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Es fehlen immer mehr Tierärzte in Österreich

Bewahrheitet sich eine Prognose der Tierärztekammer, fehlen in ein paar Jahren bis zu 140 Großtierärzte in Österreich. Gemeinschaftspraxen könnten das Problem abschwächen.

Lesezeit: 6 Minuten

Am Wochenende einen Tierarzt zu bekommen, ist vielerorts schwierig, wie Landwirte berichten. Selbst Freitagnachmittag haben viele Praxen geschlossen und die Veterinäre sind nicht erreichbar oder bereits anderswo im Einsatz. Es ist ein Problem für Tierhalter in ganz Österreich. Die flächendeckende Versorgung mit Großtierpraktikern ist in manchen Regionen stark gefährdet.

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Im Großtierbereich fehlt es schon jetzt an Veterinärmedizinern, laut einer Studie der Tierärztekammer wird sich die Situation verschärfen.

Kliniken und Praxisgemeinschaften machten mit geregelten Dienstzeiten den Job attraktiver, hier fehlt es an passenden Rahmenbedingungen.

In Niederösterreich fordert die ­Landwirtschaftskammer Maßnahmen, um ­Tierärzte für die ländlichen Gebiete und Nutztiere zu begeistern.

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Bewahrheitet sich eine Prognose der Tierärztekammer, wird sich die Situation noch verschärfen, wie Simulationsforscher Dr. Niki Popper erklärt: „Obwohl die Anzahl an Tierärzten steigt, bleibt bei erhöhter Nachfrage das Tätigkeitsausmaß gleich“, erklärt Popper.

Im Nutztierbereich sinken sowohl die Personenzahlen als auch die Summe des Tätigkeitsausmaßes. „Selbst wenn man von einem fallenden Bedarf ausgeht, droht ein Tierärztemangel“, prognostiziert Popper. Im Grundszenario werden bis zum Jahr 2027 zwischen 32 und 55 Nutztierärzte fehlen, bis 2032 werden es schon 85 bis 120 Personen sein und im Jahr 2037 werde sich die Anzahl der fehlenden Nutztierärzte auf 90 bis 140 Personen erhöhen, lautet die Prognose. Derzeit sind rund 700 Nutztierpraktiker in Österreich für die Landwirte im Einsatz.

Gemeinschaftspraxen für bessere Arbeitsbedingungen

Rund 40 Veterinärmediziner arbeiten in der Traunkreis Vet Clinic in Oberösterreich. An einem Wochenende fahren die Mitarbeiter schon einmal quer durchs Land. „Wir sind sieben Tage die Woche rund um die Uhr im Einsatz“, erklärt Thomas Voglmayr, der die Niederlassung in Waizenkirchen leitet. An fünf Standorten und mobil wird vom Hamster bis zum Stier alles behandelt.

„Wir bieten unseren Tierärzten geregelte Dienstzeiten und betreiben auch ein aktives Recruiting, um Mitarbeiter zu bekommen“, sagt Voglmayr. Die Arbeitszeitmodelle umfassen auch Teilzeitlösungen und unterscheiden sich zu jenen in Einzelpraxen, wo meist rund um die Uhr Bereitschaft herrscht. Werde in einer kleinen Praxis ein zweiter Tierarzt gesucht, müsse er mit 50 % der Wochenend- und Nachtdienste rechnen. „Auf Dauer ist das schwierig und viele beginnen zwar in solchen Praxen, wechseln dann aber wieder nach ein paar Jahren“, weiß Voglmayr.

„Wir brauchen dringend eine Zukunftsstrategie für die tierärztliche Versorgung in unserem Land. Das ist wichtig für das Tierwohl und auch für den Erhalt einer zukunftsfähigen Landwirtschaft“, fordert Andrea Wagner, Vizepräsidentin der Landwirtschaftskammer Niederösterreich. Auch sie sieht aufgrund von Pensionierungen und ­fehlendem Nachwuchs die flächendeckende tiermedizinische Versorgung akut gefährdet.

Wenig Interesse für Nutztiere

Tierarzt Gerhard Eder, der eine Tierarztpraxis in Eggenburg in Niederösterreich führt, sieht die Entwicklung ebenfalls kritisch: „Weil es immer weniger Großtierpraktiker gibt, werden unsere Fahrten zu den Betrieben immer länger. Wochenend- und Nachtdienste sind schwierig zu planen und werden immer kostenintensiver. Zudem interessieren sich die Studierenden eher für Kleintiere als für landwirtschaftliche Nutztiere.“ Zu Beginn seiner Tätigkeit erstreckte sich das Praxisgebiet Eders auf einen Radius von rund 15 km, heute sind es 50 km.

