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Nur aktive Waldwirtschaft hilft dem Klima

Hartnäckig hält sich die Meinung, dass nur Naturwald und der Verzicht auf die Holzverbrennung dem Klima nützen. Das ist falsch, zeigen wissenschaftliche Fakten.

Lesezeit: 8 Minuten

Der Wald ist ein großer Kohlenstoffspeicher. Baustoffe aus Holz und Energieholz verdrängen fossile Rohstoffe, die zum Klimawandel beitragen. Gerade zur Bewältigung der Gaskrise in diesem Winter müsste der Brennstoff viel Rückendeckung haben.

Stattdessen nimmt die Kritik an der Waldbewirtschaftung und an der Holzverbrennung zu mit Schlagzeilen wie: „Holz ist klimaschädlicher als Öl und Gas“. Zudem will die Bundesregierung die Holznutzung mit scharfen Feinstaubgrenzwerten und geringerer Förderung einschränken. Auf EU-Ebene wird sogar diskutiert, ob Holz noch als erneuerbarer Energieträger gelten kann.

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Warum Holz ein klimaneutraler Brennstoff ist

Kritik kommt auch aus der Wissenschaft: „Das Problematische am „Fit for 55“-Paket der EU ist, dass der Anbau von Biomasse generell für CO2-neutral erklärt und deshalb gefördert wird“, erläutert Thomas Kastner vom Senckenberg-Biodiversität-und-Klima-Forschungszentrum Frankfurt und fährt fort: „Bioenergie ist aber nicht CO2-neutral. Die EU ignoriert die Folgen gesteigerter Landnutzung. Flächen zur Produktion von Bioenergie stehen nicht für den Anbau von Nahrungsmitteln zur Verfügung.“

Lebensmittel müssten importiert werden, wofür in anderen Ländern wiederum Wälder abgeholzt würden. Das Problem werde so nur verlagert. Gleichzeitig fehlten zur Bioenergiegewinnung genutzte Flächen als CO2-Speicher und Lebensraum für gefährdete Arten.

„Viele Umweltverbände drängen aus diesem Grund darauf, den Wald sich selbst zu überlassen“, fasst Prof. Roland Irslinger die aktuelle Stimmungslage zusammen. Irslinger, der bis 2014 Professor für Waldökologie an der Hochschule Rottenburg am Neckar war, hält diese Sichtweise für falsch. „Solange der Holzvorrat konstant bleibt, ist Holz ein klimaneutraler Brennstoff“, betont er. Dabei stützt er sich nicht auf die Tatsache, dass Holz beim Verbrennen dieselbe Menge CO2 abgibt, die das Holz vorher bei der Photosynthese zum Wachsen aufgenommen hat. „Denn das haben Öl oder Kohle oder Holz aus dem Regenwald auch gemacht“, sagt er.

Vor diesem Hintergrund schneiden die fossilen sogar besser ab, denn wegen ihrer höheren Energiedichte stoßen sie pro Kilowattstunde Wärme weniger CO2 aus als Holz. Aber nach der Verbrennung gelangen bei den fossilen Brennstoffen mehr Emissionen in die Atmosphäre, als gebunden werden können. „Beim Holz dagegen ist das anders, das CO2 wird durch die wachsenden Bäume anschließend wieder gebunden. Öl, Erdgas oder Kohle wachsen dagegen nicht nach“, argumentiert er.

Für genauso fadenscheinig hält er das Argument, dass ein Baum ca. 100 Jahre wachse, aber in wenigen Tagen verheizt werden könne. „Wir dürfen aber nicht nur den einzelnen Baum betrachten. Denn wir fällen in Deutschland pro Jahr nur 1 % der Bäume, 99 % wachsen weiter und binden das CO2“.

Warum Wissenschaftler die Kaskadenpflicht für unsinnig halten

Forstwissenschaftler wie Irslinger sehen die Forderung der Bundesregierung kritisch, Holz nur in Kaskaden zu nutzen. Demnach sollte Holz zunächst als Bauholz verwendet werden, danach erst im Ofen landen. „Aber diese Forderung ist insofern unsinnig, weil Holz nicht gleich Holz ist“, sagt er. Die heutige Praxis sieht so aus:

  • 10 % des Waldholzes verbleiben als Ernteverlust im Wald, um hier zu Humus abgebaut zu werden.
  • 30 % des Waldholzes werden zeitnah energetisch genutzt. Das sind Sortimente, die sich nicht stofflich nutzen lassen, wie z.B. Kronenholz.
  • 60 % des Holzes werden stofflich genutzt. „Aber während Bäume rund sind, ist ein Balken eckig. Das bedeutet: es gibt Verschnitt und Sägespäne, die auch zur Energieerzeugung genutzt werden“, sagt Irslinger. So werden z.B. Holzpellets ausschließlich aus Resten der Sägeindustrie hergestellt.

