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„Wasserschutz geht auch ohne Megaprojekt“

Lesezeit: 5 Minuten

Ein bis zu 300 ha großer Schilfpolder soll für weniger Phosphat im Dümmer-See sorgen. Doch die Landwirte bezweifeln, dass der Polder funktioniert. Auch deshalb kämpfen sie.


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Wir wollen tun, was wir können, aber einen Polder, der mindestens 120 und im schlechtesten Fall bis zu 600 ha Land verbraucht und am Ende vielleicht gar nicht funktioniert ­– den können wir hier nicht gebrauchen!“ Andreas Kroll, Sauenhalter und Vorsitzender des Landvolks Wittlage in Niedersachsen ist auf diese Gewässerschutzmaßnahme für den Dümmer zurzeit gar nicht gut zu sprechen. Dabei sieht auch er, dass die Phosphorbelastung im See sinken muss: „Wenn der See wegen der Algenblüte umkippt und tote Fische auf dem Wasser treiben, ist das kein schöner Anblick“, berichtet er und ergänzt: „Ganz zu schweigen von den pauschalen Beschimpfungen, die wir Landwirte dann zu hören bekommen.“


Kroll bewirtschaftet mit 200 Sauen und 70 ha einen veredlungsintensiven Familienbetrieb, genauso wie die anderen drei Betriebsleiter, die zum top agrar-Ortstermin im niedersächsischen Hunteburg erschienen sind. Sie vertreten rund 600 andere Landwirte, die im 324 km2 großen Einzugsgebiet der Hunte, dem Hauptzufluss des Dümmer Sees, wirtschaften.


Die neuen Pläne zur Dümmersanierung des Landes Niedersachsen treffen sie ins Mark: Denn aus der Hunte kommt ein Großteil des Phosphats, das im Dümmer für Probleme sorgt. Wobei der Fluss nicht übermäßig belastet ist, wie Mäster Stefan John aus Hunteburg erklärt: „Das Hunte-Wasser enthält nicht mehr Phosphat als vergleichbare Flüs­se – das empfindliche Ökosystem des Dümmers verträgt bloß deutlich weniger.“ Auch stammt das überschüssige Phosphat nicht allein aus der Landwirtschaft: Das Moor mit geringer Phosphorhaltekraft und die Hausklärwerke liefern ebenfalls kleinere Anteile.


Immenser Flächendruck:

Um dem kranken See zu helfen, verfolgt die niedersächsische Landesregierung einen 17-Punkte-Plan. Hauptkritikpunkt für die Landwirte ist der Flächenverbrauch für den Schilfpolder: Damit sich der Phosphor absetzen kann, wird der ganze Hunte-Fluss durch ein zunächst 120 ha großes, mit Schilf bewachsenes, künstliches Feuchtgebiet umgeleitet. Eine zweite und dritte Ausbaustufe bis auf 293 ha sind geplant, falls der Phosphorwert im Dümmer nicht genügend sinkt.


Die Landwirte fürchten zudem, dass für das Erdbecken Ausgleichsflächen als Kompensation für den Naturschutz nötig sind. Uwe Schenke, Sauenhalter aus Hunteburg, erklärt: „Bislang wird zwar signalisiert, dass keine Ausgleichsflächen für den Polder nötig sind – eine rechtsverbindliche Auskunft fehlt aber. Dabei könnte es sich um mehrere hundert Hektar handeln.“ Und das, obwohl der Druck auf dem Bodenmarkt in der veredlungsintensiven Region bereits hoch ist, auch durch andere Bauprojekte.


Ob der Schilfpolder überhaupt funktioniert scheint den Landwirten dabei zweifelhaft. Eine Horrorvision wäre für sie, dass das geschätzt 20 Mio. € teure Bauwerk ausgerechnet bei extremen Starkregen mit hohen Phosphor-Einträgen aus Erosion und Abschwemmung nicht das gesamte Hunte-Wasser fassen kann. „Dann rauscht der meiste Phosphor am Polder vorbei direkt in den Dümmer“, so Andreas Kroll und fügt hinzu: „Solange unklar ist, ob der Polder bei Starkregen funktioniert, werden wir gegen ihn ankämpfen.“


Trotz der Befürchtungen der Landwirte treibt der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) die Planungen für den Schilfpolder weiter voran: Die Bewirtschaftungsmaßnahmen allein könnten die Probleme langfristig nicht lösen, der Polder als technische Maßnahme sei zusätzlich erforderlich.


Kein Geld in Sicht:

Auch die Landwirte wissen, dass die Phosphor-Belastung sinken muss. Sie vertrauen jedoch nicht auf den technischen Gewässerschutz. Sie wollen vielmehr schnell die Bewirtschaftungs-Maßnahmen des 17-Punkte- Plans auf ihren Flächen umsetzen, um die Phosphat-Abschwemmungen bzw. -erosionen in die Hunte von vorneherein zu vermindern. Der größte Hemmschuh für die Umsetzung ist zurzeit aber das Geld, erzählt Andreas Kroll: „Wir stehen in den Startlöchern, aber vom Land kommt nichts!“ Auch Uwe Schenke kritisiert: „Wir fühlen uns von der Politik regelrecht ausgebremst!“


Maßgabe der Landesregierung ist bislang, mit Ackerrandstreifen, Zwischenfruchtanbau, Strip Till etc. den landwirtschaftlichen Phosphat-Austrag in die Hunte um 30 % zu senken. Der eigens eingestellte Gewässerschutzberater der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in Osnabrück, Raimund Esch, erklärt das Konzept aus dem 17-Punkte-Plan: „Wir setzen auf die Verminderung von Phosphor-Erosionen und -Abschwemmungen mit freiwilligen Maßnahmen.“


Diese erarbeiten die Landwirte gemeinsam mit dem für sie kostenlosen Berater. Zu berücksichtigen sind dabei wissenschaftliche Untersuchungen und die jeweiligen Bodenverhältnisse. Für die freiwillige Umsetzung erhalten die Landwirte eine Entschädigung für mögliche Ertragsverluste, aber auch für den eventuell erhöhten Aufwand. „Dagegen sperren wir uns ganz und gar nicht“, so Uwe Schenke. Die Landwirte haben sogar bereits eine Kooperation gegründet, um besser vernetzt zu sein.


Neben dem fehlenden Geld hapert es aber auch an der Kommunikation, findet Mathias Westermeyer aus Bohmte: „Vieles erfahren wir nur häppchenweise oder durch Zufall – und das, obwohl wir uns bemühen, bei möglichst allen Veranstaltungen dabei zu sein.“ Die Landwirte wollen vor allem standardisierte Schutzmaßnahmen verhindern: „Nicht jede Maßnahme ist auf jeder Fläche sinnvoll“, erläutert Landwirt Kroll: „Würden wir alle Gräben mit Ackerrandstreifen versehen, fielen allein im Einzugsgebiet weitere 900 ha aus der Produktion – möglicherweise ohne den gewünschten Effekt.“


Gesa Harms

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