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Viel Geld in den bulgarischen Sand gesetzt

Lesezeit: 9 Minuten

Der redegewandte Makler lockte mit tiefschwarzen Böden und lukrativen Pachtverträgen. Doch bald kam für die Landwirte die bittere Ernüchterung.


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Diesen Fehler werde ich sicher kein zweites Mal machen“, versichert Landwirt Anton Reisinger aus Niederösterreich. Er hatte in Bulgarien Ackerland gepachtet und verlor mit der Zeit über 200 000 € an den Makler. Daraus folgten Strafanzeigen und Untersuchungshaft. Ein Ende des Verfahrens ist noch nicht in Sicht.


Doch der Reihe nach: 2007 ging das von Landwirt Reisinger in Aktien angelegte Ersparte im Zuge der Wirtschaftskrise auf Talfahrt. Der Inhaber eines 60 ha-Ackerbaubetriebes mit 400 Mastschweinen nahe St. Pölten in Niederösterreich entschied sich, sein verbleibendes Geld in den „sicheren Hafen“ Grund und Boden anzulegen.


Anfang 2008 stieß er über eine Zeitungs-Anzeige auf Heinz L., der Landwirten die Verpachtung und sogar die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen in Bulgarien anbot. Die Erzählungen von L. am Telefon über beste Böden in Varna nahe des Schwarzen Meeres klangen für Reisinger so vielversprechend, dass er kurz darauf zu Vertragsverhandlungen aufbrach. Auf seinem Anwesen über dem Lago Maggiore nahe Lugano nahm ihn L. in Empfang. Von hier aus wickelt L. seine Geschäfte in Osteuropa ab.


Der redegewandte Flächenmakler konnte den österreichischen Landwirt mit seinen Argumenten schnell überzeugen. Er erklärte, dass er schon seit 1999 in Bulga­rien Flächen verpachte. Reisinger könne beim Einstieg in die bulgarische Landwirtschaft mit ihm als Partner sprachlichen, kulturellen oder organisatorischen Hürden aus dem Weg gehen.


Geblendet von den tiefschwarzen Böden?


Zudem machte er Reisinger das Angebot, vor Ort für ihn die gesamte Bearbeitung des Bodens, die Beschaffung und Ausbringung von Dünger, Spritzmitteln und Saatgut, die Überwachung der Kulturen sowie die Ernte und den Verkauf zu übernehmen. Reisingers Rolle beschränkte sich im Wesentlichen auf die des Geldgebers.


Als L. dem österreichischen Landwirt auch noch einen Film mit „seinen“ tiefschwarzen Böden zeigte, war es um Reisinger geschehen: „Auf mich machte L. anfangs einen absolut seriösen Eindruck“, so der Landwirt. Er entschloss sich, rückwirkend zum 1. November 2007 einen fünfjährigen Pachtvertrag über 260 ha Ackerfläche inklusive der gesamten Bewirtschaftung nahe des Schwarzen Meeres abzuschließen.


Reisinger vereinbarte mit L. die ausschließliche Bestellung der Flächen mit Körnermais. L. rechnete hierfür in Anlehnung an das Jahr 2007 variable Kosten von 345 €/ha vor. Hinzu kamen die weiteren im Pachtvertrag vereinbarten Zahlungsverpflichtungen: Pacht, eine so genannte Basisgebühr sowie die Kosten für die Bearbeitung und Ernte der Flächen.


Die Gesamtsumme von knapp 700 €/ha hätte Reisinger nach seinen Berechnungen genug Spielraum für gute Gewinne gelassen. Dabei ging er von einer Ertragserwartung von 9 t Mais aus, für die er mit einem Erlös (inkl. Flächenförderung) von etwa 1 000 €/ha rechnete – ein Gewinn von knapp 80 000 € pro Jahr.


60 000 € zu Vertragsbeginn


Auch einige Details im Vertrag machten Reisinger zunächst nicht sonderlich stutzig. So wurde festgehalten, dass 50 % der jährlichen Pachtsumme (19 500 €) bei Vertragsabschluss, die zweite Jahresrate bis zum 31. Oktober 2008 fällig wurden. Des Weiteren musste Reisinger die gesamte Basiszahlung für die fünf Jahre in Höhe von knapp 32 000 € schon bei Vertragsabschluss zahlen. Zudem wurden 50 % der Bearbeitungsdienstleistungen (10 400 €) ebenfalls schon zu Vertragsbeginn fällig. Somit hatte Reisinger bereits über 60 000 € auf das Konto L.’s zu überweisen, ohne dass dieser auch nur einen Handschlag am Acker getan hatte.


