem Ausgleich für Investitionen, welche die Unternehmen im Vertrauen auf die 2010 in Kraft getretene Laufzeitverlängerung getätigt hatten, die dann aufgrund der Rücknahme der Laufzeitverlängerung nach den Ereignissen von Fukushima entwertet wurden (EnBW, E.ON/PreussenElektra, RWE).

Die Eckpunkte stehen derzeit noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gremien der Unternehmen. Sie werden in den kommenden Tagen detailliert in einem Vertrag geregelt. Die EVU werden kurzfristig die anhängigen Gerichtsverfahren zum Ruhen bringen. Der Vertrag wird dem Deutschen Bundestag zur Kenntnis gegeben. Die endgültige Regelung soll durch ein Gesetz des Deutschen Bundestages (das 18. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes) erfolgen. Sie steht zudem unter dem Vorbehalt der beihilferechtlichen Prüfung durch die Europäische Kommission.

Atomausstieg bleibt bestehen

Die jetzige Einigung hat laut BMU keine Folgen für den Atomausstieg. Es bleibe dabei, dass das letzte deutsche Atomkraftwerk spätestens Ende 2022 abgeschaltet wird.Bis 2023 geht laut Bundesnetzagentur insgesamt eine Kraftwerksleistung in Höhe von 14.900 MW vom Netz. Davon entfallen 8.100 MW allein auf die restlichen sechs Kernkraftwerke. Bereits in diesem Jahr ist die Abschaltung von Gundremmingen (Bayern), Brokdorf (Schleswig-Holstein) und Grohnde (Niedersachsen) geplant. Ende 2022 folgen dann die Meiler in Neckarwestheim (Baden-Württemberg), Isar 2 (Bayern) und Emsland (Niedersachsen). Die restlichen Stilllegungen betreffen Braun- und Steinkohlekraftwerke.

Konzerne lassen Klagen fallen

Im Gegenzug zu der Entschädigungszahlung verpflichten sich die Unternehmen, sämtliche anhängigen Klageverfahren zurückzunehmen und auf Klagen oder Rechtsbehelfe gegen die Ausgleichsregelung zu verzichten. Dies umfasst auch das internationale Schiedsverfahren von Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten in Washington. „Die Entschädigungssummen stellen nun zwar eine weitere Belastung für die Allgemeinheit dar. Im Gegenzug wird allerdings Rechtssicherheit geschaffen, die in der Vergangenheit fahrlässig riskiert wurde“, bewertet die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Nina Scheer die Einigung.

Sowohl die unter schwarz-gelb im Jahr 2010 beschlossenen Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke als auch die Unterzeichnung von Verträgen wie dem Energiecharta-Vertrag, wären grobe politische Fehler gewesen, die sich nun unvermeidbar auch in Entschädigungszahlungen auswirken. Daraus gelte es für die Zukunft zu lernen. Der Energiecharta-Vertrag sollte umgehend aufgekündigt werden. Selbst dann bliebe die Investitionsschutzklausel fatalerweise noch weitere 20 Jahre wirksam.

Vattenvalls Klage hat Kosten in die Höhe getrieben

Das Verfahrens von Vattenfall gegen die Bundesrepublik vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) in Washington läuft seit 2012. Vattenfall klagte vor dem Schiedsgericht auf mindestens 6,1 Mrd. € Entschädigung. Durch die jetzt vereinbarten Zahlungen konnte die Bundesregierung eine Verurteilung durch das Schiedsgericht vermeiden. Das drohende Urteil im ICSID-Verfahren dürfte zu höheren Entschädigungen geführt haben, meint Nelly Grotefendt, Referentin für Politik beim Forum Umwelt und Entwicklung: „Diese hohen Zahlungen über 2,4 Milliarden an die Atomkonzerne wären wohl ohne die Klage von Vattenfall vor einem Schiedsgericht kaum möglich gewesen. Aufgrund dieser Drohkulisse ist die Bundesregierung eingeknickt und hat höhere Entschädigungen gezahlt, als sie angekündigt hatte. Hier zeigt sich die Gefahr, die solche Klagen für die öffentlichen Kassen darstellen.“

Die ICSID-Klage Vattenfalls gegen die Bundesrepublik findet auf Basis des Energiecharta-Vertrags statt. Er ermöglicht Klagen von Energieunternehmen gegen Staaten, wenn Regulierungen erwartete Gewinne schmälern. Vor einem Monat reichte der deutsche Energiekonzern RWE Klage gegen die Niederlande für den Kohleausstieg bis 2030 ein. Zudem habe die Bundesregierung vor wenigen Wochen bestätigt, dass die ungewöhnlich hohen Entschädigungen für die Braunkohlebetreiber im Rahmen des deutschen Kohleausstiegs auch mit einem Klageverzicht unter dem Energiecharta-Vertrag zusammenhängen, heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung des Umweltinstituts München, des Forums Umwelt und Entwicklung und des Vereins PowerShift. Die Europäische Kommission hat in dieser Frage ein Beihilfeverfahren eingeleitet.

