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Preisobergrenze für Strom: Erneuerbaren-Branche macht eigene Vorschläge

Die EU-Kommission will eine Preisobergrenze für Strom einführen. Die Branche der Erneuerbaren kritisiert das scharf, weil es die erneuerbaren Energien einseitig belasten würde.

Lesezeit: 8 Minuten

Die EU-Kommission will angesichts der steigenden Energiepreise einer Erlösobergrenze für Strom einführen. Danach will die EU bei Erneuerbare-Energien-Anlagen alle Erlöse abschöpfen, die die Anlage am Strommarkt über einen Wert von 20 ct/kWh hinaus erzielt. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) begrüßt die Ambitionen der EU-Energieminister, die Auswirkungen des fossilen Preisknalls abzuschwächen und mit konkreten Maßnahmen die Bürger und Unternehmen zu entlasten. „Soziale und wirtschaftliche Notlagen müssen in ganz Europa ebenso vermieden werden wie Versorgungsengpässe“, betont BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter.

"Erneuerbare dürfen nicht die Zeche für andere zahlen"

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Gleichzeitig dürften aber keine übereilten Entscheidungen getroffen werden, die den klimapolitisch notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien gefährden. „Die erneuerbaren Energie dürfen nicht die Zeche für die fossil-atomare Krise bezahlen.“ Die vor dem Treffen bekannt gewordenen Vorschläge der EU-Kommission zur Einführung einer Erlösobergrenze bedeuteten indirekt die Einführung von Contracts for Difference (CfD). Auf deren Nachteile hat der BEE immer wieder hingewiesen. Probleme würden im Terminmarkt, aber auch bei Power Purchase Agreements (PPA) entstehen, die für Erzeuger erneuerbarer Energien sogar von noch größerer Bedeutung seien als der Terminmarkt: „PPA wurden als Garant für eine sichere Vergütung politisch beworben und sind als Instrument zur Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien auch Teil des Ampel-Koalitionsvertrags. Je nach Ausgestaltung der EU-Pläne würden ausgerechnet die Erzeuger, die günstigen Strom zu einem vereinbarten Festpreis liefern, bestraft werden. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein“, kritisiert Peter. Denn sobald der Referenzmarktwert (Spotmarkt) oberhalb des vorher vereinbarten festen Strompreises liege, würde es unter Umständen zu einer Rückzahlungsverpflichtung von Mehrerlösen kommen, die der Anlagenbetreiber aber gar nicht erhalten habe.

Durch die fatale Stop-and-Go-Politik im Bereich der Erneuerbaren der letzten Jahre seien bereits viel Vertrauen und über hunderttausend Jobs in Deutschland verloren gegangen. Dabei müssten die Akteure der Erneuerbaren-Branche die Hauptlast der Investitionen und Risiken stemmen, die in ein System mit 100 % erneuerbaren Energien führen. „Die EU muss deshalb genauestens darauf achten, dass ihre Pläne nicht zu einem Investitionskorsett für die Erneuerbaren werden. Die Branche wird die Beratungen in den kommenden Wochen aktiv begleiten und eigene Vorschläge vorlegen", so Peter.

Bioenergiebranche: „Nicht zu Ende gedacht“

„Der Vorschlag der Europäischen Kommission (KOM), die Strommarkterlöse von Erneuerbare-Energien-Anlagen pauschal auf 20 ct/kWh zu deckeln, ist ein verheerendes Zeichen für die Bioenergiebranche und in Bezug auf Bioenergieanlagen offensichtlich nicht zu Ende gedacht“, kritisiert auch Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüro Bioenergie. Es gäbe entscheidende betriebs- und energiewirtschaftliche Unterschiede zwischen der Stromerzeugung aus Biomasse und der Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie, die der Vorschlag schlichtweg ignoriere.

