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CO2-Killer Kiri-Paulownia: Taugt der Blauglockenbaum als neue Baumart im Forst?

Gärtnereien bewerben den Blauglockenbaum als "schnellst wachsenden Baum Europas". Dadurch sei der "CO2-Baum" ein echter Klimaschutzbooster. Aber taugt der Gartenbaum überhaupt für unsere Wälder?

Lesezeit: 5 Minuten

Unser Autor: Dr Bertram Leder, Zentrum für Wald und Holzwirtschaft, Landesbetrieb Wald und Holz NRW

Die Wahrnehmung des Blauglockenbaums ist geteilt. Die Paulownie (Paulownia spec., Chinesischer Blauglockenbaum) scheint aufgrund ihrer Wüchsigkeit, ihrer hohen Holzqualität und Verwendungsvielfalt sowie ihrer optimistischen Prognose im Klimawandel in den wärmeren Bereichen eine interessante Anbauoption zu sein. Eine ökologische Integration in natürliche oder naturnahe Waldökosysteme ist jedoch fraglich.

Invasiv oder nicht?

Der Blauglockenbaum, ein 15 bis 25 m hoher, breitkroniger, konkurrenzschwacher Baum, hat in Deutschland den Status einer potenziell invasiven Art erhalten, ist auf der grauen Liste des Bundesamts für Naturschutz (BfN) aufgeführt und steht somit unter Beobachtung. Die genaue Einschätzung des BfN zum Blauglockenbaum ist im BfN-Skript 352 zu finden.

Die raschwüchsige aber auch sehr kurzlebige (50 bis 70 Jahre) Lichtbaumart stammt aus China, wurde 1834 nach Europa eingeführt. Der Blauglockenbaum ist bekannt für gutes Nutz- und Wertholz sowie Energieholz. Die Pionierbaumart besiedelt auch Rohböden , bevorzugt wärmere Regionen und wächst am besten im Weinbauklima. Der Blauglockenbaum toleriert sommerliche Trockenperioden, sodass eine Förderung durch den Klimawandel wahrscheinlich ist. Aufgrund des schnellen Wachstums ist die CO2-Bindung verhältnismäßig groß. Jungpflanzen können einen jährlichen Zuwachs bis zu 4 m (Höhe) bzw. 5,5 cm (Brusthöhendurchmesser BHD) haben.

In China und Japan wird das Holz vielfältig genutzt (Musikinstrumente, Modell- und Segelflugzeug, Türen, Fensterrahmen, Papiererzeugung, Energiegewinnung). Zum Anbau des Blauglockenbaums bestehen in Deutschland keine allgemeingültigen Vorschriften oder Verbote, die eine Verwendung als Waldbaumart verhindern.

Darf man exotische Bäume in den Wald pflanzen?

Im §40 Bundesnaturschutzgesetz ist das Ausbringen gebietsfremder Pflanzen geregelt: „Das Ausbringen von Pflanzen in der freien Natur, deren Art in dem betreffenden Gebiet in freier Natur nicht oder seit mehr als 100 Jahren nicht mehr vorkommt, sowie von Tieren bedarf der Genehmigung der zuständigen Behörde. Dies gilt nicht für künstlich vermehrte Pflanzen, wenn sie ihren genetischen Ursprung in dem betreffenden Gebiet haben. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn eine Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen oder Arten der Mitgliedstaaten nicht auszuschließen ist.“ Von einer Genehmigung ausgenommen ist nach diesem Paragraphen der Anbau von Pflanzen in der Land- und Forstwirtschaft.

