Die Vergärung von Wirtschaftsdünger wie Gülle und Mist in Biogasanlagen bedeutet laut Deutschem Bauernverband (DBV) einen doppelten Nutzen für den Klimaschutz: „Zum einen wird das aus den Wirtschaftsdüngern emittiertes Methan aufgefangen und verbrannt und zum anderen werden mit der so gewonnenen erneuerbaren Energie fossile Energieträger ersetzt“, heißt es in einem aktuellen DBV-Positionspapier im Vorfeld der heutigen Verhandlung des Klimaschutzgesetzes im Bundesrat und der nächste Woche startenden Welt-Klimaschutzkonferenz in Madrid. Mit der erneuten Klarstellung will der DBV noch einmal unterstreichen, wie wichtig neue Rahmenbedingungen für eine vermehrte Güllenutzung in Biogasanlagen ist.
Die meisten Biogasanlagen nutzen Gülle
Mit „Nutzungsoptionen und Handlungsempfehlungen für den Erhalt und den Ausbau der Güllenutzung in Biogasanlagen“ beschäftigte sich auch eine Fachtagung am Mittwoch (27.11.2019) am Deutschen Biomasse-Forschungszentrum (DBFZ) in Leipzig. Wie DBFZ-Mitarbeitern Jaqueline Daniel-Gromker deutlich machte, setzen heute 5800 der rund 8500 landwirtschaftlichen Biogasanlagen in Deutschland mehr als 30 % Gülle im Substratmix ein. Rund 4 Terawattstunden (TWh, 4 Mrd. kWh) erzeugen die Anlagen aus Gülle, 0,4 TWh produzieren die Gülle-Kleinanlagen.
Wenn heute Gülle eingesetzt wird, ist es nach den Untersuchungen des DBFZ überwiegend Rindergülle (72 %), 9 % der Gülle sind Schweinegülle, 5 % macht Festmist aus.
Viele Hemmschuhe für den stärkeren Einsatz
Als größtes Hemmnis für den weiteren Einsatz von Gülle haben befragte Landwirte die Grenze von 170 kg N oder die Ausbringbegrenzung nach der Ernte der Hauptfrucht angegeben, was die Düngeverordnung vorgibt. Aber die Ungleichbehandlung von Gülle und Gärrest in der Verordnung für Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) sehen viele als Hemmschuh an. Zudem ist die Förderung nach dem EEG nicht praxisgerecht: 60 % der Betreiber von 75 kW-Anlagen könnte noch mehr Gülle einsetzen.
Aus diesem Grund sieht das DBFZ eine Reihe von Maßnahmen für sinnvoll an, um die Güllevergärung zu steigern:
- Da andere Einkünfte beim Einsatz von Gülle über alternative Erlösquellen wie der CO2-Zertifikatehandel nicht attraktiv sind, bleibt im Moment nur das EEG als Förderinstrument.
- Es sollte eine Sonderkategorie für alle Anlagengrößen geben, die mindestens 80 % Gülle oder Mist einsetzen.
- Hierbei sollte es eine Festvergütung geben, also eine Ausnahme von der Pflicht, am Ausschreibungsverfahren teilzunehmen.
- In Nährstoffüberschussregionen sollten keine Energiepflanzen mehr für die Biogasproduktion zulässig sein.
„Genauso könnten wir uns vorstellen, dass man die Kosten künftig verteilt. Tierhalter ab 200 GV könnten verpflichtet werden über das Baugesetzbuch oder das Bundesimmissionsschutzgesetz, Gülle energetisch zu verwerten“, sagte Daniel-Gromker. Als ganz wichtig hält sie eine Gleichbehandlung von Gülle und Gärrest in der AwSV, um z.B. Gärrest auch in vorhandenen Güllebehältern zwischenlagern zu können.
Die Maßnahmen wären wichtig für den Klimaschutz, den auch die Landwirtschaft erbringen muss: Eine Verdopplung der Stromerzeugung auf 8 TWh würde eine Einsparung von 9 bis 12 Mio. t CO₂ bedeuten.
Thünen-Institut: Biogas ist teure Option
„Bei der Emissionsminderung von Methan sollte man aber auch andere Verfahren prüfen, die Biogaserzeugung bedeutet relativ hohe Treibhausgasminderungskosten“, ergänzt Bernhard Osterburg, Leiter der Stabsstelle Klima beim Thünen-Institut. Als Beispiel nannte er die gasdichte Lagerung ohne anschließende Stromerzeugung. Dr. Gerd Reinhold vom Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum (TLLLR) erwiderte, dass damit dann auch erheblicher technischer Aufwand verbunden sei, weil sich unter einer Abdeckung schnell ein explosionsfähiges Gemisch bilden kann und das Methan auf andere Weise unschädlich gemacht werden müsste.