„Zum einen haben Bioenergieanlagen Brennstoffkosten, die seit Beginn des Ukrainekriegs mit dem extremen Anstieg der Preise für landwirtschaftliche Ressourcen, Düngemittel, Kraftstoffe und Technik ebenfalls stark gestiegen sind. Mit einer Deckelung der Strommarkterlöse bei 20 ct/kWh können die meisten Anlagen nicht mal ihre Brennstoffkosten decken, geschweige denn Rücklagen für Ertüchtigungsinvestitionen bilden“, erklärt Rostek. Das Ziel der Bundesregierung zur Überbrückung der Gasmangellage mehr Biogasstrom in den Markt zu bringen und mehr erneuerbare Wärme bereitzustellen, werde nicht nur konterkariert. Vielmehr drohe eine Teilstilllegung des Anlagenbestands.

Kein Anreiz zur flexiblen Fahrweise

Zum anderen würden Bioenergieanlagen jeden Anreiz verlieren, ihre größte energiewirtschaftliche Stärke auszuspielen: Die flexible, an den Bedürfnissen des Strommarkts orientierte Fahrweise. „Diese stabilisiert nicht nur das Gesamtsystem, sondern dämpft auch den Anstieg der Börsenstrompreise in Zeiten, in denen Wind- und Solarenergie wenig Strom liefern können“; sagt sie. Flexibilitätsanreize entstehen, wenn durch eine Verlagerung der Stromerzeugung in Zeiten mit hohen Börsenstrompreisen höhere Erlöse erzielt werden können. Nur so lohnen sich Investitionen in die Anlagenflexibilisierung.

Aktuell liegen die Börsenstrompreise sowohl in Zeiten mit hoher als auch in Zeiten mit niedriger Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie über 20 ct/kWh. Eine Abschöpfung aller Mehrerlöse nähme folglich Bioenergieanlagen den Anreiz, ihre Stromerzeugung zu verlagern.

Holzheizkraftwerke verfügen zudem zum Teil über Wärmespeicher, um die Strom- von der Wärmebereitstellung zu entkoppeln. Dies hat den Vorteil, dass z.B. in Zeiten hoher PV-Einstrahlung (Mittagszeit) die elektrische Leistung zurückgefahren werden kann und die Energie (über den Bedarf hinaus) als thermische Leistung dem Wärmespeicher zugeführt wird. In Zeiten hoher Stromnachfrage und gleichzeitiger niedriger Erzeugungskapazität können Holzheizkraftwerke dann vermehrt Strom bereitstellen und die Wärmekunden werden in dieser Zeit über den Speicher versorgt. „Um den hohen Investitionsbedarf für Wärmespeicher und eine Flexibilisierung der Energieerzeugung zu decken, sind ökonomische Anreize über den Strompreis nötig“, sagt Rostek.

Die Bundesregierung müsse deshalb unbedingt bei der Ausgestaltung der Erlösabschöpfung die Spezifika von Bioenergieanlagen berücksichtigen und sie von der pauschalen Deckelung der Strommarkterlöse bei 20 ct/kWh ausnehmen. Die Bioenergieverbände arbeiten bereits an konstruktiven Vorschlägen.

Staatskasse profitiert am meisten

Nicht die Energieerzeuger, sondern der Bundeshaushalt ist der eigentliche Gewinner der hohen Stromerlöse, meint Thomas Schoy, Mitinhaber und Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Privates Institut. Er kritisiert den Vorschlag, die Übergewinne z.B. beispielsweise bei Solaranlagen abschöpfen zu wollen. „In Deutschland gibt es über zwei Millionen Betreiber kleiner Aufdachanlagen bis hin zu größeren Freiflächenparks – nur im Einzelfall spielen große Konzerne eine Rolle. Fast zwei Drittel der installierten Leistung von 60 Gigawatt profitieren von der aktuellen Strompreisentwicklung überhaupt nicht, da sie nicht aktiv vermarktet, sondern lediglich vom Netzbetreiber die EEG-Vergütung, also den ‚anzulegenden Wert‘ nach EEG überwiesen bekommen“, sagt Schoy. Allerdings würde der Netzbetreiber den Strom dieser Anlagen über die Strombörse vermarkten. Hier entstehen Übergewinne, die direkt auf dem EEG-Umlagekonto landen. Laut Schoy waren das im Juli 2022 rund 17 Milliarden Euro. „In Wirklichkeit bunkert also die Bundesrepublik einen immensen Geldbetrag, der auch nach dem Ende der EEG-Umlage weiterwachsen wird. Das liegt daran, dass mit den hohen Börsenstrompreisen auch ältere Anlagen mit ihren noch hohen EEG-Vergütungsgarantien keine Förderung mehr benötigen, sondern sogar noch Mehrerlöse erzielen.“

