Für eine erfolgreiche Umsetzung des Green Deal dürfen nicht die psychologischen Folgen für die betroffenen Landwirte und die vielfältigen Betriebsstrukturen des Agrarsektors außer Acht gelassen werden.
Das rät der Wirtschaftspsychologe Carl Vierboom, der zusammen mit Michael Ley und mit Unterstützung der Edmund Rehwinkel-Stiftung die wirtschaftspsychologischen Effekte der von der EU geplanten Transformation der Landwirtschaft analysiert hat.
Wie Vierboom in seiner Studie feststellt, befürchten viele Beteiligte, dass sich dieses Vorhaben zu einer Übermacht aus unrealistischen Anforderungen, hohen Kosten, Verwaltungs- und Kontrolldruck auftürmen wird, die alle bisherigen Aufwände an Tier- und Umweltschutz um Größenordnungen überholt und an der die bisher bekannte, vertraute Welt des Erzeugens und Verarbeitens von Lebensmitteln zu ersticken droht.
Was an Informationen über den Green Deal bekannt sei und was darüber in verschiedenen Communities diskutiert werde, scheine also erst einmal nicht geeignet, so etwas wie Zutrauen zu entwickeln. Momentan herrsche deshalb in der Landwirtschaft eine angespannte, auch abwartende, unentschiedene Stimmung: Befürwortung der Klimaziele und ihrer Verpflichtungen auf der einen Seite, Skepsis und Banalisierung auf der anderen Seite; ambitioniert-optimistische Zielformulierungen einerseits und nüchtern-aggressive Ablehnung andererseits.
Ein zentrales Problem des Green Deal ist nach Einschätzung des Wirtschaftspsychologen, dass darin ein Programm gefordert wird, das flächendeckend für alle Bereiche der Landwirtschaft gelten soll. Ihm zufolge gibt es „die“ Landwirtschaft aber nicht. Landwirtschaft stelle sich wesentlich vielgestaltiger dar, als es auf den ersten Blick den Anschein habe. Wenn der Green Deal Erfolg haben solle, müsse er auf diese Vielgestaltigkeit ausdrücklich Rücksicht nehmen, betont Vierboom.
Positive Utopie entwickeln
Der Wirtschaftspsychologe empfiehlt deshalb nachdrücklich, die Diversität der Landwirtschaftsbetriebe zu berücksichtigen, die nach seiner Expertise ganz unterschiedlich auf die neuen Anforderungen reagieren.
Während beispielsweise Familienbetriebe Nachhaltigkeit und damit durchaus auch die Green Deal-Umsetzung in der Regel als Teil ihrer ohnehin nachhaltigen Unternehmensphilosophie betrachten dürften, würden Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei Großbetrieben eher als „Eintrittsgeld“ für die Lizenz zum Produzieren angesehen.
Vor diesem Hintergrund plädiert Vierboom dafür, die Branchenverbände und -organisationen stärker als Vermittler der vielfältigen landwirtschaftlichen Akteure zu positionieren und bei den anstehenden Veränderungen die Innovationskraft und die Potentiale der Agrarwirtschaft zu betonen.
Sinnvoll wäre aus Sicht des Wirtschaftspsychologen auch, den Umweltschutz und die Klimaneutralität nicht als Notwendigkeiten, sondern vielmehr als „positive Utopie“ zu beschreiben. Dafür könne sinnbildlich der Arbeitsbegriff „Bio-Tech“ stehen, der für Neues und nicht für Verbote stehe.