Ende März 2008 reiste Reisinger erstmals nach Varna, um sich die Flächen direkt vor Ort anzuschauen. Dabei bekam er ein erstes mulmiges Gefühl: „Plötzlich erklärte mir L., dass auf 70 der 260 ha bereits Gerste stünde und damit nur 190 ha mit Mais bestellt werden könnten.“


Noch stutziger aber machte Reisinger, dass L. ihm keine Parzellennummern nennen und zeigen konnte: „Ich wusste gar nicht, welches tatsächlich meine Flächen waren.“ Und die Flächen, die L. ihm zeigte, hatten laut Reisinger auch nicht die vorab versprochene Qualität. „Mir wurden Flächen mit der Bonität 2 bis 3 zugesagt. Die Stücke, die ich zu sehen bekam, hatten nur 3er bis 4er-Qualität.“


Vollends den Glauben an sein „Projekt Bulgarien“ verlor Reisinger dann nach Beginn der Frühjahrsbestellung. Denn es verging fast kein Tag, an dem nicht per Fax Rechnungen von L. ins Haus flatterten. Denn auch dies war im Pachtvertrag festgehalten: Ob für Aussaat, Düngung, Spritzung, Ernte etc. – „Zahlungstermin sofort nach Rechnungsstellung“. In kürzester Zeit war ein Wert erreicht, der die aus dem Jahr 2007 angesetzten Kosten bei weitem überstieg.


Über 230 000 € überwiesen


„Es hieß immer nur, die Dieselkosten seien gestiegen, der Dünger teurer als angenommen etc.“, so der Landwirt. Und er zahlte anfangs brav Rechnung um Rechnung. Erst im Juli 2008, als ihm die Kos­-ten dann vollends über den Kopf wuchsen, stellte er die Zahlungen an L. ein. Reisinger: „Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich eine Gesamtsumme von 234 000 € an L. überwiesen.“


Kurz zuvor war Reisinger ein zweites Mal nach Bulgarien gereist, um sich über die Entwicklung der Bestände zu informieren. „Mich hat fast der Schlag getroffen“, erinnert sich Reisinger. Als er Anfang August noch ein drittes Mal vor Ort war, standen in manchen Maisschlägen sogar Brombeersträucher. Für den Landwirt völlig unerklärlich, zumal sich L. für „die Maisaussaat extra eine moderne Direktsaatmaschine für etwa 100 000 € gekauft hatte und eine höhere Stickstoffdüngung von 150 kg Rein-N abgesprochen war“.


Wie dem auch sei: Am Ende bekam Landwirt Reisinger von der Ernte bzw. den Einnahmen daraus ohnehin nichts zu sehen. Das Geld behielt Verpächter L. für sich. Er stellte nämlich die nach Einstellung der Zahlung von Reisinger im Juli aufgelaufenen Kosten den Erlösen gegenüber. Und siehe da: Die offenen Rechnungen von Reisinger machten genau so viel aus wie die von L. angeführte Summe der Erlöse, nämlich rund 64 000 €. „Dabei rechnete L. mit einer Erntemenge von 2,3 t bei Mais und 2 t bei Gerste“, so Landwirt Reisinger. „Ich habe aber zumindest die Gerste auf mindestens 3,5 t Ertrag geschätzt. Auch der Mais dürfte einen höheren Ertrag gebracht haben.“


„Witterung schuld“


Das einzige, was Reisinger von seinem Verpächter bekam, war die im Pachtvertrag festgelegte Zahlung von EU-Förderungen. Doch selbst von dieser behielt L. die Hälfte zurück und zahlte an Reisinger nur 13 000 €. Für den niederösterreichischen Landwirt blieb unterm Strich ein gewaltiges Minus von über 220 000 €.


Der Verpächter L., den top agrar direkt in seinem Anwesen am Lago Maggiore zu dem Fall befragte, zeigte sich von diesen Verlusten wenig beeindruckt. „Ich bin schon seit 1999 in Bulgarien aktiv und kenne mich entsprechend aus“, versichert L. Reisinger habe doch vorab alles besichtigt, da sei schließlich noch alles in Butter gewesen.


Im Nachhinein sei es mit Landwirt Reisinger einfach nur schlecht gelaufen. „Alles wurde auf Heller und Pfennig abgerechnet“, behauptet L. „Wir haben die gesamte Ernte gewogen, dafür gibt es ja auch entsprechende Wiegescheine.“ Schuld an Reisingers Pech seien einzig die Niederschläge 2008. Aber es stünde sogar im Pachtvertrag, dass wetterbedingte Ertragsminderungen nicht zu Lasten des Verpächters gingen. Nicht zu vergessen seien auch die stark gefallenen Preise.


