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Grüner Aufbau Ost: Wo stehen die Betriebe?

Lesezeit: 14 Minuten

Gibt es die blühenden Landschaften in Ostdeutschland? Zumindest nicht überall. Aber wenigstens in der Landwirtschaft? Dr. Halvor Jochimsen hat die Entwicklung der Betriebe nach der Wende analysiert.


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Herbst 2009, die Ernte war gut, besser als im letzten Jahr. Aber die Preise drücken die Stimmung, vor allem bei der Milch, aber auch bei Getreide. Wie geht es den landwirtschaftlichen Betrieben 20 Jahre nach der Wende?


Auf einer Reise von Bad Doberan nahe der Ostsee nach Dessau an der Elbe haben wir Landwirte und Berater besucht. Wir sprechen mit Wiedereinrichtern wie der Familie Jager, die kräftig investiert haben, heute 145 Kühe halten und angesichts der aktuellen Situation nicht wissen, ob sie die nächsten Jahre überstehen werden. Aufbau Ost misslungen?


Wir besuchen auch LPG-Nachfolgebetriebe wie die Agrarproduktions- und Handelsgenossenschaft e.G. Hinsdorf bei Dessau. Günther Fischer, der Geschäftsführer, hat mit seinen Leuten eine Holding mit acht Unternehmen geschaffen, die 119 Mitarbeiter beschäftigt und 10 700 ha Fläche bewirtschaftet. Auch das ist Aufbau Ost.


Schnell wird klar: Auch 20 Jahre deutsche Einheit haben die Unterschiede in der Agrarstruktur zwischen Ost und West nicht beseitigt. Die Betriebe im Osten sind nach wie vor deutlich größer als im Westen, allerdings mit erheblichen Unterschieden zwischen den Rechtsformen. Die Familienbetriebe als Einzelunternehmen bewirtschaften heute im Mittel 150 ha, die GbR gut 300 ha. Diese Betriebe sind in den vergangenen Jahren durch Pacht und Kauf von Flächen kontinuierlich gewachsen. Die Genossenschaften sind zwar erheblich kleiner als die früheren LPG, haben im Durchschnitt aber immer noch eine Betriebsfläche von 1 500 ha. Im Vergleich dazu haben die ebenfalls aus der LPG hervorgegangenen oder neugegründeten GmbH mit rund 600 ha deutlich weniger Fläche.


Im Osten dominiert der Ackerbau. Fast 40 % aller deutschen Ackerflächen liegen zwischen Rügen und dem Erzgebirge. Im Vergleich zum Westen bauen die ostdeutschen Betriebe mehr Raps und weniger Zuckerrüben an. Die Grünlandnutzung hat im Vergleich zum alten Bundesgebiet eine geringere Bedeutung. Nur rund 22 % des deutschen Grünlands liegen in den neuen Ländern.


Der Osten ist deutlich viehärmer als der Westen. Die Viehbestände sind nach der Wende stark geschrumpft. So haben sich die Rinderbestände mehr als halbiert, die Zahl der Schweine ist noch stärker zurückgegangen. Obwohl ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Osten liegt, stehen dort nur knapp ein Fünftel der deutschen Rinder und Kühe, 12 % der Mastschweine und 19 % der Zuchtsauen. Der Osten hat also in der Veredlung noch Potenzial für die Zukunft. Anders als in einigen Regionen im Westen sind Wachstumsschritte in der tierischen Produktion aufgrund der ausreichenden Flächenausstattung meistens kein Problem.


Größere Betriebe = höhere Gewinne?


Die größeren Betriebsstrukturen in den neuen Ländern haben in den letzten Jahren zu deutlich besseren Ergebnissen geführt. Aber in der aktuellen Situation bedrohen die andauernd niedrigen Milchpreise die Existenz der spezialisierten Milchviehbetriebe in Ost und West gleichermaßen; große Gemischtbetriebe wie die Agrargenossenschaft Bartelshagen (siehe Reportage auf Seite 48) können die Milchviehhaltung nur über Wasser halten, weil sie die Milchkühe mit den Gewinnen aus dem Ackerbau stützen. Kurzfristig ist kein Licht am Ende des Tunnels in Sicht.


Aktuell geht es für viele Betriebe hauptsächlich darum, die Zahlungsfähigkeit zu sichern. Unternehmensberater Jürgen Vollbrecht von der LMS Landwirtschaftsberatung in Mecklenburg-Vorpommern (siehe auch das Interview auf Seite 47) hat durchfinanzierte Liquiditätspläne bis Ende Dezember berechnet. Und dann?


