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Niedersachsen geht bei Kleinwindkraft voran

Je nach Standortqualität kann eine Kleinwindanlage mit 15 m bei entsprechendem Rotordurchmesser und Anlagenqualität bis etwa 15 kW Leistung haben.

Lesezeit: 5 Minuten

Dr. Hartwig Schwieger, Geschäftsführer des Kleinwindanlagenanbieters PSW-Energiesysteme aus Celle und Gebietsleiter-Nord des Bundesverbandes Kleinwindanlagen (BVKW), erklärt, was sich bei der Genehmigung von Kleinwindrädern ändert und was Landwirte davon haben.

Niedersachsen lässt neuerdings ­Kleinwindanlagen mit 15 m Gesamthöhe ohne Genehmigung zu. Um was geht es genau, was ist neu?

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Schwieger: Im Bereich Kleinwind­anlagen gibt es seit vielen Jahren viel Unmut aufgrund der oft sehr restriktiven Genehmigungspolitik vieler Bundesländer. Dies ist bei Privatpersonen, im Gewerbe und in der Landwirtschaft der Fall.

Im vergangenen Jahr hat nun erstmalig die große Koalition in Niedersachsen auf Initiative der CDU-Fraktion das Thema „Genehmigungsfreiheit“ aufgegriffen und ist dabei zu einem wesentlichen Teil unserer Ar­gumentation gefolgt, eine sinnvolle Größe von Kleinwindanlagen verfahrensfrei zu stellen.

Der Ausschuss ­Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz des Landtags hat erstmalig die richtungsweisende Entscheidung getroffen, Kleinwindanlagen im Außenbereich und in ausgewiesenen Gewerbe- und Industriegebieten bis 15 m Gesamthöhe und ohne Begrenzung des Rotordurchmessers verfahrensfrei zu stellen, d.h. genehmigungsfrei und ohne Antragsverfahren.

Jetzt können Anlagen mit 80 m² Rotorfläche günstig gebaut werden.

Die neuen Gesetzesänderungen für Kleinwindanlagen sind gemäß dem Anhang zu § 60 der NBauO ab dem 1.1.2022 gültig. Zu berücksichtigen ist, dass alle übrigen Rechtsanforderungen trotz der genehmigungs- und Verfahrensfreiheit einzuhalten sind. Insofern ist eine gute Planung auch bei verfahrensfreien Anlagen nötig.

Worin unterscheidet sich Niedersachsen jetzt von anderen Bundesländern?

Schwieger: Andere Bundesländer ­lassen Anlagen bis 10 m Höhe ohne Genehmigung zu, beschränken den Rotordurchmesser aber auf maximal 3 m. Das bedeutet eine Rotorfläche von 7 m² in der niedrigen Höhe unter 10 m – ein sehr geringer Wert für die Wirtschaftlichkeit.

Nicht nur die Höhe von 15 m, sondern insbesondere der unbegrenzte Rotordurchmesser machen die Regelung in Niedersachsen so besonders. Damit können jetzt Rotoren mit z. B. 6 bis 10 m Durchmesser (also bis etwa 80 m² Rotorfläche) bei typischen Nabenhöhen von 10 bis 12 m verfahrensfrei, also kostengünstig gebaut werden und einen bis zu 20-fachen Ertrag erwirtschaften.

Übrigens sind in der neuen Regelung auch Aufdachanlagen bis 2 m über der Dachhaut freigestellt. Wir ­haben uns hierzu um eine höhere Freistellung bemüht und auch versucht, die 15-m-Freistellungen bei einer zusätzlichen landwirtschaftlichen Privi­legierung bis auf 20 m Gesamthöhe auszudehnen, wie dies z. T. in den Niederlanden der Fall ist. Hier ist der Ausschuss unseren Argumenten allerdings nicht gefolgt.

Welche Chancen ergeben sich ­dadurch für Landwirte?