Eder betreibt die Praxis seit 1998 und ist auch in der Fleischuntersuchung tätig. Er behandelt sowohl landwirtschaftliche Nutztiere als auch Kleintiere, deren Anteil stark im Steigen ist, genauso wie die Anzahl der behandelten Pferde.

Strukturproblem am Land

An der Veterinärmedizinischen Universität sieht man keinen Mangel an Tierärzten in Österreich. „Was es in einigen ländlichen Regionen jedoch sehr wohl gibt, das ist ein Mangel an notwendigen Strukturen, die das Arbeiten für Tierärzte attraktiv und rentabel machen“, erklärt Rektorin Petra Winter.

Seit 2011 wurden die Studienplätze für das Diplomstudium kontinuierlich aufgestockt, zuletzt von 200 auf aktuell 223 Plätze. Die Abschlussquote liegt bei rund 90 %. Alle diese Studierenden haben im letzten Studienabschnitt die Möglichkeit, nach ihren persönlichen Interessen aus verschiedenen „Vertiefungsmodulen“ zu wählen.

Zuletzt entschieden sich, laut der Universität, lediglich 55 Studierende für das Vertiefungsmodul „Kleintier­medizin“, 113 Studierende hingegen wählten Module aus dem Groß- und Nutztierbereich wie „Wiederkäuer“, „Schwein/Geflügel“, „Pferdemedizin“ oder „Lebens­mittelwissenschaften, öffentliches Veterinär- und Gesundheitswesen“. „Es ist also grundsätzlich für Nachwuchs ­gesorgt. Wir haben allerdings ein Struktur- und Verteilungsproblem nach dem Studienabschluss“, meint Winter.

Viele selbstständige ­Tierärzte

Den Grund für die fehlenden Großtierärzte in bestimmten ländlichen Regionen sieht sie in den attraktiveren Ballungsräumen und die wenig familientauglichen Not- und Wochenenddienste mit langen Anfahrtszeiten für Nutztierärzte.

Grundsätzlich gibt es in Österreich noch eine hohe Dichte an selbstständigen Tierärzten, die oft 60 Stunden und mehr pro Woche arbeiten, erklärt Tierärztekammer-Präsident Kurt Frühwirth: „Etwa ein Drittel der Veterinärmediziner arbeitet in Nutztier- und Gemischtpraxen. Österreichweit ist der Großteil der Nutztierärzte vor allem in Rinderbetrieben tätig.“

Im internationalen Vergleich liege Österreich mit 70 % Selbstständigen im Spitzenfeld, so Frühwirth, der EU-Durchschnitt liege lediglich bei 35 %.

Neue Maßnahmen gefordert

Die Landwirtschaftskammer Niederösterreich fordert einerseits eine längere Dienstausübungsmöglichkeit von Beschautierärzten, um die größte Not in diesem Bereich zu lindern. Andererseits sind Maßnahmen zu setzen, die den Zugang zum veterinärmedizinischen Studium für österreichische Studenten wieder erleichtern und die Attraktivität im Bereich der Nutztierpraxis entsprechend erhöhen.

Außerdem sollte es ein Stipendium für Studierende, die eine Nutztierpraxis anstreben, geben. „Dies soll junge Menschen aus den Bundesländern unterstützen und motivieren, sich später wieder im eigenen Bundesland niederzulassen“, heißt es von der Landwirtschaftskammer. Speziell das Modell der Gemeinschaftspraxis soll forciert werden, so können Wochenend- und Nachtdienste auf mehrere Tierärzte aufgeteilt werden.

Hier sieht auch Thomas Voglmayr die Zukunft für die tierärztliche Ver­sorgung im ländlichen Raum. „Nur braucht es hier noch bessere Rahmenbedingungen, die Gesetzeslage ist in Österreich immer noch stark auf Einzelpraxen ausgerichtet, wie etwa bei den Hausapotheken. Tierärztegesellschaften haben andere Anforderungen, auf die von den Behörden mehr eingegangen werden müsste, um die Versorgung abzusichern“, sagt der Veterinärmediziner.

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