Zu beachten sind in diesem Fall jedoch der Artikel 22 der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie): Die Mitgliedsstaaten „sorgen dafür, dass die absichtliche Ansiedlung in der Natur einer in ihrem Hoheitsgebiet nicht heimischen Art so geregelt wird, dass weder die natürlichen Lebensräume in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet noch die einheimischen wildlebenden Tier- und Pflanzenarten geschädigt werden; falls sie es für notwendig erachten, verbieten sie eine solche Ansiedlung. Die Ergebnisse der Bewertungsstudien werden dem Ausschuß zur Unterrichtung mitgeteilt.“

Außerdem sind die Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten“ (Unionsliste) zu beachten. Alle Arten die auf der Unionsliste stehen, dürfen auch in der Land- und Forstwirtschaft nicht angebaut werden. Der Blauglockenbaum ist auf dieser Liste jedoch nicht aufgeführt.

Forstliche Anbauversuche seit 2011

Während in anderen Ländern (z.B. Bayern) systematische Anbauversuche mit Paulownia durchgeführt werden, wurde auf Versuchs- und Beobachtungsflächen des Zentrums für Wald und Holzwirtschaft in NRW der Blauglockenbaum bisher nicht angebaut. In NRW gibt es zum Blauglockenbaum keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die auf der Analyse von bestehenden Beständen beruhen, da diese, anders als bei anderen gebietsfremden Baumarten, nicht vorhanden sind. Aus diesem Grund kann eine Einschätzung lediglich auf Recherchen der bestehenden Literatur beruhen.

Da bisher keine Versuchsanbauten im Wald existieren, hat der Waldbau-Lehrstuhl der TU München im Herbst 2011 Versuchsanbauten angelegt, um den Anbauerfolg der Paulownie unter Waldbedingungen wissenschaftlich zu bewerten.

Im Wald extrem konkurrenzschwach

Der Versuch machte deutlich, dass sich die Paulownie unter Waldbedingungen gegenüber der Begleitvegetation extrem konkurrenzschwach und trotz großem Pflegeaufwand eine hohe Mortalität zeigt.

Neben den Hemmnissen durch die Konkurrenzvegetation konnten erhebliche Fraßschäden durch Mäuse registriert werden. Zudem erfolgte ein Absterben von Jungbäumen durch mehrfaktorielle Schadeinwirkungen, die noch genauerer Untersuchungen bedürfen.

Die überlebenden Bäume zeigen eine befriedigende bis gute Wuchsleistung. Eine erfolgreiche Paulownien-Wertholzproduktion im Wald erfordert sehr hohen Pflegeaufwand, sowohl in der Kultursicherung als auch zur Wertsteigerung durch Erziehung der Stammform und Astung.

Die Gefahr einer Invasivität ist derzeit noch schwer einzuschätzen. Die Ausbreitung über die Vielzahl leichter Samen dürfte eine bedeutendere Rolle spielen. Der Blauglockenbaum hat sehr leichte Samen (Tausendkorngewicht: 0,17 bis 0,25g), die durch den Wind (anemochor) ausgebreitet werden (Hecker & Weisgerber 2003). Dies deutet darauf hin, dass eine weiträumige Ausbreitung der Baumart möglich ist.

Außerdem kann die Baumart reichlich Stockausschläge und auch Wurzelbrut bilden (Mosandl & Stimm 2014) was dafür spricht, dass sie sich auf einem Standort, wenn sie erstmal etabliert ist, lange halten kann. Für eine mögliche Eindämmbarkeit der Invasivität spricht, dass Paulownia tomentosa eine ausgesprochene Lichtbaumart ist (Hecker & Weisgerber 2003). So könnte eine unerwünschte Ausbreitung eventuell waldbaulich durch Ausdunkelung vermieden werden.

Keine Anbauempfehlung

Aufgrund der fehlenden Anbauerfahrungen und den bekannten genannten Eigenschaften sollte der Blauglockenbaum ausschließlich kleinflächig auf beobachteten wissenschaftlichen Versuchsflächen angebaut werden. Für eine Empfehlung des Anbaus außerhalb solcher Flächen sind die Unsicherheiten bei seinem Anbau zu hoch und auf Waldstandorten derzeit keine sinnvolle Alternative.

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