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Interview

Sachsen-Anhalts Agrarminister Schulze gegen Groß-Klein-Diskussion

Gegen eine neuerliche Groß-Klein-Diskussion in der Landwirtschaft spricht sich Sachsen-Anhalts Agrarminister Sven Schulze aus. Er mache keinen Unterschied. Das Landesagrarstrukturgesetz komme aber.

Lesezeit: 11 Minuten

Für Sachsen-Anhalts Agrarminister Sven Schulze sind alle Agrarbetriebe - gleich welcher Größe - wichtig. Im Interview mit Agra Europe betont er zudem sein Interesse an einer sachlichen Zusammenarbeit mit den grünen Ministern im Bund, warnt aber davor, konventionelle und ökologisch wirtschaftende Landwirte gegeneinander auszuspielen. Außerdem spricht er über sein Erfolgsrezept für ein Agrarstrukturgesetz.

Die CDU und die Grünen

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Schulze: Landwirte zählen zur Kernklientel der CDU. Das muss sich auch in der Besetzung von Ministerien niederschlagen. Auch deshalb war es wichtig, dass wir die Verantwortung für die Agrarpolitik in Sachsen-Anhalt zurückgeholt haben.

Der neue CDU-Vorsitzende Merz sagt, die CDU braucht wieder mehr Profil. Was heißt das für die Agrarpolitik?

Schulze: Das heißt zum Beispiel, dass wir bestimmte Themen besetzen und nicht den Grünen überlassen. Denken Sie nur an Fragen des Tierwohls, die für die Menschen wichtig sind. Unser Anspruch muss dabei sein, vernünftige Antworten zu finden und dafür Sorge zu tragen, dass die Interessen der Landwirte berücksichtigt werden. Wir wollen die Direktvermarktung stärken.

Wir wollen mehr tun für die heimische Erzeugung, weil das den Landwirten und dem Klima hilft. Für uns steht dabei außer Frage, dass jeder Agrarbetrieb am Ende auch Geld verdienen muss. Wir haben es schließlich mit Unternehmen zu tun, die in einem knallharten Wettbewerb stehen und ihren Arbeitnehmern vernünftige Gehälter zahlen müssen. Und dafür müssen wir als CDU stehen. Andere Parteien tun sich schwer damit. Oder nehmen Sie das Beispiel Glyphosat-Ausstieg. Ein Thema, mit dem ich schon in meiner Zeit im Europaparlament beschäftigt war. Darüber kann man reden. Voraussetzung ist allerdings, dass es für die Landwirte Alternativen gibt.

Warum war die Zusammenarbeit zwischen CDU und Grünen in Sachsen-Anhalt gerade im Agrarbereich so schwierig, anders als in anderen Ländern?

Schulze: Immerhin hat die Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt fünf Jahre gehalten. Dass es gerade in der Agrarpolitik schwierig war, lag meiner Ansicht nach daran, dass die Grünen nur auf ihre eigene Klientel im Bereich der Umweltverbände geschaut haben. Wenn eine Partei, die es gerade mal so in den Landtag geschafft hat, in dieser Weise Agrarpolitik macht, ist der Ärger programmiert.

Stehen Sie jetzt in der Versuchung, den Spieß rumzudrehen, und Agrarpolitik allein aus der traditionellen Landwirte-Brille zu machen?

Schulze: Nein! Für uns spielen Umweltthemen eine wichtige Rolle, weil sie auch für die Bevölkerung bedeutsam sind. Die Magdeburger Börde hat die besten Böden deutschlandweit, Landwirtschaft hat eine große Bedeutung für das Land. Es ist eine große Aufgabe, Agrar- und Umweltanliegen in Übereinstimmung zu bringen. Nicht auf Kosten der Landwirte, sondern mit ihnen.

Das große Ökoausbauziel

Die Bundesregierung will 30 % Ökolandbau bis 2030. Gehen Sie mit?

Schulze: Wenn sich der Markt so entwickelt, wird es auch mehr Ökolandbau geben. 30 % zu erreichen wird aber schwer. Ich werde es in Sachsen-Anhalt nicht zulassen, konventionelle und ökologische Landwirtschaft gegeneinander auszuspielen oder politisch einseitig auf Ökolandbau zu setzen.