Seine Geschäftsführerin Monika Berlik berichtet von immer neuen Problemfällen in der sozio-ökonomischen Beratung bei insgesamt 800 Milchviehhaltern: Eigenkapital ist oft kaum vorhanden; Landverkauf ist oft nur teilweise möglich, denn viele haben preisbegünstigt Flächen nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) gekauft. Diese unterliegen einem Veräußerungsverbot. Viele Betriebe überliefern in ihrer Not. Manche sind gleichzeitig im BDM organisiert, um endlich mehr politischen Druck zu erzeugen. Einen Widerspruch geben sie nicht zu. Die Lage ist ernst. Viele Förderanträge und Investitionspläne stammen aus dem letzten Jahr.


Betriebszweigabrechnungen der Milch­erzeugung aus 2008 für leistungsfähige größere Betriebe ergeben Vollkosten von etwa 30 bis 33 Cent je Kilogramm, die aus dem Nettoerlös der Milch zu decken sind. Die Betriebe in Ost und West unterscheiden sich da kaum. Die Varianz zwischen gut und schlecht geführten Unternehmen ist viel größer. Unter dem Strich fehlen zurzeit im Schnitt also mindestens 10 ct je kg Milch. Dieser Fehlbetrag ist insbesondere in stark gewachsenen Betrieben mit hohem Kapitaldienst existenzbedrohend.


Ringberater Dr.Uwe-Mike Bode vom Landwirtschaftlichen Beratungsring Roß-lau sieht die Lage für seine 80 Milchviehbetriebe nicht ganz so düster. Dennoch fordert er Politik und Wissenschaft auf, den Betrieben Perspektiven aufzuzeigen: „Die Schulden steigen wieder. Und die Politik tut zu wenig, die Betriebs­prämien schmelzen und die Betriebe werden zu wenig auf das Quotenende vorbereitet. Es fehlt ein Maßnahmen­-plan. Ich frage mich die ganze Zeit, wie eine faire Behandlung der Landwirte in einer Marktwirtschaft sichergestellt werden kann. Von den Meinungs-­bild­nern, allen voran der Wissenschaft, erwarte ich klare Vorstellungen, keine theoretischen abstrakten Modellrech­nungen oder Bekenntnisse zum ungehemmten Markt.“


Ostdeutsche Ackerbau­betriebe liegen vorn


Die aktuellen Probleme bei der Milch sind aber nur eine Momentaufnahme. Wie sehen die Ergebnisse im mehrjährigen Vergleich aus? Der Blick auf die Ergebnisse der Testbetriebe der Bundesregierung zeigt, dass die Gewinne der ostdeutschen Haupterwerbsbetriebe (Einzelunternehmen und Personengesellschaften) mit Schwerpunkt Ackerbau im Mittel der letzten drei Jahre zwischen 50 000 und 80 000 € lagen (Übersicht 2).


Im Durchschnitt – Brandenburg ausgenommen – wurden im Osten höhere Gewinne realisiert als in den westdeutschen Ackerbaubetrieben. Auch wenn die Testbetriebe nicht immer repräsentativ sind, die Tendenz stimmt. Die ostdeutschen Ackerbaubetriebe erzielen höhere Gewinne, weil sie u. a. geringere Pachtpreise zahlen und größenbedingte Vorteile bei den Kosten der Arbeitserledigung haben. Diese liegen im Osten bei etwa 500 bis 600 €/ha. Im Westen sind es zwischen 800 und 1 200 € pro Hektar. In diesen Zahlen spiegelt sich die bessere Flächenausstattung, aber auch eine tendenziell extensivere Fruchtfolge wieder. Deshalb sind die Gewinne je ha im Osten auch durchweg geringer als im Westen, was auch am geringeren Hackfruchtanteil liegt.


Aber der Gewinn ist nur eine Kennziffer des wirtschaftlichen Erfolgs. Erwirtschaften die Betriebe auch höhere Renditen bezogen auf den Kapitaleinsatz? Hier ist das Ergebnis noch deutlicher. Die Eigenkapitalrenditen der Testbetriebe liegen im Osten – Brandenburg wiederum ausgenommen – zwischen 3,6 % in Sachsen und respektablen 15 % in Mecklenburg-Vorpommern. Im Vergleich dazu erreichen die Betriebe im Westen nur zwischen 1 und 3 %. Doch Vorsicht: Die Eigenkapitalverzin­sung ist im Osten neben größenbedingten Vorteilen schlicht und einfach auch des­halb so viel höher, weil die Betriebe so wenig Eigenkapital haben.


