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Schlacht um Schlachtschweine – der Mittelstand hält mit

Lesezeit: 7 Minuten

Viele Schweinemäster fürchten, künftig nur noch zwischen wenigen Branchen-Riesen als Abnehmer wählen zu können. Doch: Auch zahlreiche mittelgroße Schlachtfirmen haben kräftig expandiert. Anna-Kathrin Hertrampf, ISN, berichtet.


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Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Innerhalb von vier Jahren haben die deutschen Schlachtunternehmen ihre jährlichen Schweine-Schlachtungen insgesamt um 20 % bzw. 8,5 Mio. Tiere gesteigert. 2008 kam die Rekordzahl von knapp 55 Mio. Schweine an den Haken. Tendenz: Weiter steigend.


Wer jetzt denkt, die Riesen der Branche hätten das Plus an Schweinen allein unter sich aufgeteilt, liegt nur teilweise richtig. Die aktuelle Umfrage der ISN (Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands e.V., Damme) zeigt es: Zwar schreitet auch die Konzentration der drei größten Schlachtunternehmen Tönnies, Vion und Westfleisch kontinuierlich voran. Zusammen halten sie inzwischen Marktanteile von 51 Prozent (siehe Übersicht 1). Aber auch mittelständische Unternehmen mit Schlachtzahlen von 1 bis 2 Mio. Tieren/Jahr haben ihre Kapazitäten in den letzten Jahren kräftig ausgebaut. Teils sind die Wachstumsraten genauso groß wie bei den Marktführern.


Die Großen wachsen weiter


Letztere haben allerdings ihren Anteil an den Schlachtungen, rein mengenmäßig, am stärksten gesteigert:


Tönnies, Rheda-Wiedenbrück, kann sich als absoluter Spitzenreiter behaupten. Insgesamt hat der Konzern seit 2004 die Schlachtzahlen um 74 Prozent gesteigert, d. h. von 6,9 Mio. in 2004 auf 12 Mio. in 2008.


Vion belegt seit dem Jahr 2006 Platz 2 der in Deutschland tätigen Schlachtunternehmen. Vion hat sein Ziel, ein Plus von 50 % bei den Wochenschlachtungen an den wichtigsten Standorten, eindeutig nicht erreicht. Der Global Player mit niederländischer Abstammung konnte die eigenen Schlachtungen pro Jahr seit 2004 nur um 2,3 Mio. Tiere steigern. In Zeven wurden beispielsweise 2008 etwa 1,2 Mio. Schweine insgesamt bzw. 23 000 pro Woche geschlachtet.


Das Unternehmensziel für Zeven lag allerdings bei 30 000 Wochenschlachtungen. In den Schlachtbetrieben Emstek und Lingen verlief die Entwicklung ähnlich. Offenbar müssen diese nordwestdeutschen Vion-Standorte einen Teil der herben Verluste in Süddeutschland ausgleichen.


Westfleisch als Nr. 3 ist seit 2004 mit insgesamt plus 16 Prozent eher moderat gewachsen. Abzuwarten bleibt, ob das genossenschaftlich organisierte Unternehmen tatsächlich so stark wachsen kann wie geplant: In den kommenden fünf Jahren will Westfleisch die Wochenkapazität im Betrieb Coesfeld von bisher 36 000 auf 55 000 Schweine ausweiten. Dem Wachstum sind aber Grenzen gesetzt, weil sich Westfleisch historisch bedingt auf NRW konzentriert. So liegen 68 % der Vertragsbetriebe im Umkreis von maximal 60 km um die Schlachtbetriebe.


D&S-Fleisch, unsere Nummer 4, hat dagegen seit 2006 ein beachtliches Wachstum erzielt. Das Unternehmen hat im Landkreis Cloppenburg in den vergangenen Jahren die Schlachtkapazitäten an seinen Standorten Essen und Cappeln um 27 Prozent auf insgesamt 3,3 Mio. Schweine gesteigert. Mit 100 neuen Arbeitskräften und dem gerade fertig gestellten Gefrierhaus ist das Unternehmen für das Versandgeschäft in der EU und für den Drittlandexport gewappnet.