Osterburg nannte auch Biogasgemeinschaftsanlagen als Option. „Wichtig ist, dass die Stromerzeugungskosten unter 20 ct/kWh liegen, darüber hätte die Güllevergärung mit Stromerzeugung wahrscheinlich keine Zukunft“, erwartet er.
Fachverband Biogas befürchtet verstärkten Ausstieg
Dr. Stefan Rauh, Geschäftsführer vom Fachverband Biogas, sieht nicht nur in fehlenden Neuanlagen ein Problem, sondern befürchtet auch den Ausstieg bestehender Anlagen. Damit könnte Gülle, die bisher abgedeckt und verwertet wird, demnächst wieder offen lagern. Fest macht er das an der geringen Beteiligung bei den Ausschreibungsverfahren, bei denen sich Betreiber von Altanlagen um eine Verlängerung bemühen konnten. „Der Ausschreibungstermin am 1. November war der letzte, den Betreiber von Anlagen aus dem Jahr 2000 ohne drohende Förderlücke nutzen konnten“. Nur 150 landwirtschaftliche Anlagen von etwa 1000, die im Jahr 2000 am Netz waren, haben die Chance bei den vergangenen Ausschreibungsterminen genutzt. Darum drängt der Fachverband auf eine kurzfristige Anhebung des Höchstgebotwertes, aber auch auf eine Änderung des EEG, um die Ausschreibungsbedingungen attraktiver zu gestalten.
Eine Alternative für bestehende Anlagen wäre der Biokraftstoffsektor, bei dem die Güllevergärung positive Effekte hätte. Aber auch da gibt es noch viele Unsicherheiten. Zudem wird die EU-Energierichtlinie (RED II) erst im Jahr 2021 in deutsches Recht umgesetzt. Die Richtlinie sieht eine Bevorzugung von Biomethankraftstoff aus der Gülle- und Mistvergärung vor. Darum schlägt Rauh als Maßnahmen auch eine kombinierte Förderung vor, z.B. beim Agrarinvestitionsförderprogramm. Dafür müsste aber das Doppelvermarktungsverbot im EEG für die Güllevergärung aufgehoben werden.
Einfache und effiziente Einbringtechnik gefragt
„Wichtig ist auch eine angepasste Entmistungstechnik, die Gülle muss möglichst frisch aus dem Stall in die Anlage. Güllekeller sind kontraproduktiv“, sagt Prof. Walter Stinner vom DBFZ. Dazu zählt auch Abschiebekanäle am Ende des Futtertisches im Rinderstall, um Futterreste mit wenig Aufwand in den Güllekanal und so in die Biogasanlage zu bringen. „Eine wirtschaftliche Güllevergärung ist nur möglich, wenn der Betreiber Futterreste, Rand- und Deckschichten vom Silo und andere Reststoffe nutzt“, begründet er das.