Das macht deutlich: Es wird zwar viel Holz verbrannt. Aber dabei handelt sich vor allem um Reststoffe, die gar nicht als Bau- oder Möbelholz verwendet werden können.

„Viel Holz fällt auch bei der Durchforstung an, für das es außer als Energieholz keinen Markt gibt“, ergänzt Dr. Herbert Borchert von der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft (LWF). Die Durchforstung ist notwendig, um die Vitalität des Waldes zu erhalten. Auch Hiebsreste im Wald wie Baumwipfel werden häufig gehäckselt und in Heizwerken verbrannt, um keinen Brutraum für Borkenkäfer zurückzulassen.

Warum der „Waldspeicher“ nicht statisch ist

Politiker oder Medien verwenden häufig die Begriffe „Waldspeicher“ und „CO2-Senke“ synonym. „Die Begriffe muss man aber streng auseinanderhalten“, mahnt Irslinger. Unter Waldspeicher versteht man die Menge an Holz bzw. umgerechnet die Menge an Kohlenstoff, die aktuell in einem Wald enthalten ist. Damit ist „Speicher“ eine Zustandsgröße. „Eine Senke haben wir, wenn der Speicher zunimmt. Nimmt der Speicher dagegen ab, sprechen wir von CO2-Quelle“, macht er deutlich.

Aus seiner Sicht ist es ein Fehler, eine Senkenfunktion oder selbst den Zustand des Speichers als dauerhaft anzusehen. Denn natürliche Systeme sind – anders, als eine technische Batterie z.B. – dauerhaft in einem dynamischen Fließgleichgewicht. Zudem setzt der Klimawandel dem Wald zu, was seinen Zustand verändert. Dürreschäden und Humusabbau z. B. können dafür sorgen, dass einige Wälder von einer Senke zur Quelle werden und der Speicher damit abgebaut wird.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Wälder immer dergleichen Dynamik unterliegen: Nach einer Verjüngungsphase folgt die Optimal- und dann die Zerfallsphase, bei der Bäume absterben und beim Verrotten wieder CO2 abgeben. In dem lichten Wald beginnen junge Bäume erneut zu wachsen und der Zyklus beginnt von vorn. „Bei der Buche dauert so ein Zyklus 230 Jahre, bei der Fichte doppelt so lang“, sagt Irslinger. Diesen Prozess kann man abkürzen, in dem man die Wälder aktiv bewirtschaftet.

Um die Klimaschutzwirkung des Waldes zu bewerten, müssen laut Irslinger fünf Faktoren einbezogen werden:

  • Die Zunahmen des gebundenen CO2,
  • die Zunahme der CO2-Bindung in Bau- und Möbelholz,
  • der Ersatz von Materialien in der Bauwirtschaft wie Metall oder Beton, deren Herstellung und Verarbeitung sehr viel fossiles CO2 produziert,
  • der Ersatz von fossilen Brennstoffen,
  • die Bindung von CO2 im Waldboden.

Fasst man die Einsparungen dieser fünf Bereiche zusammen, ergibt sich bei einem Zuwachs von 90 Mio. m³ Holz pro Jahr eine CO2-Vermeidung von 120 Mio. t im Jahr. „Bleibt der Holzvorrat auf konstantem Niveau, haben wir dagegen im Naturschutzwald nur eine Speicherung von 40 Mio. m³ CO2 im Jahr und keine weiteren Effekte“, sagt der Wissenschaftler.

Der Vorrat an Holz liegt in Deutschland im Schnitt bei 358 m³ Derbholz/ha. In Bayern ist er mit fast 400 m³ am Höchsten. „Dieser Wert ist auch das, was sich in anderen Wäldern als Maximum herausgestellt hat“, sagt Dr. Herbert Borchert von der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft (LWF). Selbst Tropenwälder kommen dabei nicht über 400 m3/ha. Wenn Vorräte ansteigen, wächst das Risiko von Schäden, vor allem durch Stürme und in deren Folge auch durch Insekten. Die LWF warnt daher in Bayern vor einem höheren Vorratsaufbau.

