Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

topplus Interview

Biokraftstoffe: „Landwirte werden Strom ernten und verkaufen“

Windparks werden häufig abgeschaltet, weil das Netz den Strom nicht aufnehmen kann. Diesen Strom könnte man sinnvoll unabhängig vom Stromnetz nutzen und Elektrofahrzeuge damit laden.

Lesezeit: 6 Minuten

Marten Jensen, Geschäftsführer und Inhaber des Greentec-Campus in Schleswig-Holstein, sieht für Betreiber von Wind- und Solarparks neue Geschäftsfelder. Im top agrar-Interview erklärt der Landwirtssohn, warum er dabei die Straße als „Netz der Zukunft“ bezeichnet.

Herr Jensen, was ist der Greentec-Campus und was entwickeln Sie dort?

Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Jensen: Ich habe im Jahr 2010 das 130 ha große, ehemalige Munitionsdepot in Enge-Sande im Landkreis Nordfriesland von der Bundeswehr gekauft. Heute sind hier mehr als 20 meist junge Firmen aus dem Bereich Nachhaltigkeit bzw. erneuerbare Energien angesiedelt. Außerdem haben wir ein fast 17 km langes Straßennetz, auf dem wir autonome Elektrofahrzeuge testen und weiterentwickeln. Zudem besitzen wir Europas größtes Offshore-Trainingszentrum, in dem wir Techniker in den Bereichen Höhenrettung, Brandbekämpfung und Seenotrettung ausbilden.

Was ist unter autonomem Fahren zu verstehen?

Jensen: Unser Kleinbus „Emil“ fährt seit drei Jahren fahrerlos und lernt dank künstlicher Intelligenz jeden Tag dazu. Die Vorstellung ist keine Utopie, dass so ein Bus in wenigen Jahren Schulkinder befördert oder auf dem Land als Rufbus Menschen zur nächsten Stadt zum Arzt bringt.

Künftig kommt Strom auch aus der Autobatterie ins Haus
Marten Jensen

Wie hängt das mit erneuerbaren Energien zusammen?

Jensen: So ein Elektrofahrzeug muss mit Strom aus erneuerbaren Energien geladen werden. Wir hier im Norden sehen Windstrom als die Königsenergie an. Der Wind weht immer, auch nachts und im Winter – anders als bei der Photovoltaik, die wir selbstverständlich als Ergänzung auch brauchen.

Gerade hier an der Westküste werden Windparks noch sehr häufig abgeschaltet, weil das Netz den Strom nicht aufnehmen kann. Diesen Strom könnten wir sinnvoll unabhängig vom Stromnetz nutzen. Künftig ist denkbar, dass Menschen ihre Elektrofahrzeuge mit erneuerbaren Energien laden und die Autobatterie als Speicher verwenden, auch um das Haus damit zu versorgen. Das sogenannte bidirektionale Laden wird schon bald möglich sein.

Ist das nicht über das herkömmliche Stromnetz und eine Ladestation zu Hause einfacher?

Jensen: Im Prinzip ja. Aber damit ist man wieder abhängig vom letzten großen Monopol der Energiewirtschaft: dem Netz. EEG-Umlage, Netzdurchleitungsgebühren usw. machen den Strom unnötig teuer. Außerdem hinken wir ständig mit dem Netzausbau hinterher. Die renditeorientierten Konzerne haben oft gar kein Interesse an einem schnellen Netzausbau, wie wir in den letzten 30 Jahren selbst erleben durften. Das alles kann man sich sparen, wenn man die Straße als Netz der Zukunft versteht: Der Strom kommt nicht mehr durch die Leitung ins Haus oder ins Auto, sondern per mobiler Batterie. Denn die Straße schickt uns keine Rechnung. In Japan gibt es erste Ladestationen für austauschbare Akkus, die die Größe von Wasserflaschen haben. Diese wird man künftig auch im Supermarkt kaufen können.

Aber noch sind Batterien ja sehr teuer.

