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Weit ab vom Schuss - und trotzdem erfolgreich

Lesezeit: 8 Minuten

Viele Landwirte schreckt die Lage ihres Betriebes davon ab, in die Direktvermarktung einzusteigen. Gerade im Außenbereich verstecken sich die Höfe oft hinter teilweise kilometerlangen Einfahrten oder Wirtschaftswegen. Hat ein Hofladen unter solchen Voraussetzungen überhaupt eine Chance? Ja, wenn das Konzept stimmt. Das beweisen Anke (45) und Siegfried Hoffmann (49) aus Kiliansroda in Thüringen. Mit selbstgemachter Wurst und hochwertigem Fleisch schafften sie es, die Leute in das abgelegene Dorf und ihren Hofladen zu locken und das ohne großen Werbeaufwand. Statt dessen wird der Fleischeinkauf bei Hoffmanns zum Rundum-Erlebnis. Beim Blick in den Stall oder in die Räucherkammer vergessen viele Kunden die etwas längere Anreise. Die meisten kommen aus Weimar und Erfurt (15 bzw. 30 km entfernt). Etliche fahren aber auch 80 km bis zum Hofladen, einer reist sogar aus dem Ruhrgebiet an. Dabei hatte das Ehepaar ursprünglich gar nicht vor, in die Direktvermarktung einzusteigen. Nach dem Fall der Mauer bauten sie als Wiedereinrichter einen Ackerbaubetrieb auf. Später kam ein Bullenmaststall dazu. Die Bullen vermarktete der Landwirt konventionell an den nächstgelegenen Schlachthof. Aber die Erlöse sanken, und dann kam auch noch die BSE-Krise. Klein angefangen Hoffmanns wagten den Sprung ins kalte Wasser. Sie stiegen in die Direktvermarktung ein. Zu den Bullen kamen Schweine hinzu. Ein Zerlegeraum und ein winziger Verkaufsraum wurden in einem ungenutzten Gebäude eingerichtet. Geschlachtet wurden die Tiere auf dem Schlachthof in Jena. Zuerst verkauften Hoffmanns überwiegend größere Teilstücke wie halbe Schweine und Rinderviertel. Das war zwar mit wenig Arbeit verbunden, doch nur ein Teil der Tiere konnte so direkt vermarktet werden. Denn der Kundenkreis war noch zu klein und bestand größtenteils aus Freunden und Bekannten. Kunden mit Wurst geködert Das fand Anke Hoffmann auf Dauer nicht ausreichend. Sie testete verschiedene Wurstrezepte aus der Region mit unterschiedlichem Erfolg. Uns konnte oder wollte niemand sagen, was genau in den alten Rezepten verarbeitet wurde, so dass wir lange herumprobieren mussten, beschreibt die Landwirtin die Anfänge ihrer Wurstproduktion. Das Räuchern hat sich ihr Mann ebenfalls selbst beigebracht. Er bekam zwar einige Tipps, dennoch stand er nächtelang vorm selbst gebauten Räucherschrank. Bald konnten die ersten Würste verkauft werden. Schnell sprachen sich die Qualität und der gute Geschmack herum. Plötzlich klingelte häufig das Telefon, und die Leute fragten nach den nächsten Schlachtterminen und der Wegbeschreibung, erinnert sich der Landwirt. Immer mehr Kunden fragten nach den Wurstspezialitäten. Die Entfernung spielte dabei keine Rolle. Schon bald konnten Hoffmanns zwei Schweine und einen Bullen pro Monat verwerten. Dadurch fiel die Entscheidung leicht, die Direktvermarktung an dem vermeintlich ungeeigneten Standort weiter auszubauen. Denn mittlerweile waren die Räume erneut zu klein geworden, um ordentlich arbeiten zu können. Schritt für Schritt gewachsen Im letzten Winter baute der handwerklich versierte Landwirt den vorerst letzten Teil des Schlachthauses. Jetzt können die Schweine vor Ort geschlachtet werden. Die Entfernung zum Schlachthof Jena ist einfach zu groß. Da kann ich nicht jede Woche mit einem oder zwei Schweinen hinfahren. Jetzt müssen die Tiere nur noch über den Hof laufen. Das geht schneller, ist tierfreundlicher und wirkt sich positiv auf die Fleischqualität aus, ist sich der Landwirt sicher. Die Bullen werden aber weiterhin in Jena geschlachtet. Neben der Entsorgung des Risikomaterials und der Fleischbeschau wäre die notwendige Technik viel zu teuer. Das in Eigenleistung gebaute und erweiterte Schlachthaus ist mittlerweile das Schmuckstück des Betriebes. Zusätzlich zu den Schlacht- und Zerlegeräumen gibt es zwei Kühlzellen und eine neue Räucherkammer. Im vergrößerten Verkaufsraum steht jetzt eine moderne Kühltheke. Alles macht einen hygienischen und modernen Eindruck. Rund 46 000 E hat das Ehepaar mittlerweile in das Schlachthaus investiert. Dabei wurden Kosten gespart, wo es nur ging: Die Einrichtung und Maschinen zur Wurstherstellung konnte Siegfried Hoffmann günstig aus Insolvenzen übernehmen. Teilweise wurde wochenlang nach Schnäppchen gesucht. Eine große Hilfe war auch das Agrar- Investitions-Programm (AIP) des Landes Thüringen. Weil sein Betrieb im benachteiligten Gebiet liegt, bekam der Landwirt einen Zuschuss zu den Baukosten in Höhe von 45 Prozent (siehe Kasten). Aber ein neues Schlachthaus lockt die Kunden noch nicht aufs Land. Woran liegt es dann, dass ihnen die lange Anreise nichts ausmacht? Die Kunden wissen, was sie bekommen Anke Hoffmann hält es für wichtig, den