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Agravis Finanzvorstand: "Im Verbund in die Zukunft"

Am Jahresende geht mit dem Finanzvorstand Johannes Schulte-Althoff ein Agravis-Urgestein in den Ruhestand. Er hat bewegende Zeiten erlebt, sieht das Unternehmen für die Zukunft aber gut aufgestellt.

Lesezeit: 7 Minuten

Schon jetzt verkauft Agravis weniger Mischfutter, Dünger sowie Pflanzenschutzmittel und dieser Rückgang wird sich fortsetzen, sagt Finanzvorstand Johannes Schulte-Althoff im Interview mit dem Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben. Perspektivisch müsse man vermutlich auch Überkapazitäten abbauen.

Wochenblatt: Herr Schulte-Althoff, seit der Fusion der Raiffeisen Central-Genossenschaft Nordwest und der Raiffeisen Hauptgenossenschaft Nord zu Agravis im Jahr 2004 hat sich der Umsatz auf heute 6,5 Mrd. € verdoppelt. Was waren die wesentlichen Umsatztreiber?

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Johannes Schulte-Althoff: Es waren mehrere: Zum einen haben wir das Geschäft mit den Genossenschaften in den Sektoren Pflanze sowie Tiere stetig ausgeweitet. Und wir haben sie auch an unseren Mischfutterwerken beteiligt, was letztlich die Produktions- und Absatzmengen gesteigert hat und dauerhaft sichert. Zum anderen haben wir als neues Produkt die Dienstleitung bzw. Beratung für Landwirte eingeführt.

In der Landtechnik konzentrieren wir uns auf die drei Kernmarken Fendt, Claas sowie New Holland, das hat uns zu einer starken Marktstellung verholfen. Eine richtige strategische Entscheidung war zudem, dass wir die Raiffeisen-Märkte in den Fokus genommen haben und heute mit rund 400 Märkten im Terres-Kooperationsmodell gut in der Fläche aufgestellt sind.

Und nicht zuletzt sind wir durch Akquisitionen gewachsen. Daneben waren mir aber auch immer die Mitarbeiter und eine funktionierende Unternehmenskultur wichtig, die wir unter dem neuen Agravis-Dach entwickeln durften.

Regionale und spartenspezifische Unterschiede im Wachstum

Gibt es regionale Unterschiede beim Wachstum?

Johannes Schulte-Althoff: In Ostdeutschland sind wir stärker gewachsen, vor allem durch Übernahmen. Dort erzielen wir mehr als 1 Mrd. € Umsatz. Ansonsten verteilt sich das Wachstum relativ gleich auf die genossenschaftlichen Regionen Hannover, Emsland/Oldenburg sowie Westfalen. Ein Beleg, dass die Fusionen richtig waren. Und ein Zeichen, dass wir als Vorstand gut zusammenarbeiten und als Team agieren – in der Vergangenheit und jetzt.

Welche Sparten haben enttäuscht?

Johannes Schulte-Althoff: Keine, weil alle zugelegt haben. Bei Energie haben wir keine Sprünge gemacht, sind aber grundsolide aufgestellt. Hier konkurrieren wir allerdings auch mit großen Konzernen wir Aral oder BP. Wir schaffen es aber, Alternativen wie Holzpellets auf den Markt zu bringen und gleichen damit Rückgänge beispielsweise bei Heizöl aus.

Zur Person

Johannes Schulte-Althoff ist am 11. Juni 1957 geboren, verheiratet und hat vier Kinder. Er ist auf einem Hof aufgewachsen, den heute sein jüngster Bruder betreibt. Nach Ausbildung und Bundeswehr hat er 1981 beim Westfälischen Genossenschaftsverband Münster angefangen. 1992 ist er zur Raiffeisen Central Genossenschaft Münster gewechselt und hat mehrere Führungspositionen durchlaufen. Seit der Fusion 2004 zu Agravis ist er Vorstandsmitglied. Er geht zum Jahresende in den Ruhestand. Sein Nachfolger ist Vorstandsmitglied Hermann Hesseler. Schulte-Althoff freut sich, künftig mehr Zeit für seine Hobbys Fahrradfahren sowie Jagen zu haben, will auf dem landwirtschaftlichen Betrieb seiner Familie unterstützen und vor allem mehr Zeit mit seinen sieben Enkelkindern verbringen.

Zwischen Rücklagen und Investitionen

Als „Finanzminister“ waren Sie Herr der Zahlen. Landwirte und Aktionäre haben da unterschiedliche Sichtweisen und Forderungen. Wie war Ihre Herangehensweise?

Johannes Schulte-Althoff:Klar, auf der einen Seite musste ich das Geld zusammenhalten, auf der anderen Seite aber auch die Kartusche aufmachen für Investitionen in das Kerngeschäft. Rund 60 % der Aktien liegen bei den Genossenschaften und damit indirekt auch bei den Landwirten. Sie haben den gleichen Blick. Aber wir haben natürlich auch außerlandwirtschaftliche Aktionäre und Mitarbeitenden-Aktionäre. Unser Ziel war und ist, jedes Jahr eine Dividende zu zahlen. Das schafft Vertrauen.

Diese Dividendenzahlung ist uns mit einer Ausnahme immer gelungen. Und wir investieren jedes Jahr, mindestens in Höhe der Abschreibungen. Die Investitionen fließen in die Schlagkraft des Unternehmens, davon profitieren natürlich auch die Landwirte. Zusammengefasst: Agravis steht für Verlässlichkeit und Sicherheit beim Geld!

