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„Der hohe Strompreis erhöht die Nachfrage nach Stromlieferverträgen“

Claus Urbanke, Leiter der Projektwicklung Wind und Solar Deutschland bei Statkraft, erläutert im top agrar-Interview, welche Chancen neue und alte Wind- und Solaranlagen im Strommarkt jetzt haben.

Lesezeit: 7 Minuten

Ihr Unternehmen mit den Wurzeln in Norwegen ist seit vielen Jahren in der Stromvermarktung tätig. Mittlerweile sind Sie auch in die Projektentwicklung von Wind- und Solarparks eingestiegen. Was waren die Gründe?

Urbanke: Wir sind in Deutschland vor 2,5 Jahren ins Projektentwicklungsgeschäft eingestiegen. Wir hatten bis dato schon sehr gute Erfahrungen mit dem PPA-Geschäft (Power-Purchase-Agreement), also Stromlieferverträgen gemacht, vor allem bei neuen, förderfreien Solarparks. Dieses Segment entwickelt sich sehr stark im Solarbereich, wird aber auch bei Windparks zukünftig eine Rolle spielen. Wir wollen künftig nicht nur Strom vermarkten, sondern auch Parks bauen und betreiben.

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An wen richten Sie sich mit den PPA-Verträgen?

Urbanke: Das sind in erster Linie große Industriebetriebe. Sie kaufen den Solarstrom aus den Anlagen so, wie er produziert wird und stellen ihn in den eigenen Bilanzkreis ein. Die Entwicklung hat seit ca. 2 Jahren stark an Bedeutung gewonnen.

Wie unterscheidet sich der PPA-Vertrag von einem herkömmlichen Stromliefervertrag zur Vollversorgung?

Urbanke: Mit einem PPA kann man nur einen gewissen Teil des Stromverbrauchs decken. Denn meist passt die Stromerzeugung nicht zum Lastprofil des Betriebes. Darum schließen Industrie- oder Gewerbekunden selten einen PPA direkt mit einem Erzeuger ab, sondern haben immer einen sogenannten Aggregator wie uns zwischengeschaltet. Wir managen für ihn das Profilrisiko.

Was heißt das im Klartext?

Urbanke: Wir dimensionieren mit dem Kunden die PPA-Liefermenge so, dass er möglichst viel von dem Strom direkt verbrauchen kann. Diesen Strom bekommt er dann zu festen, frei ausgehandelten Preisen. Den Rest muss er klassisch dazu kaufen. Ob es auch Grünstrom aus erneuerbaren Energien oder Graustrom von der Börse ist, entscheidet der Kunde.

Inwiefern treibt der aktuell stark gestiegene Strompreis die Entwicklung?

Urbanke: Früher haben Unternehmen PPA-Verträge abgeschlossen, um damit ihre Nachhaltigkeitsstrategie zu erfüllen. Mittlerweile sehen wir aber auch, dass die Verträge preisgetrieben sind. Die Unternehmen wollen sich mit erneuerbaren Energien unabhängiger machen. Zudem ist Solar- und Windstrom günstiger selbst als konventioneller Strom zu Großhandelskonditionen. Neben Direktvermarktungsverträgen setzen viele aber auch auf eigene Solaranlagen.

Inwiefern könnte ein Unternehmen den Solarstrom auch komplett abnehmen und die Mengen, die es nicht braucht, in einen eigenen Speicher laden? Ist das wirtschaftlich?

Urbanke: Das ist genau wie bei Privathaushalten mit PV-Anlage auf dem Dach oder wie im landwirtschaftlichen Betrieb durchaus möglich. Man hat dadurch eine höhere Eigenverbrauchsquote, allerdings noch keine vollständige Autarkie. Bei Gewerbe- oder Industriebetrieben kann sich ein Stromspeicher auch auf anderem Wege rechnen, z.B., indem man damit das Nachfrageprofil glättet, also einen temporär hohen Stromverbrauch vermeidet, der dadurch entsteht, wenn viele Maschinen gleichzeitig in Betrieb sind. Mit dem Vermeiden von Lastspitzen lassen sich unter Umständen Netzentgelte einsparen. Ebenso kann der Speicher als Backup-Lösung bei Stromausfall dienen.

Einige Industriezweige benötigen ja auch Wasserstoff als Rohstoff. Wie bewerten Sie die Lösung, Elektrolyseure als Verbraucher zu verwenden, um überschüssigen Solar- oder Windstrom in Wasserstoff umzuwandeln?

Urbanke: Das ist politisch gewollt und auch bereits möglich. Aber aktuell sind die Erzeugungskosten für ‚grünen‘ Wasserstoff noch zu hoch. Dafür müsste der CO₂-Preis weiter steigen und damit der Preis für Wasserstoff aus konventionellen Quellen wie Erdgas. Mit zunehmender Industrialisierung bei der Produktion von Elektrolyseuren analog zu den Solaranlagen gehen wir aber davon aus, dass der Preis für grünen Wasserstoff mittelfristig günstiger wird als fossil erzeugter Wasserstoff.