Angesichts der Wachstumsschritte der vier „Großen“ erscheint die Befürchtung vieler Mäster zwar berechtigt, Tönnies, Vion, Westfleisch sowie D&S könnten kleinere Unternehmen bald völlig verdrängt haben und die Schweine-Einkaufspreise dann nach Belieben drücken.


Mittelständler ziehen mit


Auf den zweiten Blick wird aber deutlich, dass auch die Mittelständler bei den Marktanteilen mithalten (siehe Übersicht 2 ). Folgende Schlachter überlassen den Marktführern nicht kampflos das Feld:


So hat sich Vogler mit Sitz in Luckau (Niedersachsen) von ehemals 900 000 jährlichen Schlachtungen und Platz 8 innerhalb von vier Jahren bis 2008 auf Platz 5 und stolze 1,5 Mio. Schlachtungen im Jahr 2008 gemausert (plus 63 %!). Eine entscheidende Rolle für diese Entwicklung spielte die Übernahme des Fleischzentrums Vosding in Laatzen im Juli 2008. Aktuell rechnet das Unternehmen mit einer weiteren Steigerung der Schlachtzahlen auf 1,7 bis 1,8 Mio. Schweinen im laufenden Jahr.


Zu den „Gewinnern“ zählt auch die Firma Tummel in Schöppingen (NRW). Sie liegt im Ranking der bedeutendsten 10 Unternehmen mittlerweile auf Platz 6. Tummel hat in den vergangenen Jahren seine Schlachtzahlen durch Ausweitung der Schlachtzeiten und -tage um 300 000 Stück bzw. 30 Prozent auf 1,3 Mio. Schweine jährlich gesteigert. Den Erfolg des Unternehmens begründet die Geschäftsführung unter anderem damit, dass sie den Begriff „partnerschaftliche Zusammenarbeit sehr ernst nimmt“. Offenbar scheinen sich Mäster, die ihre Schweine an Tummel verkaufen, tatsächlich z. B. auf kontinuierliche Abnahme, schnelle Entladungen sowie die zuverlässige und schnelle Bezahlung verlassen zu können.


Böseler Goldschmaus in Garrel hat 2007 zur Aufholjagd angesetzt. Mittlerweile hat Böseler das Unternehmen Gausepohl hinter sich gelassen und rangiert mit zuletzt rund 1,26 Mio. Schlachtungen knapp hinter Tummel (siehe Übersicht 2). Hauptgrund dafür ist der langfristige Kooperationsvertrag mit der Bünting-Gruppe. Böseler beliefert als Alleinanbieter sämtliche zugehörige Lebensmittelmärkte wie Famila, Markant und Combi mit Fleisch und Fleischwaren.


Eine sehr starke Wachstums­phase hat auch der BMR-Schlachthof in Garrel hinter sich. Mittlerweile ist das Unternehmen das neuntgrößte in der Branche. Die jährlichen Schlachtzahlen stiegen von 660 000 Schweinen im Jahr 2004 auf 1,06 Mio. Schweine in 2008 (plus 61 Prozent!). BMR hat mittlerweile rund 6,5 Mio. € in die Erweiterung der Schlachtkapazität investiert. Weitere Investitionen stehen im laufenden Kalenderjahr an. Das Ziel, 1,5 Mio. Schlachtschweine pro Jahr zu schlachten, könnte damit schon 2009 erreicht werden.