Warum ist das so? Eine Ursache ist der höhere Pachtanteil. In den neuen Ländern haben die Betriebe durchschnittlich 70 bis 80 % ihrer Flächen gepachtet, im Westen sind es nur 50 bis 60 %. Deutlich niedrigere Bodenpreise im Osten sind ein weiterer Faktor, der in den Bilanzen der ostdeutschen Betriebe zu Buche schlägt. Darüber hinaus haben sie weniger Vieh und weniger Maschinen. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Im Westen haben die Betriebe durchschnittlich zwischen 6 000 € und 12 500 € Eigenkapital je ha, im Osten sind es nur 700 €/ha bis 1 900 €/ha, also nicht einmal 20 % dieses Betrages.


Mecklenburg an der Spitze


Bei den Milchviehbetrieben, die als Einzelunternehmen oder als GbR geführt werden, ist das Bild ähnlich. Die höchsten Gewinne wurden laut Agrarbericht in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt erzielt (Übers. 3). Auch bei der Eigenkapitalverzinsung liegen die Milchviehbetriebe in diesen Re­gionen deutlich vor den ande­ren Bundesländern. Im Prinzip sind dafür die gleichen Faktoren verantwortlich wie bei den Acker­baubetrieben. Die ostdeutschen Milchviehbetriebe haben größen­bedingte Kostenvor­teile bei der Arbeitserledigung, und sie zahlen niedrigere Pachtpreise als ihre westdeutschen Kollegen.


Bezogen auf den Hektar sind die Umsatzerlöse und die Gewinne im Osten aber geringer, weil flächenextensiver gewirtschaftet wird. Noch deutlicher als bei den Ackerbaubetrieben sind die Unterschiede beim Eigenkapitalbesatz. Während die westdeutschen Betriebe je nach Region im Durchschnitt über 8 000 bis 14 000 €/ha verfügen, sind es im Osten nur 800 bis 1 400 €/ha.


Diese niedrige Eigenkapitalausstattung ist allerdings auch ein Risiko für die Betriebe. In Zeiten schlechter Milchpreise wie zurzeit droht sehr schnell die Überschuldung. Hier sind die westdeutschen Betriebe mit ihrer höheren Eigenkapitalquote deutlich besser aufgestellt.


Auch Genossenschaften verdienen Geld


Nicht nur die Familienbetriebe, auch die Genossenschaften und GmbH haben in den vergangenen drei Jahren rentabel gewirtschaftet. Die Auswertung der Testbetriebe weist für 1 500 ha große Ackerbaubetriebe nach Abzug sämtlicher Löhne einen durchschnittlichen Jahresüberschuss von rund 112 000 € aus. Bei den Milchviehbetrieben mit durchschnittlich 1 100 ha und 550 Kühen sind es 123 000 €. Die sehr viel häufigeren Gemischtbe­triebe schafften sogar 133 000 € mit im Schnitt 1 500 ha und 340 Kühen.


Ackerbau- und Milchviehbetriebe erzielen eine akzeptable Eigenkapitalrendite von mehr als 5,5 %. Die Gemischtbetriebe liegen bei 4 %. Allerdings sind die Betriebe sehr stark abhängig von den Zahlungen der EU. Durchschnittlich haben die oben skizzierten Betriebe über 500 000 € pro Jahr an Direktzahlungen und Zuschüssen erhalten, um nach Abzug aller Kosten und Löhne am Ende einen Gewinn von im Mittel 120 000 € zu erreichen. Dies zeigt, wie anfällig diese Betriebe für Politikänderungen sind.


Interessant ist, dass die Genossenschaften und GmbH gegenüber den Einzelunternehmen und Personengesellschaften keine weiteren Größenvorteile realisieren können. Jedenfalls liegen die Kosten der Arbeitserledigung genauso hoch wie die der großen ostdeutschen Familienbetriebe. GmbH und Genossenschaften unterscheiden sich. Aber nicht so eindeutig. Genossenschaften haben mehr Eigenkapital – wen wundert’s.


Und wo drückt der Schuh?


Nach den Ergebnissen der Testbetriebe geben die ostdeutschen Betriebe viel Geld für Flächenkäufe aus. Bei den Genossenschaften und GmbH waren es in den Ackerbaubetrieben im Durchschnitt der letzten drei Jahre 90 000 € pro Jahr, in den Milchviehbetrieben 54 000 € und in den Gemischtbetrieben 70 000 €. Die Zahlen machen das gegenwärtige Kernproblem vieler Betriebe in den neuen Bundesländern deutlich. Die Flächenkosten drohen ihnen wegzulaufen.