Fabian Flues, Handelsexperte bei PowerShift, sagt: „Bereits beim deutschen Kohleausstieg hat sich gezeigt, wie der Energiecharta-Vertrag die Kosten für die Energiewende in die Höhe treibt und öffentliche Gelder zu Gunsten der großen Energieunternehmen umverteilt. Die hier verschenkten Milliarden fehlen nun, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben.“

Diskussion im Bundestag

Im Vorfeld des zehnten Jahrestages der Reaktorkatastrophe von Fukushima am 11. März hat sich der Umweltausschuss des Bundestages mit der Frage befasst, welche Folgerungen aus dem Vorkommnis zu ziehen sind. Das Thema Fukushima steht am Donnerstag auch auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums.

Ein Vertreter des Bundesumweltministeriums erinnerte an die 470.000 Menschen, die vor zehn Jahren als Folge von Erdbeben, Tsunami und Reaktorkatastrophe ihre Heimat verlassen mussten. Der Vorfall habe dazu beigetragen, dass sich in Deutschland ein breiter Konsens herausgebildet habe, aus der Nutzung der Atomkraft auszusteigen.

Noch immer lebten in Japan 40.000 Menschen, die wegen der Reaktorkatastrophe ihre Heimat verlassen mussten, in temporären Unterkünften, wie eine Vertreterin der Deutschen Botschaft in Tokyo berichtete. Die Kosten allein für den Rückbau des Atomkraftwerkes Fukushima werden nach ihren Angaben auf umgerechnet 172 Mrd. € geschätzt. Die Präfektur Fukushima habe beschlossen, aus der Nutzung der Atomkraft auszusteigen und ihren Strom bis zum Jahr 2040 komplett aus erneuerbaren Quellen zu beziehen, sagte die Vertreterin der Botschaft weiter. Hingegen wandle sich die übergeordnete Energiepolitik in Japan nur langsam: Die Regierung wolle zwar den Anteil erneuerbarer Energien erhöhen, halte aber an der Atomkraft fest. Derzeit seien vier Atomreaktoren am Netz.

CDU: "Atomkraft ist nicht beherrschbar"

In der Debatte- und Fragerunde betonte die CDU/CSU-Fraktion den in Deutschland vorherrschenden Konsens, dass es an Akzeptanz für Atomkraft fehle und diese Technologie nicht beherrschbar sei. Die AfD-Fraktion bezeichnete den Umgang mit Fukushima in Deutschland als "beschämend", da immer nur über die Reaktorkatastrophe und nicht über die 20.000 Todesopfer von Erdbeben und Tsunami gesprochen werde. Dies wies die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Argument zurück, auf politischer Ebene müsse derjenige Bereich im Vordergrund stehen, aus dem man in Deutschland Lehren ziehen könne.

Die Linksfraktion sprach sich dafür aus, auf dem gewählten Weg weiterzugehen und den Atomausstieg zu vollenden. Die FDP- und die SPD-Fraktion fragten nach der Befindlichkeit der Bevölkerung in Japan und der dortigen Kommunikation in Sachen Atomkraft. Es gebe zwar eine öffentliche Debatte, antwortete die Vertreterin der Botschaft in Tokyo; grundsätzlich sei aber der politische Diskurs in Japan zurückhaltender als in Deutschland.

Problem Atommüll bleibt bestehen

Als weiteres Thema mit Atombezug stand die Suche nach einem Zwischenlager für die Anlage Asse II, in der radioaktive Abfälle gelagert sind, auf der Tagesordnung des Ausschusses. Auf Antrag der FDP-Fraktion befasste er sich mit der Kritik, welche die Begleitgruppe Asse an der Festlegung auf ein Asse-nahes Zwischenlager geäußert hatte. Das Zwischenlager ist erforderlich, weil die Langzeitsicherheit des ehemaligen Salzbergwerks in Niedersachsen nur durch die Rückholung der dort gelagerten radioaktiven Abfälle gewährleistet werden kann.

Zwei Vertreter des Bundesumweltministeriums erklärten in diesem Zusammenhang, es sei gelungen, die Begleitgruppe zu einer Fortsetzung der Zusammenarbeit zu bewegen. Dabei habe man sich auf eine "kritische Beleuchtung" des bisherigen Vorgehens geeinigt. Es sei aber stets klar gewesen, dass ein Zwischenlager fernab von Asse II nur dann in Frage komme, wenn sich kein geeigneter Standort für ein Asse-nahes Zwischenlager finden lasse. Ein solcher geeigneter Standort sei nun aber vorhanden, sodass davon auszugehen sei, dass es bei einem Asse-nahen Standort bleiben werde.

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