Tut das der Bundeslandwirtschaftsminister?

Schulze: Das wird man sehen. In diese Richtung geht zumindest die Absicht der Ampelparteien, BVVG-Flächen nur noch an Ökobetriebe zu vergeben. Dagegen wehre ich mich. Unter den rund 4.500 Betrieben in Sachsen-Anhalt gibt es weniger als 1.000 Ökobetriebe. Ich kann nicht hingehen und nur Politik für die Minderheit machen. Ich verstehe meine Aufgabe auch als die eines Lobbyisten für die Bauern. Und zwar für alle Bauern, nicht nur für einen kleinen Teil.

Wer sind "Die Bauern" in Sachsen-Anhalt überhaupt?

„Die Bauern“ gibt es doch auch in Sachsen-Anhalt nicht. Die Spanne reicht vom kleinen Nebenerwerbsbetrieb bis zur großen Agrargenossenschaft. Wie wollen Sie dem gerecht werden?

Schulze: Jeder Betrieb, der ausscheidet, ist ein Verlust für das Dorf und den gesamten ländlichen Raum, egal ob Familienbetrieb oder Agrargenossenschaft. Alle zusammen bilden nach wie vor das Rückgrat in den ländlichen Regionen. Ohne die Landwirte würde in vielen Dörfern weniger, in manchen gar nichts laufen. Da mache ich keinen Unterschied zwischen einem Familienbetrieb, der nach der Wende neu gegründet wurde, oder der Agrargenossenschaft, die aus der LPG heraus entstanden ist.

Ich wehre mich auch hier dagegen, dass die einen die Guten und die anderen die Schlechten sind. Das bedeutet auch, dass Großbetriebe bei den Direktzahlungen nicht über Gebühr schlechter gestellt werden dürfen als kleine. Das war schon in meiner Brüsseler Zeit ein Thema, für das ich gekämpft habe.

Die Strukturfrage wird auch innerhalb der CDU kontrovers diskutiert. Da gibt es ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Sehen Sie ihre Rolle als Vertreter einer großstrukturierten Landwirtschaft?

Schulze: Ich war kürzlich bei einer Bäuerin mit zwei Angestellten. Sie hat mir begeistert von ihrem Familienbetrieb erzählt, in dem alle mit anpacken. Mein Nachbar zu Hause ist der Chef einer der größten Agrargenossenschaften. Der ist genauso von dem überzeugt, was er tut und wie er wirtschaftet. Mir hat er vor drei Jahren sehr stolz seine Milchviehanlage gezeigt. Letztes Jahr stand zwar die Anlage noch. Eine Kuh war allerdings nicht mehr drin. Über Probleme wie diese müssen wir diskutieren und nicht darüber, welche Betriebsgröße die bessere ist.

In der Vergangenheit war es üblich, dass die ostdeutschen Agrarminister ihre Positionen abgestimmt haben, wenn es beispielsweise um eine Kappung und Degression der Direktzahlungen ging. Ist das für Sie Geschichte?

Schulze: Nein! Bei Sachfragen spielen Parteifarben für mich nur eine untergeordnete Rolle. Aktuell geht es beispielsweise um die Afrikanische Schweinepest als ein Thema für ganz Ostdeutschland.

Landesagrarstrukturgesetz: "Wir wollen keine Finanzinvestoren!"

Die „Deutschland-Koalition“ in Sachsen-Anhalt hat sich darauf verständigt, einen neuerlichen Anlauf für ein Landesagrarstrukturgesetz zu unternehmen. Warum soll diesmal gelingen, was schon zwei Mal gescheitert ist?

Schulze: Wir sind einig, dass wir keine Finanzinvestoren wollen, die im großen Maßstab Flächen aufkaufen und deren einziges Interesse ist, dass die Rendite stimmt. Das wollen wir nicht, weil damit hiesige Betriebe vom Familienbetrieb bis zur großen Agrargenossenschaft auf dem Bodenmarkt nicht zum Zuge kommen.

Wenn das so einfach ist - wann werden Sie einen Gesetzentwurf vorlegen?