Schwieger: Viele landwirtschaftliche Betriebe beziehen bereits einen Anteil ihres Energiebedarfs günstig aus der Photovoltaik. Diese ist jedoch auf ca. 2.000 typische Sonnenstunden im Jahr beschränkt. Ein Jahr hat dagegen fast 9.000 Stunden. Auch ein moderner Energiespeicher kann in der dunklen Jahreszeit kaum so viel Energie speichern, dass man auf eine gute Wirtschaftlichkeit aus Photo­voltaik in den dunklen Monaten kommt. In dieser Jahreszeit und nachts ist der Wind deutlich im Vorteil gegenüber der Sonne. Allerdings sind freie Flächen und ein ausreichendes Windangebot erforderlich. Die freien Flächen sind gerade in der Landwirtschaft oft vorhanden.

Welche Erträge kann eine Anlage mit 15 m Höhe erwirtschaften?

Schwieger: Je nach Standortqualität kann eine Kleinwindanlage dieser Größe bei entsprechendem Rotordurchmesser und Anlagenqualität bis etwa 15 kW Leistung haben. Die ­Erträge sind standortabhängig und werden auch von der Qualität des Windjahres maßgeblich beeinflusst. Die Bandbreite der Energieerträge für Anlagen dieser Liga reicht auf angemessenen, freien Flächen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein nach unseren Erfahrungswerten von unter 5.000 bis über 20.000 kWh/Jahr.

Wie lässt sich der Strom am besten verwerten?

Schwieger: Die Art der Energienuztung ist maßgeblich für den wirtschaftlichen Erfolg. Aufgrund der geringen Einspeisevergütung im EEG von unter 5 ct/kWh lohnt sich die Einspeisung ins Netz nicht. Entscheidend ist der Eigenverbrauch. Dabei sollte die Kleinwindanlage auf die Grundlast eines Betriebs und nicht auf die durchschnittliche Last oder gar die Spitzenlast abgestimmt werden.

Dies ist mit kleineren Anlagen von z. B. 10 bis 15 kW Leistung an mittelständischen Betrieben in der Landwirtschaft oft besonders gut möglich. Daher ist die neue Freistellung in Niedersachsen ein wirklich ­interessanter Anreiz für die Landwirtschaft, langfristig Stromkosten mithilfe umweltfreundlicher moderner Kleinwindtechnik zu senken. Immerhin betragen die Genehmigungs­kosten sonst oft deutlich über 20 % der Gesamtinvestition einer Kleinwind­anlage.

Ein Kleinwindrad hilft Landwirten, die Stromkosten zu senken.

Sie sprachen noch weitere Vorschriften an, die zu beachten sind.

Schwieger: Das sind alle maßgeblichen Rechtsanforderungen, z. B. zu Abständen oder Immissionen. Dies gilt für verfahrensfreie Kleinwindräder, aber auch für größere Anlagen, für die Landwirte einen Bauantrag stellen müssen.

Übrigens hat sich mittlerweile bundesweit, aufgrund einer Vielzahl von Gerichtsurteilen, die Rechtsauffassung durchgesetzt, dass Kleinwindanlagen der jetzt freigestellten Liga bzw. unter 30 m Höhe in aller Regel nicht raumbedeutsam sind. Dadurch sind sie nach dem Bundesbaugesetzbuch § 35 im Außenbereich privilegiert und werden nicht durch die Ausweisungen von „großen“ Windparks beschränkt. Die Technologie beeinträchtigt das Landschaftsbild nicht. Der Außenbereich fängt z. B. in einer Ortsrandlage bereits unmittelbar ab der Gebäudehinterkante an, sodass die weitaus meisten vernünftigen Kleinwindstandorte im Außenbereich liegen.

In diesem Sinne hoffen wir, dass die positiven Entscheidungen der niedersächsischen Landesregierung auch in anderen Bundesländern aufgegriffen werden.

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