Besonders spannend für Süddeutschland ist die Entwicklung der Müller-Gruppe mit Sitz in Birkenfeld. Das Unternehmen rangiert inzwischen unter den 10 größten Schlachtunternehmen Deutschlands. Müller dürfte vor allem von der Übernahme der Südfleisch und Moksel durch Vion profitiert haben. Müller konnte vor einigen Jahren den ehemals städtischen Ulmer Schlachthof übernehmen und engagiert sich seit Juni 2007 auch am Standort Bayreuth. Dadurch hat die Gruppe die Schlachtzahlen seit 2004 um 174 % auf fast 1 Mio. Schweine steigern können. Derzeit wird der neue Schlachthof in Ulm unter dem Namen „Süddeutsches Schweinefleischzentrum“ für 1,5 Mio. Schweine jährlich fertiggestellt. Dadurch kann das Unternehmen die Rohstoffversorgung für die Zerlegung an den Standorten Ulm und Birkenfeld sicherstellen. Absatzschwerpunkt der Müller-Gruppe für Schweinefleisch ist der deutsche Markt mit etwa 75 Prozent, weitere 22 Prozent gehen in die Europäische Union. Der Drittlandexport macht annähernd 3 Prozent des Umsatzes aus.


Deutschland wird Schweinetransitland


Weshalb haben die deutschen Schlachtunternehmen überhaupt ein so rasantes Wachstum erzielt? Schließlich stagniert die Zahl der gemästeten Schweine bei uns doch seit Jahren, und der Schweinefleischverzehr ging zuletzt sogar leicht zurück.


Antwort: Deutschland wird mehr und mehr zum Transitland für Schweinefleisch. Knapp 4 Mio. Schlachtschweine kamen 2008 schon aus den Niederlanden und Dänemark lebend nach Deutschland. Der Hauptgrund dafür ist sicherlich der Preis. In den Niederlanden bewegt er sich seit langem unter der deutschen Notierung. Insbesondere die Vion übt dort immer wieder starken Druck aus.


Dänemark hat sogar die rote „Preislaterne“ aller EU-Staaten. Damit zeigen sich die negativen Auswirkungen einer immer stärkeren Konzentration in der Schlachtbranche für die Mäster. 2008 wurden nach ISN-Berechnungen etwa 15 Cent/kg Schlachtgewicht weniger ausgezahlt als in Deutschland – bezogen auf eine korrigierte Basis (56 % MFA, ab-Hof, 79 % Ausschlachtung, ohne MwSt.). Ursache dafür ist vor allem die Macht des Marktführers Danish Crown (79 % Marktanteil). Kein Wunder, dass dänische Mäster nach Absatzalternativen suchen.


Weltweite Fleisch-Exporte


Das Fleisch bleibt aber nicht bei uns: 2008 exportierten deutsche Schlachter mit 2,6 Mio. t so viel Schweinefleisch wie noch nie in Drittländer. Die wichtigsten Abnehmer waren:


Russland mit 764 000 t,


Hongkong mit 454 000 t und


Japan mit 236 000 t.


Dort ist deutsches Schweinefleisch gefragt, und die Zuwachsraten sind vielversprechend.


Von den weltweiten Geschäften profitieren vor allem die großen Schlachtunternehmen. So beziffert Branchenprimus Tönnies seine Exportquote bereits auf 40 % – Tendenz: Steigend. Ähnliche Werte erreichten die Schweinefleischausfuhren bei der Westfleisch. Leider hat aber die Finanzkrise die Nachfrage und das Drittlandsgeschäft seit Herbst 2008 abgebremst. Für viele Unternehmen dürfte es 2009 schwer werden, beim Export an das Vorjahresniveau anzuknüpfen.


Allerdings hat sich die Lage schon wieder etwas entspannt. Die deutschen Schlachter profitieren offenbar vom massiven Abbau der Schweinebestände in Mittel- und Osteuropa. Zurzeit verlagert sich der Drittlandexport mehr und mehr auf den innereuropäischen Handel. Davon könnten letztlich verstärkt auch wieder mittelgroße Schlachter profitieren, für die weltweite Geschäfte oft nur mit großem Aufwand und finanziellen Risiken zu realisieren sind.

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