"Stromlieferverträge für AgriPV-Anlagen schwierig"

Bei der Freiflächen-Photovoltaik ist die Agri-Photovoltaik eine Nische, die stark an Bedeutung zunimmt. Können auch AgriPV-Anlagen von PPA-Verträgen profitieren?

Urbanke: Das ist schwierig. Denn die Baukosten sind bei diesen Anlagen höher als bei klassischen Solarparks, und damit auch die Stromerzeugungskosten. AgriPV-Anlagen können daher preislich nur schwer mit herkömmlichen Freiflächen-Solarparks konkurrieren. Trotzdem beobachten wir das Thema mit großem Interesse, denn es wird künftig eine wichtige Rolle spielen. Es könnte durchaus Industrie- oder Gewerbebetriebe geben, die bereit sind, für Strom aus diesen Anlagen etwas mehr zu bezahlen, wenn sie im Marketing davon profitieren. Oder die Anlagen werden eine Option für die Landwirtschaft selbst, die den Strom im eigenen Betrieb verbrauchen.

Warum wird AgriPV wichtiger werden?

Urbanke: Es ist eine Möglichkeit, der vermeintlichen Flächenkonkurrenz bei der Freiflächenphotovoltaik zu begegnen – auch, wenn wir diese grundsätzlich nicht sehen. Mit der AgriPV lassen sich aber Landwirtschaft und Energieerzeugung leichter unter einen Hut bringen.

Bei klassischen Solarparks ist aber eine landwirtschaftliche Produktion gar nicht oder nur eingeschränkt möglich. Inwiefern gibt es aus Ihrer Sicht keine Flächenkonkurrenz?

Urbanke: Es gibt selbst in dem dicht besiedelten Deutschland noch viele Flächen, die sich zur Stromerzeugung eignen, ohne dass sie in Konkurrenz zur landwirtschaftlichen Nutzung treten. 2 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche liegt brach, auf 14 % werden Energiepflanzen angebaut. Wenn man schon einen Teil davon für die Photovoltaik nutzt, ließen sich Anlagen im dreistelligen Gigawattbereich installieren. Dazu kommen Flächen mit geringer Bodenqualität wie die leichten Sandböden in Nordostdeutschland, die immer schwerer zu bewirtschaften sind und für die die Solarstromerzeugung eine attraktive Alternative ist. Hier gehen wir zunehmend auf Gemeinden zu und suchen nach Flächen, die wenig attraktiv für die Landwirtschaft sind. Dazu kommt: Auf hochwertigen Böden ist die Landpacht automatisch höher. Dort sticht die Landwirtschaft dann schnell die Photovoltaik preislich aus.

Was sind für Sie für ein PPA-Projekt geeignete Standorte?

Urbanke: Das kann man pauschal nur schwer sagen. Das hängt von der Sonneneinstrahlung, den Netzanschlusskosten, der nötigen Erschließung, der Flächengröße, dem Flächenzuschnitt und anderen Faktoren ab. Wir bieten Flächeneigentümern an, ihr Flächen unverbindlich auf Eignung zu überprüfen.

Inwiefern können PPA-Verträge auch für neue Windenergieanlagen interessant sein?

Urbanke: Auch das ist möglich. Seit dem Jahr 2020 fallen ja jährlich viele Anlagen aus der EEG-Förderung. Für sie bleiben PPA auch in den nächsten Jahren eine wichtige Vermarktungsoption. Im Moment sind aber die Strompreise am Großhandelsmarkt so hoch, dass es sich auch für Neuanlagen lohnt, Festpreis-PPA abzuschließen. Hier erleben wir zwei Strategien am Markt: Während im Solarbereich erste Betreiber ganz auf das EEG verzichten und damit weder an Ausschreibungen teilnehmen müssen und somit auch keine Einschränkungen bei der Flächenauswahl haben, sichern sich andere Betreiber z.B. von Windparks mit dem EEG nach unten hin ab. Sie nehmen also an Ausschreibungen teil. Würde der Marktpreis für den Strom unter den Zuschlag für die EEG-Vergütung, also den sogenannten anzulegenden Wert, fallen, bekommt der Betreiber immer diese Vergütung ausgezahlt. Da er ohnehin einen Direktvermarktungsvertrag abschließen muss, kann er aber auf jeden Fall von den hohen Stromerlösen wie im Moment profitieren.

Aber greift dann nicht das Doppelvermarktungsverbot im EEG, wenn er den Strom gleichzeitig an ein Industrieunternehmen liefert?

Urbanke: Ja, hier muss man unterscheiden: Bei einem klassischen PPA-Vertrag, bei dem wir den Strom aus einer bestimmten Anlage 1:1 an einen Industriekunden liefern und dieser mit der Herkunft des Stroms Werbung macht, darf der Betreiber keine EEG-Vergütung kassieren. Das wäre eine unzulässige Doppelvermarktung. Möchte ein Unternehmen dezidiert ‚Grünstrom‘ haben, muss es neben der Stromlieferung auch die entsprechenden Herkunftsnachweise einkaufen. Diese Herkunftsnachweise werden genau bilanziert. Anlagen, die in der EEG Förderung sind, können keine Herkunftsnachweise liefern, das können nur Anlagen außerhalb des EEG.

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