Schulze: Wir müssen uns zunächst darüber klar werden, was wir in dem Gesetz regeln wollen. Darüber werden wir uns mit den Verbänden abstimmen.

Aus deren Reihen kamen bislang die entschiedensten Gegner einer weitergehenden Regulierung auf dem Bodenmarkt…

Schulze: Es gibt Befürworter und Kritiker. Mit beiden werden wir sprechen und festlegen, was wir regeln wollen. In einem zweiten Schritt werden wir schauen, wie wir es regeln. Ich denke, wenn wir die Verbände auf diese Weise ins Boot kriegen, können wir es schaffen.

Sie haben Finanzinvestoren angesprochen. Wollen Sie den Flächenerwerb über Anteilskäufe regeln und wenn ja, wie?

Schulze: „Share Deals“ sind ein großes Thema dabei, keine Frage. Ich habe nichts gegen Finanzinvestoren. Im Gegenteil. Ich habe aber etwas gegen Menschen oder Institutionen, die Flächen kaufen, aber mit meiner Heimat nichts weiter zu tun haben. Weil sie nur die Rendite sehen und nicht das, was dahinter steht.

Nun sind es ja Einheimische, die ihre großen Betriebe an noch größere Investoren verkaufen, manchmal an Stiftungen oder an Banken. Wie wollen Sie die für Ihr Anliegen gewinnen?

Schulze: Das macht die Herausforderung eines Agrarstrukturgesetzes aus.

Bund-Länder arbeiten an Vorschlägen, die als Grundlage für gesetzliche Regelungen auf Landesebene dienen können. Setzen Sie auf eine Art „Mustergesetz“?

Schulze: Die Diskussionen sind noch im Gange. Wir werden sehen, wie wir damit umgehen, wenn die Ergebnisse vorliegen. In jedem ostdeutschen Bundesland wird darüber diskutiert, wie eine Regulierung des Bodenmarktes aussehen könnte. Den Stein des Weisen hat noch keiner gefunden.

Wie wichtig ist Ihnen dieses Thema?

Schulze: Ich bin fest entschlossen, den Koalitionsvertrag umzusetzen. Mir ist aber klar: Das wird eine der größeren Herausforderungen in meiner Amtszeit sein.

Sie haben in diesem Jahr den Vorsitz in der Agrarministerkonferenz (AMK) inne. Wie sehen Sie Ihre Rolle - als Moderator oder als Antreiber?

Schulze: Beides zugleich. Zum einen werde ich versuchen, zu moderieren und Wege zwischen den verschiedenen Interessen aufzuzeigen. Zum anderen werde ich aber deutlich machen, wenn mir etwas nicht passt. Das habe ich bereits beim Thema BVVG und auch beim Thema Nitrat getan. Es ist meine Aufgabe, darauf hinzuweisen, wenn eine vorgelegter Lösungsvorschlag nicht funktioniert.

Streitthema Düngeverordnung

Die Roten Gebiete werden nach Angaben der Bundesregierung bundesweit um 30 % wachsen. Wie sieht es in Sachsen-Anhalt aus?

Schulze: Auch bei uns werden sie in dieser Größenordnung wachsen, wenn die Vorschläge des Bundes umgesetzt werden. Wir werden allerdings versuchen, bei der Neuausweisung den hiesigen Verhältnissen gerecht zu werden.

Was heißt das?

Schulze: Wir sind hier in einer Region mit weit weniger Regen als in anderen Teilen Deutschlands. Das heißt, es dauert vieler länger, bis Nitrat aus dem Boden verschwindet. Es gibt bei uns viele Nitrat-Messstellen, bei denen man davon ausgehen kann, dass die Rückstände noch aus DDR-Zeiten stammen. Das ist ganz anders als etwa in Regionen mit hoher Viehdichte und mit intensiver Schweinehaltung. Diese Diskussion müssen wir führen.

Sie waren sieben Jahre im Europaparlament und kennen das Geschäft in Brüssel. Sollte sich die Bundesregierung den Forderungen der Kommission widersetzen?

Schulze: Wenn es notwendig ist, muss man die Diskussion führen. Ich werde mir nun sehr genau anschauen, wie die beiden grünen Bundesministerien mit dem Thema umgehen und ob dabei die Situation unserer Landwirtschaft berücksichtigt wird.