Käufern mehrere Anreize zu geben, aufs Land zu fahren und den Betrieb zu besuchen. Wenn schon der lange Weg zurückgelegt wird, wollen die Kunden selbstverständlich hochwertige Ware. Das gesamte Drumherum muss aber ebenfalls stimmen. So gehen die Kunden bei Hoffmanns zunächst durch ein kleines Tor in den Innenhof des Betriebes. Von einem Podest aus sind Schweine und Bullen zu sehen, die auf Stroh gehalten werden. Erst dann gelangt man in den Laden. Wir haben nichts zu verbergen, kann die Landwirtin stolz berichten. Schritt für Schritt lässt sich beobachten, wie aus Schweinefleisch Wurst gemacht wird. Durch Fenster können die Kunden zuschauen, wie Därme gefüllt und Schnitzel geschnitten werden. Das macht den Leuten Appetit und schafft Vertrauen, hat Anke Hoffmann aus Kundengesprächen erfahren. Anonym abgepacktes Fleisch aus dem SB-Regal gibt es bei ihr nicht. Statt dessen finden die Kunden das ursprünglich Traditionelle wie den Rauchgeruch und den Strohstall. Die Kombination mit den professionell eingerichteten Schlacht- und Verkaufsräumen trifft genau den Nerv der Kundschaft. Das, und die für jeden sichtbare Produktion, finden die Leute so toll an unserem Hof, bringt es die engagierte Landwirtin auf den Punkt. Breite Auswahl an Fleisch und Wurst Hoffmanns wollen sich weiter auf Fleischwaren konzentrieren. Derzeit mästet der 49-jährige Landwirt jährlich 50 bis 60 Schweine mit eigenem Getreide und gedämpften Kartoffeln bis über 200 kg Lebendgewicht. Dazu kommen etwa 20 Bullen, die mit Silage und Getreide gefüttert werden. In zwei Gehegen hält der passionierte Jäger 35 Stück Damwild. Zusätzlich ist Wildbret aus dem eigenen Jagdrevier im Angebot. Sämtliche Fleischsorten werden als Teilstücke verkauft oder zu Wurst verarbeitet. Neben den fertig geschnittenen Braten, Rouladen und Teilstücken bietet Anke Hoffmann frisches Hack an. Sieben Wurstsorten gibt es entweder geräuchert oder im Glas eingekocht. Zum echten Renner haben sich mit Hack gefüllte geräucherte Schweinelenden entwickelt, die als Aufschnitt eine echte Delikatesse sind. Delikate Preise findet man aber trotzdem nicht in der Fleisch- und Wursttheke des Direktvermarkters. Zwar ist die Wurst im Supermarkt günstiger, mit den Fleischereien der Umgebung kann der Landwirt aber mithalten. Noch höhere Preise wollen sie wegen der längeren Anfahrtswege der Kunden nicht verlangen. Aber auch so erlösen wir wesentlich mehr als mit der konventionellen Vermarktung über den Schlachthof, betont Siegfried Hoffmann. Trotz der Mehrarbeit ist aus der ursprünglichen Bullenmast eine lohnende Direktvermarktung an einem ungewöhnlichen Standort geworden. Bislang auf Werbung verzichtet Der Kundenstamm besteht mittlerweile aus 60 bis 70 Stammkunden und etlichen Gelegenheitskäufern. Sie wohnen teilweise weit entfernt, so dass die Werbung bisher hauptsächlich über Mundpropaganda läuft. Die Fleisch- und Wurstwaren haben sich praktisch von Anfang an als Selbstläufer entwickelt. Anke Hoffmann ruft aber einen Teil der Stammkunden vor den Schlachttagen an. In der Saison werden wöchentlich von September bis Mai ein bis zwei Schweine und zweimal im Monat ein Bulle geschlachtet. Siegfried Hoffmann ist sich sicher, dass seine Kunden auch häufiger in das abgelegene Dorf kommen würden. Trotzdem will er seinen Hofladen weiterhin nur freitags und samstags öffnen, da die Arbeitsbelastung sonst zu groß wird. Denn mittlerweile ist auch der Ackerbau auf rund 400 ha angewachsen. Manchmal verkaufen wir aber auch sonntags, wenn die Leute plötzlich vor der Tür stehen. Das sind dann meist Spaziergänger, und wer weiß, vielleicht werden sie ja zum Stammkunden, hofft der Landwirt. Auch auf Sonderwünsche gehen Hoffmanns weitgehend ein. Die beste Werbung sind zufriedene Kunden, findet Anke Hoffmann. Nach der Erweiterung der Direktvermarktung müssen allerdings noch mehr Kunden nach Kiliansroda kommen. Um die Bekanntheit weiter zu steigern, kann sich die Landwirtin zukünftig Werbeaktionen vorstellen (Lesen Sie dazu die Tipps im Kasten.) Fazit: Die Leute fahren gern aufs Land! Die engagierte Landwirtsfamilie Hoffmann beweist, dass sich Direktvermarktung auch lohnen kann, wenn der Betrieb nicht am Stadtrand oder an der Bundesstraße liegt. Stimmen Qualität und Preis, spricht sich schnell herum, dass sich der Weg zum Hofladen auszahlt. Traditionell hergestellte Wurstsorten, in einem modern eingerichteten Verkaufsraum angeboten, treffen offenbar genau den Geschmack der Kunden. Das Umfeld muss aber ebenfalls stimmen, damit sich der Ausflug aufs Land lohnt. Offene Stalltüren und eine gläserne Produktion sind da ein guter Ansatz. Wenn der Einkauf dann noch mit einem Spaziergang oder einem Besuch des Wildgeheges verbunden wird, ist die lange Anreise schnell vergessen. Christian Brüggeman

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