Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

Kritik an Freihandel

EU-weite Empörung über Mercosur-Folgenabschätzung

Nicht nur Ökonomen zerreißen die aktuelle Folgenabschätzung der EU-Kommission zu Mercosur; deutliche Worte findet auch Österreichs Agrarministerin Köstinger. Mercosur habe dramatische Folgen!

Lesezeit: 4 Minuten

Die lange angekündigte Studie zu den Folgen des EU-Freihandelsabkommens mit den südamerikanischen Mercosur-Ländern stößt in vielen Ländern auf Kritik.

"Die Folgenabschätzung hätte schon viel früher vorliegen müssen. Sie kommt viel zu spät, um noch substanziell in die Verhandlungsergebnisse einfließen zu können", empörte sich u.a. Österreichs Agrarministerin Elisabeth Köstinger. Die Studie basiere außerdem auf alten Daten - die Corona-Krise und ihre wirtschaftlichen Folgen würden nicht berücksichtigt, sagte sie laut aiz.info.

Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

"Und letztlich bestätigt diese Studie unsere Befürchtungen im Agrarhandel. Eine Importsteigerung bei Rindfleisch von 30 bis 64 % wäre eine Katastrophe - auch für die heimische Landwirtschaft", betont Köstinger.

Studie wenig aussagekräftig

"Die nunmehr nachgeschärfte Folgenabschätzung bleibt weiterhin ernüchternd. Erstens ist sie verspätet vorgelegt worden. Sie hätte gemäß EU-Vorgaben bereits vor Verhandlungsabschluss, also vor Juni 2019 vorliegen müssen. Dies wurde auch von der EU-Ombudsstelle bemängelt. Die Studienergebnisse konnten so nicht in den finalen Entscheidungsprozess beziehungsweise vor Verhandlungsabschluss einfließen", kritisiert Köstinger laut aiz.info weiter.

Zweitens sei die Methodik der Studie unzureichend, um die umfassenden Auswirkungen auf die EU-Landwirtschaft darzustellen. Es fehlten nach wie vor länderspezifische Auswirkungsanalysen, und zwar insbesondere in sensiblen Landwirtschaftsbereichen, so die Ministerin.

Drittens sei die Studie wenig aussagekräftig, da die herangezogenen Daten teilweise veraltet seien. "Gerade in Zeiten der Corona-Krise und der damit verbundenen Wirtschaftseinbrüche müsste man aktuelle Zahlen heranziehen", argumentiert die Ministerin.

Rindfleischmarkt würde deutlichen Anstieg der Importe nicht verkraften

Die Folgenabschätzung zeige bei Rindfleisch sehr große Importsteigerungen in die EU, die je nach Szenario zwischen 30 und 64% liegen dürften. Der EU-Rindfleischsektor sei aber durch die COVID-19-Krise (Wegbrechen von Gastronomie, Tourismus und Außer-Haus-Verzehr) jetzt schon stark durch Absatz- und Preisrückgänge betroffen.

Die erwartete Importsteigerung wäre unter diesen Rahmenbedingungen eine Katastrophe, gibt Köstinger zu bedenken. Vor allem aus diesem Grund wäre die Verwendung von aktuellen Daten für die Folgenabschätzung oberstes Gebot gewesen. "Auch diese finale Studie zeigt, dass das ausverhandelte Mercosur-Abkommen die negativen Folgen für die Landwirtschaft nicht ausreichend berücksichtigt. In Österreich setzen wir auf kurze Transportwege von Lebensmitteln - Mercosur ist das genaue Gegenteil. Durch Billigst-Importe schaden wir unserer Qualitätsproduktion. Unser klares Nein zu Mercosur werden wir daher auch weiterhin vertreten", bekräftigt Köstinger.

Ungeeignete Wirtschaftsmodelle

Auch aus anderen EU-Ländern kommt scharfe Kritik an der Folgenabschätzung, berichtet Agra Europe. Zahlreiche Ökonomen stellen dem Bericht ein ausnehmend schlechtes Zeugnis aus und appellierten an die EU-Kommission, eine neue Nachhaltigkeitsprüfung in Auftrag zu geben und diese auf Basis der aktuellsten empirischen Daten und moderner Modellierungsinstrumente anfertigen zu lassen.

Nach Angaben der Unterzeichner sind die von der LSE verwendeten Wirtschaftsmodelle nicht für die Bewertung der sozialen und ökologischen Auswirkungen des Mercosur-Abkommens geeignet. Alternative Folgenabschätzungen kämen zu stark abweichenden Ergebnissen und zeigten, dass das Abkommen die Erfüllung der Pariser Klimaziele behindere und zudem schwerwiegende wirtschaftliche und soziale Auswirkungen auf Arbeitnehmer, Landwirte und insbesondere Kleinbauern auf beiden Seiten des Atlantiks haben werde.

Konkret wird moniert, dass für die Berechnungen der Auswirkungen des Abkommens unrealistische Annahmen und nicht die tatsächlichen Vereinbarungen herangezogen wurden. Zudem würden die Folgen für die Entwaldung verharmlost und durch die Verwendung veralteter Daten minimiert.

Auch die EU-Ökonomen betonen wie schon Köstinger, dass die Corona-Pandemie nicht berücksichtigt ist. Das eingesetzte Modell beruhe auf der Annahme von Vollbeschäftigung und sei daher für die Bewertung der Auswirkungen eines Handelsabkommens auf die beteiligten Volkswirtschaften nicht geeignet.

Schlechte Verwaltungspraxis

Bereits in der vorvergangenen Woche hatte auch die Bürgerbeauftragte der Europäischen Union, Emily O´Reilly, die EU-Kommission wegen der Folgenabschätzung gerügt. Sie attestierte der Brüsseler Behörde eine „schlechte Verwaltungspraxis“, weil das Abkommen geschlossen worden sei, ohne die Folgenabschätzung, die formale Antwort der Kommission auf diese oder die abschließende Konsultation mit der Interessenvertretung bei den Verhandlungen zu berücksichtigen.

Die Beschwerde bei der Bürgerbeauftragten hatten mehrere Nichtregierungsorganisationen eingereicht, zu denen auch das französische Veblen-Institut und die Stiftung des ehemaligen französischen Umweltministers Nicolas Hulot gehören. Gemeinsam mit der Interprofession für Vieh und Fleisch (Interbev) legten beide Organisationen in der vorvergangenen Woche eine Studie zu den Auswirkungen der Globalisierung auf Umwelt und Agrarwirtschaft vor.

Gefordert wird, die in der EU geltenden Standards auch bei importierten Produkten durchzusetzen. Laut dem Bericht stellen die oftmals angeführten Regeln der Welthandelsorganisation (WHO) dabei kein unüberwindbares Hindernis dar.

Mehr zu dem Thema

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.