von Gustav Wehner
Das Kernproblem wird nicht angepackt
Der Artikel beschreibt sehr gut die Wichtigkeit der Vergärung von Gülle und Mist aus Klimagründen in den verschiedenen Perspektiven der Teilnehmer dieser Veranstaltung. Dieser Nutzen für die Gesellschaft ist in Gefahr, da sich eine Ausweitung der Güllevergärung unter den jetzigen Rahmenbedingungen nicht abzeichnet. Die hier beschriebenen Maßnahmen sind ja ganz nett, aber sie lösen das Problem nicht, da das Grundübel nicht angepackt wird. Es wird beklagt, dass sich von etwa 1.000 Biogasanlagen, welche ihre Weichen für die Zukunft stellen müssen, da sie aus dem EEG zeitbedingt herauslaufen, sich lediglich 150 Anlagen an den vorgeschriebenen Ausschreibungen beteiligt haben. Nun ist die Frage, liegt es ausschließlich an den zu geringen Vergütungen für den erzeugten Strom oder gibt es auch andere Gründe. Zum einen bedeutet ein vermehrter Einsatz von Gülle gegenüber Mais eine erhebliche Ausweitung der Stoffströme bei geringerem Energieertrag, das bedeutet höhere Stromkosten für die Technik im Prozess und letztendlich höhere Aufwendungen für Lagerräume, um die Vorschriften zu erfüllen. Und selbst wenn der Betreiber sich dies durchgerechnet hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, die erforderlichen Investitionen für die Ausschreibung zu tätigen, scheitert er an einer weiteren Hürde, das ist die der mangelnden Bereitschaft der Kreditinstitute, hierfür Kredite bereitzustellen. Dies ist nicht Böswilligkeit, sondern der in den letzten Jahren in erschreckenden Maße eingetretene Vertrauensverlust. Es mangelt den Banken nicht an Vertrauen in die Betreiber der Biogasanlage, die zum großen Teil ihr Handwerk sehr gut verstehen, sondern es ist ausschließlich der Verlust des Vertrauens in die Politik. Und wenn der Betreiber keinen Kredit bekommt, kann er sich auch nicht an der Ausschreibung beteiligen. So einfach ist das. Im Laufe der letzten Jahre sind durch viele Gesetze und Verordnungen von außerhalb in die Biogasanlagen eingewirkt worden, die zu Investitionen geführt haben, die die ursprünglich geplante Tilgung der Kredite ad absurdum führten, da diese Nachinvestitionen die Kreditschuld immer wieder erhöht haben. Denn die meisten dieser Investitionen führten nicht zu einer Erhöhung der Erträge, da diese an sich durch das EEG von vornherein festgeschrieben sind. Wenn die Erträge gleichbleiben und die Kosten steigen, dann ist klar, wie die Sache immer unattraktiver bis zur Insolvenz werden kann. Es haben sich – auch große – Institute aus der Finanzierung von Biogasanlagen zurückgezogen und streben den Abbau der Finanzierungen an. Wie soll es beispielsweise ein Bankmitarbeiter verstehen, wenn in den einzelnen Ländern auch noch unterschiedlich gehandelt wird, wie z. B. in Niedersachsen, das im Gegensatz zu anderen Bundesländern von der Biogasanlage gepachtete Flächen nicht als eigene Flächen anerkennt und somit mit dem 1. Januar eine Reihe von Biogasanlagen in den illegalen Anlagenbetrieb übergeht, wenn sie nicht noch Investitionen ohne weiteren Ertrag tätigen oder einfach die Produktion so weit reduzieren, dass sie mit den vorhandenen Lagerkapazitäten auskommen. Beides „freut“ den Banker ungemein (Ironie aus). Wie soll auch ein Banker, der bereits dem Betrieb ein Güllelager finanziert, verstehen, dass er jetzt noch zusätzlich ein Gärrestlager finanzieren soll, weil durch die AwSV festgelegt ist, dass die Gärreste nicht in normalen Güllelagern gelagert werden dürfen. Hatte er doch gelernt, dass Gärreste für die Pflanzen, für die geruchsempfindlichen Nachbarn und für die Vermeidung von THG um ein Vielfaches besser sind als die normale Gülle. Das bedeutet, dass vergorene Gülle etwas Gefährliches sein muss, da sie laut Verordnung einen anderen Lagerraum benötigt als die unvergorene Gülle. Das Risiko geht so gar nicht, also lieber banktechnisch die Finger weg vom Biogas. Wenn wir die Güllevergärung wollen, und das sollten wir, dann müssen wir die Regeln an die Gegebenheiten anpassen. Dies ist nicht allein eine Erhöhung des Strompreises, der sowieso der Gesellschaft nur schwer zu verkaufen ist und zum anderen den Gegnern immer wieder willfährige Munition liefert, sondern wir müssen es ermöglichen, dass die Biogasanlagen über die Dienstleistung der Güllevergärung von der Gesellschaft außerhalb des Strompreises entlohnt werden. Hierzu bietet die Richtlinie RED II der EU Chancen, wenn Berlin die Chancen zu einer vernünftigen Umsetzung in nationales Recht nutzt. Ansonsten bietet sie weitere Risiken und wir können die Güllevergärung vergessen. Vertrauensschutz und Investitionssicherheit sind die beiden Parameter, die als Erste wieder sicher werden müssen, dann werden sich alle weiteren Schritte zu einer gesellschaftlich sinnvollen Lösung des Gülleproblems von alleine einfinden. Gustav Wehner, Sprecher des Finanziererbeirates
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von Karl Nölp
Die Bauern und Biogasanlagenbrtreiber würden das schon machen!! aber die Bürokratie und Papierkrieg wie ein paar Fässer Gülle von A nach B gefahren werden.
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