Jensen: Der technische Fortschritt geht aber rasant voran. Vor zwei Jahren hat die kWh noch 1 300 € gekostet. Der E-Autohersteller Tesla sagt voraus, dass wir in wenigen Jahren nur noch 50 €/kWh bezahlen. Dazu kommt, dass es schon bald möglich sein wird, ausgediente Batterien aus dem Auto als Heimspeicher zu nutzen. Man kauft sich ein E-Auto, bei dem die Batterie ja mitbezahlt wird, tauscht diese nach fünf Jahren aus und nutzt das Chassis weiter. Eine Batterie, die im Straßenverkehr aus Sicherheitsgründen vielleicht nicht mehr genutzt werden kann, lässt sich in vielen Fällen noch wunderbar stationär nutzen. Und dann müssen Sie den Strompreis beachten: vor Kurzem haben Sie noch 25 ct/kWh für Strom vom Energieversorger bezahlt, jetzt sind es bald 40 ct. Und das ist noch nicht das Ende. Strom aus einer Windenergieanlage kostet dagegen nur 6 ct/kWh.

Was ist mit dem Verschleiß, wenn Autobatterien auch Strom abgeben für die Hausversorgung?

Jensen: Wir wissen nach zehn Jahren Erfahrung mit verschiedenen E-Fahrzeugen und Batterietypen, dass es für die Batterie sogar lebensverlängernd ist, wenn sie regelmäßig im Wellnessbereich zwischen 20 und 80 % geladen und entladen wird. Eine Batterie im Auto, die nur wenige Ladezyklen hat, altert dagegen schneller.

Kritiker werfen der E-Mobilität die schlechte Klimabilanz vor, vor allem bei den Batterien.

Jensen: Dem ist leicht zu begegnen: Zum einen verbessert die angesprochene Weiternutzung die Ökobilanz. Zum anderen ist das Recycling von Altbatterien heute so weit, dass man bis zu 95 % der kritischen Inhaltsstoffe wie Lithium oder Grafit zurückgewinnen kann. Das reduziert den Bedarf an natürlichen Rohstoffen immens.

Wenn man Ihre Vision weiterdenkt, könnten künftig Wind- und Solarparks ohne Netzanschluss entstehen, um den Strom nur noch in Batterien zu laden.

Jensen: Das ist zumindest eine denkbare Option. Denn wie ich aus Erfahrung weiß, finden Netzbetreiber immer wieder Gründe, warum sie einen Wind- oder Solarpark nicht anschließen können oder nur unter großen Kosten für den Betreiber an einem weit entfernten Netzanschlusspunkt. Ich habe in 32 Jahren über 50 Windprojekte umgesetzt, bin Geschäftsführer von einem Dutzend Bürgerwindparks und habe insgesamt neun Gerichtsverfahren allein wegen des Netzanschlusses führen müssen. Die Verfahren haben wir alle gewonnen, doch es ist sehr nervenaufreibend. Aber Sie müssen ja nicht nur an große Windparks denken.

Welche Alternativen gibt es?

Jensen: Auf unserem Campus entwickeln wir ein Inselsystem, bestehend aus einem 20-Fuß-Container mit einer Batterie, einer angeschlossenen Kleinwindanlage mit 10 kW und einer Photovoltaikanlage. Dieser Container ist sogar mobil. Landwirte haben viel Fläche und könnten diese Dreifachkombi auf einer Fläche mit viel Wind und Sonne platzieren und den gespeicherten Strom daraus zum Laden von E-Fahrzeugen usw. nutzen – völlig unabhängig vom Stromnetz.

Das ist ein Beispiel für die Eigenversorgung. Gibt es noch andere Geschäftsmodelle?

Jensen: Sie könnten die Station auch an einem Verkehrsknotenpunkt aufstellen und mithilfe einer Ladevorrichtung Strom an E-Autobesitzer verkaufen. Künftig werden Sie hier nicht nur Privatkunden haben, sondern auch Gewerbetreibende. Wir haben z. B. einen Versuch gemacht, bei dem ein Tischler ein Elektroauto mit größerer Batterie auf einer Baustelle hingestellt und damit Kreissäge, Winkelschleifer usw. betrieben hat. Genauso nehmen akkubetriebene Geräte bei Dienstleistern wie im Garten- und Landschaftsbau immer mehr zu. Auch diese benötigen Fahrzeuge mit Batterie und netzunabhängiger Ladefunktion. Sie alle könnten künftig Kunden für Ladestationen werden. Landwirte haben Fläche und verkaufen künftig im Hofladen nicht nur Kohl, sondern auch Kilowatt.

Mehr zu dem Thema

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.