Darum fordert nicht nur Schoy, das unaufhörlich ansteigende Saldo des EEG-Umlagekontos schon jetzt zur Entlastung der Bürgern zu nutzen. „Den Verbrauchern ist doch kaum zu vermitteln, warum dieses Geld trotz Krise hier einfach geparkt wird und nicht zum Wohle aller Einsatz findet“; sagt er. Denkbar wären etwa direkte Auszahlungen oder die Senkung der stromerzeugenden Grenzkosten der Gaskraftwerke, was wieder in eine Strompreisreduzierung münden würde.

Hohe Steuereinnahmen

Doch auch von den Gewinnen des übrigen Drittels der Anlagen in der Direktvermarktung profitiert der Bundeshaushalt. „Denn hier fällt die EEG-Förderkomponente, auch Marktprämie genannt, aufgrund der gestiegenen Marktwerte für Solarstrom zum Teil oder ganz weg und entlastet damit sofort die Staatskasse“, erklärt er. Dazu komme, dass die Rechtsform des Betreibers einer Anlage für erneuerbare Energien eine entscheidende Rolle spielt – hier fallen Steuern von bis zu 47,5 % (Spitzensteuersatz inklusive Soli) auf alle zusätzlichen Gewinne an. Auch an dieser Stelle bestünde erhebliches Potenzial, diese Einnahmen etwa für direkte und unbürokratische Entlastungen der Verbraucher zu nutzen. Hier kämen die Finanzämter ins Spiel, einkommensorientierte Zuschüsse festzulegen.

PPA senken Strompreis

Schlussendlich gibt es auch noch Anlagen erneuerbarer Energien, die völlig ohne jegliche Förderung errichtet und betrieben werden. In diesen Fällen regeln bilateral geschlossenen Stromlieferverträge – auch PPA, Power Purchase Agreement genannt – die Erlöse. Dieser Umstand führt zu Preisminderungen auf dem Strommarkt. „Ein zusätzlicher Effekt, denn der Einspeisevorrang von Windenergie und Solar sorgt sowieso schon dafür, dass der Strompreis gedrückt wird“, so Schoy. Diese PPA ermöglichen es Ländern wie Frankreich oder Österreich, von einem Versorgungsengpass verschont zu bleiben. Denn hier gibt es beispielsweise aktuell massive Probleme mit den Atomkraftwerken und bei den österreichischen Nachbarn produzieren die Wasserkraftwerke aufgrund von anhaltender Trockenheit nicht genug Energie. Nun will die EU-Kommission die Übergewinne aller nicht aus Gas stammenden Verkäufe am Strommarkt abschöpfen und an den Endverbraucher verteilen. „Schon die bloße Ankündigung dieser Übergewinn- und Grundversorgungs-Regelung löste bei allen Marktteilnehmern, hier den Stadtwerken, blankes Entsetzen aus, da momentan weder die technischen Möglichkeiten zur Erfassung noch die notwendigen Daten aktuell zur Verfügung stehen“, kritisiert er. Vor dem Hintergrund der horrenden Gewinne aus den Umlagen sowie durch die vom Bund eigestrichenen Ertrag- Umsatz- und Energiesteuer aus den stark gestiegenen Energiekosten, erscheine dieses EU-Vorhaben eine echte Farce.

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