Strafanzeige und Untersuchungshaft


Jedoch fühlte sich Reisinger betrogen und schaltete noch im Sommer 2009 Rechtsan-wälte in Wien und Lugano (Schweiz) ein. Am 1. Oktober 2009 wurde bei der Staatsanwaltschaft Lugano Strafanzeige gestellt. Nur kurze Zeit darauf folgte eine weitere Anzeige gegen L. wegen eines ganz ähnlichen Falles (s. Kasten).


Staatsanwältin Fiorenza Bergomi aus Lugano nahm L. daraufhin am 12. November 2009 in Untersuchungshaft. Sämtliche Konten in der Schweiz wurden gesperrt. „Auch einige Autos von L., u. a. ein Ferrari, wurden damals beschlagnahmt“, so Reisingers Rechtsanwältin in Lugano, Maria Galliani. Erst nach neun Tagen kam L. wieder auf freien Fuß. „Die Staatsanwaltschaft war damals zu dem Schluss gekommen, dass keine Flucht- bzw. Verdunkelungsgefahr besteht“, so die Rechtsanwältin.


1,7 Mio. Franken eingezahlt


Bei der Überprüfung der Konten von L. ist laut Galliani festgestellt worden, dass aus mehreren Quellen ca. 1,7 Mio. Schweizer Franken (sFr) eingezahlt wurden (1 € ? 1,3 sFr). „Alle ausfindig zu machenden Personen wurden angeschrieben“, so die Anwältin. „Es dürfte noch weitere Geschädigte geben.“


Der Verbleib des Geldes ist laut Galliani noch nicht restlos aufgeklärt: „Etwa 1,2 Mio. sFr hat L. nach eigener Aussage auf ein Konto seiner Gesellschaft in Bulgarien transferiert, weitere 100 000 Franken seien sein Gehalt gewesen, mit 200 000 Franken hat er eigene Schulden beglichen und den Rest hat L. als Reisespesen abgerechnet.“ L. habe in den Verhören außerdem erklärt, dass er mit dem transferierten Geld u. a. auch Maschinen in Bulgarien gekauft hätte.


Zusätzlich merkt Rechtsanwaltin Galliani an: „Das Konto in Bulgarien ist noch nicht gesperrt worden, obwohl dies bei der Staatsanwaltschaft in Lugano beantragt worden ist.“ In der Schweiz sei laut der Rechtsanwältin bei L. jedenfalls nur wenig Geld gefunden worden. Im Gegenteil: L. habe hohe Schulden.


Landwirt Reisinger wartet jetzt bereits seit über einem Jahr darauf, dass es in dem Verfahren weitergeht. Das Problem sind die Zuständigkeiten: Es ermittelt eine Staatsanwaltschaft in der Schweiz über Fakten, die hauptsächlich in Bulgarien stattgefunden haben, bei denen noch dazu ein Landwirt aus Österreich involviert ist. Aktuell ist offensichtlich wieder Bewegung in den Fall gekommen. Laut Maria Galliani soll demnächst die Staatsanwaltschaft ein Rechtshilfeersuchen an Bulgarien stellen. Darin wird laut Galliani u. a. um Auskunft darüber gebeten, ob L. oder seine Gesellschaft Geld in Bulgarien besitzt. Außerdem geht es darum, was seit der Entlassung von L. aus der U-Haft mit den Maschinen passiert ist, die er nach eigener Auskunft in Bulgarien besitzt.


Warten auf Bulgarien


Wichtig für die Klärung des Falles ist laut Galliani auch, zu erfahren, „ob L. oder seine Gesellschaft tatsächlich die weiter verpachteten Flächen in Besitz hatte.“ Laut der Rechtsanwältin liegt der Staatsanwaltschaft Lugano ein mutmaßliches Schreiben des bulgarischen Ministeriums für Landwirtschaft vor, wonach L. von 2008 bis 2009 nur mit einer Fläche von rund 100 ha als Erzeuger angemeldet war.


Erst wenn die anzufordernden Auskünfte aus Bulgarien vorliegen, wird darüber entschieden, ob es zu einer Anklage gegen L. wegen Betruges kommen wird. Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung. Da es sich für Reisinger laut seiner Rechtsanwältin kaum lohnen dürfte, zivilrechtlich gegen L. vorzugehen, kann es dem Landwirt im Endeffekt wohl ohnehin nur mehr ums Recht gehen. Torsten Altmann

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