Wie Feinstaubemissionen kontinuierlich sinken

In den Medien hält sich ebenso die Meinung, dass bei der Holzverbrennung gesundheitsschädliche Emissionen entstehen. Die Feinstaubemissionen von Holzheizungen sind vom Umfang her mit den Emissionen aus dem Verkehrssektor vergleichbar. „Hier sehen wir Handlungsbedarf, sprechen uns aber auch für Differenzierung aus“, sagt Dr. Hans Hartmann, Abteilungsleiter Biogene Festbrennstoffe am Technologie- und Förderzentrum aus Straubing (Bayern).

Die Differenzierung müsse nach Anlagentyp und Leistungsklasse erfolgen. Moderne Holzzentralheizungen wie beispielsweise Pelletkessel emittieren bereits so geringe Mengen an Staub, dass ihn Schornsteinfeger kaum noch messen können. Neben technischen Neuerungen tragen gesetzliche Regelungen sowie internationale Normen zur Schadstoffminderung dazu bei, dass Feinstaubemissionen abnehmen. Messungen des Umweltbundesamts belegen, dass die Feinstaubemissionen auch aus Holzfeuerungen kontinuierlich abnehmen.

Welches Potenzial Kleinöfen bieten

Verbesserungspotenzial sehen die Wissenschaftler bei Kleinöfen. Wie sich anhand von Untersuchungen des TFZ zeigte, können sich durch falsche Bedienung die Staubemissionen um ein Vielfaches erhöhen. Hier plant das TFZ ­unter anderem einen freiwilligen „Ofenführerschein“, der heiztechnische Kenntnisse vermitteln soll. Insgesamt trägt die kontinuierliche Verbesserung von Nutzerverhalten, Brennstoffqualität und Technik zur Reduzierung der gesundheitsschädlichen Feinstaubemissionen bei. „Wir müssen aber den Anteil emissionsarmer Kessel und Öfen in der Praxis weiter erhöhen“, sagt Hartmann.

Warum Holzenergie eine gute Reserve ist

Auch in Zukunft wird die Holzenergie aus Sicht des TFZ eine wichtige Rolle in der Energieversorgung spielen. Aktuell ist Holz mit knapp 31 % an der gesamten erneuerbaren Energie in Deutschland der bedeutendste regenerative Energieträger. Holzenergie hat gegenüber volatilen Energiequellen wie Photovoltaik oder Wind den entscheidenden Vorteil, dass sie als Brennstoff lang speicherbar und sofort abrufbar ist: Sie ist gespeicherte Sonnenenergie.

Bei der Wärmeversorgung von Ein- oder Mehrfamilienhäusern, kommunalen Gebäuden oder kleinen Wärmenetzen sollte zukünftig die Holzenergie vermehrt die Rolle der Puffer- oder Reservelasttechnologie einnehmen. Hier sind Synergien mit Wärmepumpe oder Solarthermieanlage zu nutzen.

Erste solche Hybrid-Anlagen sind bereits am Markt verfügbar und werden staatlich gefördert. Moderne Hybrid-Heizungen senken die absolut benötigte Holzmenge pro Verbraucher, wodurch die Holzpotenziale in Deutschland einen größeren Nutzen stiften könnten.

Holzkritik im Faktencheck

Es gibt zwei aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen, die die verschiedenen Vorwürfe gegen die Holznutzung durchleuchtet haben:

Kontrovers diskutiert: Heizen mit Holz – LWF aktuell 136: Die Forstexperten der LWF haben sich intensiv mit den Pro- und Kontra-Argumenten auseinandergesetzt und Abwägungen und Schlussfolgerungen in einem ausführlichen Beitrag zusammengestellt. (36 Seiten, www.lwf.bayern.de)

Eine ausführliche Argumentation hat das Technologie- und Förderzentraum aus Straubing (Bayern) als TFZ-Standpunkt veröffentlicht. Das Dokument ist mit wissenschaftlichen Quellenangaben versehen und steht auch als Kurzfassung unter www.tfz.bayern.de/holzenergie zur Verfügung.

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