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Ist die Tierhaltung schuld am Hunger?

Lesezeit: 5 Minuten

Weniger Tierhaltung gleich weniger Hunger – diese Gleichung geht so nicht auf. Das wurde bei der Diskussion „Landwirtschaft im Dialog“ von top agrar Mitte September deutlich.


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Hungern in der Welt weniger Menschen, wenn wir in Deutschland weniger Tiere halten? Darüber diskutierte top agrar in Berlin mit den Agrarsprechern der Bundestagsfraktionen, Landwirten und Wissenschaftlern im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Landwirtschaft im Dialog“ (LiD).


Prof. Martin Banse vom Thünen Institut in Braunschweig sieht derzeit keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Getreideeinsatz im Futtertrog und dem Hunger in der Welt. Rein rechnerisch stehe weltweit – egal ob für Trog, Teller oder Tank – genügend Getreide zur Verfügung. Das Problem sei die ungleiche Verteilung und nicht jeder könne sich die Nahrungsmittel noch leisten, gab er zu bedenken.


Kommen STAATLICHE VORGABEN?


Dem pflichtete Prof. von Cramon-Taubadel von der Universität Göttingen bei. „Hunger ist immer ein mehrdimensionales Problem“, so der Wissenschaftler. In vielen Ländern seien die Menschen nicht nur arm, hinzu kämen kriegerische Auseinandersetzungen, die zu Versorgungs- bzw. Verteilungsproblemen führten. Aus seiner Sicht wäre es daher falsch, allein die Tierhaltung für die Probleme verantwortlich zu machen. Allerdings lasse sich nicht leugnen, dass weltweit der Fleischkonsum zunehme, was die Nachfrage nach Futtergetreide anheize und die Getreidepreise nach oben treibe. Für die die ärmere Bevölkerung wird das zu einem Problem werden.


Sollte also die deutsche Regierung die Tierbestände hierzulande deutlich herunterregulieren, um einen Beitrag zur Welternährung zu leisten? Für Schweinehalter und DLG-Vizepräsident Philipp Schulze-Esking ist das keine Lösung. Entgegen dem weltweiten Trend sinke der Fleischkonsum hierzulande und darauf würden Landwirte reagieren. „Wenn der Verbrauch von Schweinefleisch sinkt, werde ich mir als Unternehmer Gedanken machen müssen, wie ich meinen Betrieb künftig ausrichte“, so Schulze-Esking. Ähnlich sah es Ackerbauer Marcus Horsch. Als Beispiel nannte er seinen Betrieb, der vor Jahrzehnten von Schafhaltung mit erfolgreicher Vermarktung von Wolle auf Ackerbau umgestellt wurde. „Wenn Tiere in Deutschland nicht mehr gewünscht sind, produzieren wir eben Futtermittel für die Regionen, wo die Tiere dann leben.“


Milchviehhalterin Lena Timmermann verwies in der Debatte darauf, dass man die Tierhaltung heutzutage nicht nur auf Problemfelder reduzieren dürfe. Tiere seien auch ein Teil der Lösung. Wirtschaftsdünger z.B. sei nicht nur wegen der hohen Mineraldüngerkosten ein gefragtes Düngemittel. Gülle und Mist verbesserten auch die Bodenstruktur und förderten das Bodenleben. Und die Milchviehhalterin rief dazu auf, bei der Diskussion um den Klimaschutz die Grünlandflächen nicht zu übersehen. Für deren Bewirtschaftung sei das Rindvieh unerlässlich.


Prof. von Cramon-Taubadel gab in diesem Zusammenhang auch zu bedenken, dass ein Bestandsabbau ohne einen gleichzeitig sinkenden Fleischkonsum nur die Importe anheize. Also würden sich die Probleme nur verlagern.


Man könne an der Tierhaltung hingegen effektiver etwas ändern, wenn es ein europaweites Konzept gäbe. Nationale Tierwohlprogramme unterliefen sowohl den einheitlichen Binnenmarkt als auch die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Landwirtschaft, warnte er. „Mir wäre es lieber, wenn wir EU-weit 40% von den Borchert-Plänen umsetzen würden, anstatt ewig ergebnislos über 100% nur in Deutschland zu diskutieren“, so der Agrarökonom.


Lebhaft wurde es vor allem, als die agrarpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen in die Diskussion einstiegen. Albert Stegemann von der CDU machte darauf aufmerksam, dass ein Großteil der Biomasse nur über den Tiermagen für den menschlichen Verzehr aufbereiten ließe. Das gelte nicht nur für Schweine, sondern vor allem für Rinder. „Wenn man sich vor Augen führt, dass in Deutschland fast ein Drittel der Nutzfläche Grünland ist, wird schnell klar, welche Bedeutung die Rindviehhaltung hat“, so Stegemann.


Zoe Mayer von Bündnis90/Die Grünen und Agrarsprecherin Ina Latendorf von den Linken überzeugte die Argumentation nur teilweise. Beide fordern einen deutlichen Abbau der Tierbestände. Während Latendorf vor allem den Um- und Abbau aus Tierwohlperspektive verteidigte, ging es Mayer vor allem um den Klimaschutz. Sie berief sich auf eine Studie des Ökoinstituts, nachdem sich die deutschen Klimaziele nur erreichen ließen, wenn die Nutztierhaltung um zwei Drittel zurückgefahren würden.


Diskussion zur UnZeit


Ganz so weit wollte Susanne Mittag von der SPD nicht gehen. Sie forderte eine differenzierte Debatte und verwies u.a. auf die unterschiedlichen Bedingungen im Ackerbau. Gero Hocker von der FDP stand der Debatte um Teller, Tank und Trog sehr kritisch gegenüber. „Global wächst die Bevölkerung, da wirken die Extensivierungsdiskussionen hierzulande und in Brüssel wie aus der Zeit gefallen“, so Hocker. Er verwies darauf, dass die Nahrungsmittelproduktion in Deutschland zwar sehr effizient aufgestellt ist. „Doch da geht noch mehr“, so Hocker. Unter anderem fordert er, sich stärker auf innovative Züchtungsmethoden und modernen Pflanzenschutz zu fokussieren.


Aus Sicht von Stephan Protschka von der AfD darf sich die Diskussion nicht nur auf die Tiere selbst beschränken. Er betonte, wie wichtig die heimische Versorgung mit tierischen Düngemitteln geworden ist. „Wir produzieren hierzulande nicht nur gute Nahrungsmittel, sondern dank der Tierhaltung auch wertvollen Wirtschaftsdünger“, so der Bundestagsabgeordnete.


In der Kritik steht auch der Anbau von Biomasse für die Kraftstoffproduktion. „Wenn die Elektromobilität in Zukunft mehr Bedeutung bekommen wird, brauchen wir noch Biosprit für den Schwerlast- und Schiffsverkehr“, stellt Claudius da Costa Gomez klar. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energien betonte, dass E-Fuels auf Basis von Wind- und Solarstrom oder Wasserstoff bislang allenfalls eine Zukunftsoption seien, während es Biokraftstoffe heute schon gäbe. Zudem sei Biogas aktuell eher der Billigmacher im Gasnetz. Das Potenzial der deutschen Biogasanlagen ließe sich laut da Costa Gomez allein mit der der Nutzung von Reststoffen wie Gülle oder Nebenprodukten verdoppeln.


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