Auch Landwirt Rüdiger Klamroth aus Börnecke (siehe Reportage auf Seite 54) hat in den letzten Jahren viel Energie in die Senkung der Produktionskosten gesteckt. Jetzt geht es vorrangig darum, die Flächen zu sichern. Von seinen 540 ha sind 440 ha gepachtet. Wenn einzelne Pachtverträge von privaten Landeigentümern auslaufen, wollen diese oft verkaufen. Beißt er nicht in den sauren Apfel und kauft, sind die Flächen weg. Aus bisher 200 €/ha Pacht werden dann schnell 500 bis 600 € an Kapitaldienst.


Die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) trägt ebenfalls nicht zur Marktberuhigung bei. Klamroth hat ein Schreiben der BVVG auf dem Tisch liegen, in dem ihm diese im Rahmen der alle drei Jahre möglichen Pacht­anpassung einen Preis von 6 € je Bodenpunkt vorschlägt – das entspricht einem Anstieg auf 370 €/ha. Aber er weiß auch, dass auf dem freien Markt vereinzelt noch höhere Pachten genannt werden.


Von der BVVG wollte er eigentlich 2009 weitere bisher gepachtete 20 ha begünstigt direkt ohne Ausschreibung kaufen. Selbst bei 35 % „Rabatt“ nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) ist ihm das aber inzwischen eigentlich zu teuer. Die Berufskollegen verderben ihm mit ihren hohen Geboten die Preise. Aber er wird wohl kaufen. Die Angst, die Flächen zu verlieren, ist zu groß. So handeln viele. Flächensicherung ist die vorrangige Strategie.


Auch Günther Fischer von der Agrarproduktions- und Handelsgenossenschaft e.G. (APH) Hinsdorf mit 10 700 ha sieht sein Hauptproblem in der Flächensicherung. Bis 2010 entzieht ihm die BVVG noch 900 ha, wenn er sie nicht kauft. Bisherige Ausschreibungen der 80-Punkte-Böden ergaben Kaufpreise von 15 000 €/ha. Verbilligte Käufe nach dem EALG waren aus gesellschaftsrechtlichen Gründen unmöglich. Und die Pachtpreise sind durch externe Bieter von früher knapp 3 € je Bodenpunkt auf inzwischen 5 bis 6 € pro Bodenpunkt gestiegen. Alle ostdeutschen Bauern stöhnen über steigende Boden- und Pachtpreise. Sie sind in Bewegung gekommen.


Bodenpreise steigen


Dabei waren die Bodenpreise nach der Wende zunächst über viele Jahre weitgehend konstant. Das Statistische Bundesamt weist für die neuen Bundesländer ohne Brandenburg von 1995 bis 2007 durchweg Preise zwischen 4 000 und 5 000 €/ha aus – bei nur leichtem Anstieg, für Brandenburg sind es rund 3 000 €/ha. Erst in den letzten zwei Jahren hat sich das grundlegend geändert. Der Trend geht steil nach oben. In 2007 hat die BVVG für Verkäufe nach Verkehrswert durchschnittlich 5 500 € erlöst, 2008 rund 6 300 €/ha und im ersten Halbjahr 2009 schon fast 8 400 € je ha. Das entspricht einem happigen Anstieg von über 50 % in zwei Jahren!


Die Preise liegen im Osten damit zwar noch immer deutlich unter den vergleichbaren Werten im Westen, wo zwischen 12 000 €/ha in Schleswig-Holstein und 27 000 €/ha in Nordrhein-Westfalen bezahlt werden müssen. Der entscheidende Unterschied ist aber, dass die Betriebe im Westen nicht kaufen müssen, um die Flächen zu halten. Das ist im Osten anders: Wer bei auslaufenden Pachtverträgen nicht kauft, ist häufig die Flächen los. Viele private Landeigentümer wollen nicht mehr verpachten. Und die BVVG muss sowieso verkaufen.


Für alle Betriebe, Wiedereinrichter genauso wie LPG-Nachfolgeunternehmen, ist diese Entwicklung höchst problematisch. Der Kapitalbedarf für den Flächenkauf belastet die Liquidität erheblich bis hin zur Existenzbedrohung. In der Folge steigen auch die Pachtpreise. Konsequenz: Es fehlt das Geld für kontinuierliche „echte“ Wachstumsschritte.


… und die Pachtpreise


Nicht viel anders verläuft die Entwicklung bei den Pachtpreisen. Grundsätzlich sind die Pachten in den neuen Ländern im Schnitt nach wie vor niedriger als im Westen. Im früheren Bundesgebiet mussten die Landwir­te 2007 für Neuverpachtungen im Durchschnitt 313 €/ha zahlen, in den neuen Bundesländern waren es bei der BVVG zwischen 150 € pro Hektar für den brandenburgischen Sand und knapp 250 € pro ha in Sachsen-Anhalt (siehe Übersicht 4).