Fällt es leichter, notfalls Strafzahlungen von täglich mehr als 800.000 € hinzunehmen, wenn man in Berlin keine Regierungsverantwortung trägt?

Schulze: Es ist unbestritten, dass wir Lösungen brauchen. Nach meinem Kenntnisstand akzeptiert die EU-Kommission zwar das Berechnungsverfahren zur Abgrenzung der Roten Gebiete, nicht jedoch dessen Ergebnisse. Hier sehe ich noch Klärungsbedarf. Das Problem darf nicht allein von den grünen Ministerien geregelt werden. Die Länderagrarminister müssen mit im Boot sein, wenn es darum geht, Lösungen zu finden.

Sind sie das bisher nicht?

Schulze: Nein! Der in Brüssel vorgelegte Vorschlag war nicht mit uns abgestimmt. Das habe ich gegenüber den Kollegen in Berlin deutlich zu verstehen gegeben.

Agrarreform und Umbau der Tierhaltung Thema auf Agrarministerkonferenz

Was wird neben dem Thema „Düngung“ die Agrarministerkonferenz beschäftigen?

Schulze: Die Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik wird spätestens dann auf die Tagesordnung kommen, wenn die Kommission ihre Prüfung des nationalen Strategieplans abgeschlossen hat. Ein zweites wichtiges Thema ist der Ökolandbau. Das Ziel der Ampelkoalition, die Ökoflächen bis 2030 auf 30 % auszudehnen, ist sehr ambitioniert. Ich bin gespannt, wie die Bundesregierung das erreichen will. Mehr Ökolandbau erreicht man ja nicht, indem man das politisch anweist.

Sollte der Ökolandbau stärker gefördert werden?

Schulze: Das wäre eine wesentliche Voraussetzung. Allerdings reichen die Mittel, die wir bislang in Sachsen-Anhalt dafür zur Verfügung haben, bei weitem nicht aus, unseren Anteil von derzeit 10 % innerhalb weniger Jahre zu verdreifachen. Wer 30 % Ökolandbau will, muss auch die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung stellen. Schließlich werden wir uns intensiv mit der Afrikanischen Schweinepest beschäftigen. Das ist in Sachsen-Anhalt Chefsache, weil es bei der Prävention bislang nicht zum Besten stand.

Was erwarten Sie vom Bund?

Schulze: Der Bund muss das Thema ernst nehmen und darf die Länder damit nicht allein lassen, auch wenn bisher nur Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern direkt betroffen sind. Das bedeutet auch, dass sich der Bund an den Kosten der Prävention beteiligen muss. Es wird bei der Frühjahrs-AMK selbstverständlich auch um die schwierige Lage der Tierhalter gehen.

In Berlin wird viel über die Transformation der Landwirtschaft gesprochen. Was ist für Sie in Sachsen-Anhalt wichtiger, die Transformation oder der Wolf?

Schulze: Das ist kein Entweder-oder. Tierwohl ist für mich ein enorm wichtiges Thema, weil es die Menschen umtreibt und wir die Aufgabe haben, voranzukommen. Beim Thema Wolf geht es darum, die Sorgen und Ängste ernst zu nehmen, die mir vom Weidehalter ebenso geschildert werden wie von der Erzieherin. Wir müssen das Thema Wolf ernst nehmen, weil es viele Menschen stark emotionalisiert. Es geht nicht darum, den Wolf wieder aus Deutschland zu verdrängen. Stattdessen müssen wir ein vernünftiges Maß finden, um dem Wolf Lebensraum zu geben, zugleich aber den Bedenken und Sorgen der Menschen gerecht zu werden.

Worauf setzen Sie im Umgang mit den grünen Bundesministern - Kooperation oder Konfrontation?

Schulze: Für mich ist es wichtig, dass man vernünftig und sachlich zusammenarbeitet, um gute Lösungen für die landwirtschaftlichen Betriebe zu finden. Wenn ich den Eindruck habe, dass die Vorstellungen in Berlin dem nicht gerecht werden, werde ich das weiterhin deutlich zum Ausdruck bringen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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