Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir würde EU-weite, verbindliche Reduktionsziele für den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel begrüßen. Das betonte er am Montag während der Sitzung des EU-Agrarministerrates.
Verbindliche Ziele unbeliebt
Die restlichen EU-Agrarminister gaben andere Positionen zu Protokoll: Zwar befürworten die meisten Mitgliedstaaten die Ziele des Green Deals, die auch eine Reduktion von Pflanzenschutzmitteln beinhalten. Von den strengen, verbindlichen Zielen, wie sie die Kommission aktuell vorschlägt, will jedoch kaum jemand etwas wissen.
Die EU-Kommission plant verbindliche Reduktionsziele und Einsatzverbote von Pflanzenschutzmitteln in sogenannten „sensiblen Gebieten“ in ihrem Vorschlag zur Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden.
Viele Vorbehalte
Im Kreise der EU-Mitgliedstaaten gibt es viele Vorbehalte gegen die Pläne der EU-Kommission. Auch Özdemir meldete bei den Einschränkungen in sensiblen Gebieten Einwände an. Die polnische Delegation hatte das Thema gemeinsam mit zehn weiteren Mitgliedstaaten – darunter Österreich, Rumänien und Italien – auf die Tagesordnung der EU-Agrarminister gesetzt.
Polen fordert neue Folgenabschätzung
Das zentrale Anliegen der Gruppe: eine neue Folgenabschätzung der Kommissionspläne. Polen und die restlichen Mitgliedstaaten betonen in einem Schreiben, dass viele Fragen in der aktuell vorliegenden Folgenabschätzung nicht geklärt würden.
So seien die mengenmäßigen Auswirkungen einer Pflanzenschutzreduktion auf die europäische Lebensmittelerzeugung oder sozioökonomische Effekte im ländlichen Raum ungeklärt. Auch wirksame Alternativen zu synthetischen Pflanzenschutzmitteln würde die EU-Kommission nicht aufführen. Die müsse es aber geben, wenn man den Einsatz konventioneller Pflanzenschutzmittel reduzieren wolle, merkte etwa die slowenische Delegation an. Auch der Krieg in der Ukraine fände keine Berücksichtigung in der aktuellen Folgenabschätzung.
Franzose Fesneau auf Seite der Kritiker
Zwar unterstützt der französische Agrarminister Marc Fesneau den polnischen Aufruf nicht direkt, in der Diskussion stellte er sich jedoch auf die Seite der Kritiker: „Weitere Studien sind sicherlich sinnvoll. Wir dürfen die Landwirtschaft nicht in eine Einbahnstraße führen. Wir müssen allen agrarpolitischen Zielen gerecht werden.“ Neben der Verbesserung der Biodiversität zählt dazu auch die Versorgungssicherheit.
NABU lobt Özdemir, Agrarverbände schlagen Alarm
Agrarverbände, wie zuletzt der Deutsche Bauernverband oder der Agrarhandelsverband, warnen seit etlichen Wochen vor den potentiellen Auswirkungen drastischer Reduktionen oder gar Verboten von Pflanzenschutzmitteln. Der NABU Deutschland lobte Özdemir hingegen auf Twitter: Er sei der einzige, der sich für verbindliche Pestizidreduktionsziele auf EU-Ebene ausgesprochen habe.
Danke an @cem_oezdemir , der sich heute im EU-Ministerrat als einziger für verbindliche Pestizidreduktionsziele auf EU-Ebene ausgesprochen und nicht das Narrativ der Ernährungssicherheit missbräuchlich bespielt hat. #Pesticides #AGRIFISH pic.twitter.com/7tOyGpzg48
— NABU Biodiversität (@NABU_Biodiv) September 26, 2022
Langes Verfahren bahnt sich an
Das europäische Gesetzgebungsverfahren zur Pflanzenschutzreform läuft gerade erst an und doch steht das Thema Pflanzenschutz schon ganz oben auf der agrarpolitischen Agenda der EU. Nachdem die EU-Kommission ihren Reformvorschlag unterbreitet hat, rechnet man in Brüssel mit Stellungnahmen der Mitgliedstaaten und des EU-Parlamentes im kommenden Jahr. Erst dann kann der sogenannte Trilog beginnen.