Aber die Schere wird enger. Seit 2007 sind die Pachtpreise gewaltig in Bewegung geraten. So gibt die BVVG für das letzte Jahr einen durchschnittlichen Pacht­preis bei Neuverpachtungen von 266 gegenüber 186 € je ha in 2007 an. Das ist ein Anstieg um 44 %. Erst durch die niedrigen Milch- und Getreidepreise im laufenden Jahr hat sich der Markt wieder etwas beruhigt.


Viele Landwirte sehen die BVVG als Hauptverantwortlichen für die steigenden Pacht- und Bodenpreise. Sicher hat die BVVG dazu ihr Scherflein beigetragen. Aber eine einseitige Schuldzuweisung ist zu einfach. Es gibt eine ganze Reihe weiterer Faktoren, die sich teilweise überlagert und dadurch verstärkt haben:


Die hohen Rohstoff- und Agrarpreise in 2007 und 2008,


der Zwang zur Flächensicherung und Arrondierung der bisherigen Pächter,


das gewählte öffentliche Ausschreibungsverfahren der BVVG und die damit verbundene hohe Markttransparenz. Große zusammenhängende Flächen werden plötzlich auch für entfernt wirtschaftende Landwirte interessant.


Der Ausbau der Bioenergie und die Bereitstellung der dafür notwendigen Flächen,


die Inanspruchnahme von Flächen für Infrastruktur, Siedlungen, Gewerbe, Verkehr sowie Naturschutz und Freizeit und


die wachsende Nachfrage nach Agrarflächen durch kapitalkräftige externe Investoren und Fonds.


Besonders sauer stößt es den Landwirten auf, wenn sie mit kapitalkräftigen Investoren, die bislang nichts mit Landwirtschaft am Hut haben, um die knappen Flächen konkurrieren müssen.


Der Niederländer Siek Postma, der mit seiner deutschen Frau in Lambrechtshagen bei Rostock einen Milchviehbetrieb aufgebaut hat, zählt die Unternehmen auf, die in den letzten Jahren in seiner Region Flächen gekauft haben sollen: Merkle von Ratiopharm, Agro Energy, Müll-Rethmann und BrilleFielmann. Hinzu kommt der Flächenhunger der Biogasanlagen in Penkuhn und Güstrow. Da ist ein Milchviehbetrieb nicht mehr konkurrenzfähig, wenn er nur 20 Cent für den Liter Milch bekommt.


Das bleibt festzuhalten


Kein Zweifel, die guten Betriebsstrukturen im Osten sind ein Standortvorteil. Betriebe, die ihr Handwerk verstehen, kön­nen aufgrund ihrer Größe erhebliche Kostenvorteile realisieren. Dies ist in den letzten Jahren besonders den Familienbetrieben und GbR gelungen. Aber auch gut geführte Genossenschaften und GmbH haben in der Vergangenheit Geld verdient. Ob das so bleibt, wenn die Direktzahlungen zurückgehen, wird sich noch zeigen müssen. Nicht vergessen werden darf, dass die Genossenschaften ein wichtiges soziales Bindeglied im ländlichen Raum darstel­len. Übers Geld verdienen hinaus sichern sie Arbeitsplätze im ländlichen Raum und beteiligen die Mitarbeiter als Mitglieder und Eigentümer am Unternehmen


Die fast durchweg dünne Eigenkapitaldecke der ostdeutschen Betriebe ist vor allem in Zeiten niedriger Preise ein Risiko, das die westdeutschen Betriebe in dieser Form nicht haben. Hinzu kommt, dass Fremdlöhne und Pachten regelmäßig bezahlt werden müssen. Im Vergleich dazu kann der westdeutsche Familienbetrieb Lohn- und Zinsansprüche bei schlechten Preisen zumindest zeitweise zurückstellen. Ostdeutsche Betriebe sind daher schneller von Liquiditätsengpässen und Überschuldung bedroht. Bleibt zu hoffen, dass die Banken in den nächsten Monaten stillhalten.


Ein weiteres Kernproblem sind die in den neuen Ländern rasant steigenden Pacht- und Bodenpreise. Wer seine bisher gepachteten Betriebsflächen sichern will, muss in vielen Fällen kaufen, sonst ist er sie los. Das kostet viel Geld, das sich im Moment am Markt nicht verdienen lässt.


Wie unterschiedlich sich die Betriebe nach der Wende entwickelt haben und wie es dabei den Familien ergangen ist, zeigen unsere Praxisreportagen ab Seite 46 und 136.

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