Wir müssen auch von den Kosten runter und insgesamt schlanker werden

Agravis hat gerade einen neuen Konsortialkredit (einheitlicher Kredit von mindestens zwei Kreditgebern, bei Agravis sind es mehrere Banken) abgeschlossen sowie neue Genussscheine verkauft. Warum genau diese beiden Formen der Fremdfinanzierung?

Johannes Schulte-Althoff: Weil sie uns Sicherheit in diesen turbulenten Zeiten geben. Der Konsortialkredit über 650 Mio.€ läuft über fünf Jahre. Es gibt feste Zinssätze, das jährliche Verhandeln entfällt. Mit dem Geld finanzieren wir den Geschäftsbetrieb und halten den Laden am Laufen. Die Genussscheine bringen uns nochmals 100 Mio.€. Diese nutzen wir für Investitionen und Akquisitionen – und fangen damit die heftigen Marktschwankungen ab und erreichen Stabilität.

"Im Verbund in die Zukunft"

Die Zweistufigkeit des genossenschaftlichen Landhandels hat sich bisher bewährt. Doch die landwirtschaftlichen Betriebe werden immer größer sowie umsatzstärker und sind somit auch für das Direktgeschäft mit Agravis interessant. Dreht sich da künftig etwas?

Johannes Schulte-Althoff: Nein! Wir haben das in der Vergangenheit mehrmals diskutiert und haben eine eindeutige Meinung: Zwar gibt es auch bei den Genossenschaften weitere Konzentrationen, aber sie sind ganz nah an den Landwirten. Und sie beherrschen ihr Geschäft. Wir arbeiten heute schon eng zusammen und müssen künftig noch enger zusammenarbeiten. Nur so können wir die Veränderungen der Zukunft bewältigen, das große Wort der „Transformation“.

Wir als Agravis müssen dafür weiter Vertrauen aufbauen. Aber wir müssen auch von den Kosten runter und insgesamt schlanker werden. Das gelingt uns aber nur gemeinsam mit den Genossenschaften. Im Verbund gehen wir in eine gute Zukunft.

Perspektivisch müssen wir vermutlich auch Überkapazitäten abbauen.

Wie gut wird die Zukunft denn? Abbau der Tierbestände, verschärfte Dünge- sowie Pflanzenschutzregeln sowie der bevorstehende europäische Green Deal – der Umsatz von Agravis wird unter Druck geraten. Welche Antwort gibt die Genossenschaft?

Johannes Schulte-Althoff: Ja, schon jetzt verkaufen wir weniger Mischfutter, Dünger sowie Pflanzenschutzmittel und dieser Rückgang setzt sich fort. Perspektivisch müssen wir vermutlich auch Überkapazitäten abbauen. Aber wir bleiben mit einem breiten Angebot am Markt. Gleichzeitig spezialisieren wir uns weiter, beispielsweise bei den Mischfuttern. Außerdem werden wir nicht über den Preis verkaufen, sondern über zusätzliche Leistungen – sprich Dienstleistung und Beratung. Wenn Landwirte weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen dürfen, dann beraten wir sie intensiv, wie sie diese noch effektiver einsetzen können.

Dann wollen Sie auf der Wiese der Landwirtschaftskammer grasen?

Johannes Schulte-Althoff: Konkurrenz hilft da nicht weiter und doppelte Arbeit ist überflüssig. Agravis hat schon immer eine starke Pflanzenbau-Vertriebsberatung gehabt, die am Markt etabliert ist. Insgesamt könnten und müssten wir aber auch weiter mehr miteinander arbeiten.

Öffnen sich durch die Veränderungen auch neue Türen?

Johannes Schulte-Althoff: Sicher, nur zwei Beispiele: Wir erwarten deutlich mehr Nachfrage bei der mechanischen Unkrautbekämpfung. Davon profitiert unsere Technik-Sparte. Zudem die Digitalisierung: Landwirte sollten schnellen Zugriff auf Infos, Daten sowie Fakten haben und von der Bestellung bis zum Rechnungserhalt alles digital abwickeln können. Da binden wir die Genossenschaften ein, die auch davon profitieren können.

Sind in diesen turbulenten Zeiten Genossenschaften überhaupt die richtige Rechtsform – oder sind private Unternehmen womöglich agiler?

Johannes Schulte-Althoff: Wettbewerb treibt an und der private Landhandel hat natürlich seine Berechtigung – Wettbewerb tut immer gut. Aber: Verlässlichkeit und Sicherheit nach vorne gelingt nur Agravis und den Genossenschaften. Die Zweistufigkeit ist da eine Chance. Eben auch, weil Landwirte über den Vorstand sowie Aufsichtsrat bei Agravis mitreden können, in den Genossenschaften sowieso. Aber ohne Frage: Wir müssen uns im Markt behaupten.

Ein persönliches Wort

Noch ein persönliches Wort zu den Bauern.

Johannes Schulte-Althoff: Gerne. Die Landwirtschaft steht vor gewaltigen Herausforderungen. Wenn die politischen Rahmenbedingungen es erlauben, bin ich zutiefst überzeugt, dass Agravis sowie die Genossenschaften vor Ort es schaffen, mit den Landwirten einen Weg zu finden, auch in zehn Jahren noch professionelle Landwirtschaft in Deutschland zu betreiben. Agravis ist bereit, diesen Weg mit den Landwirten zu gehen.

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