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Grünland: Runter vom Gas bei der Intensität?

Vor allem der Klimawandel, aber auch andere Faktoren, haben großen Einfluss auf die Nutzung des Grünlandes.

Lesezeit: 11 Minuten

Mit welcher Intensität Sie künftig Ihre Flächen bewirtschaften sollten, beschreibt der folgende Beitrag mit dem Autoren Prof. Dr. Martin Elsäßer.

Die Nutzung des Grünlandes wird immer stärker durch fünf Faktoren beeinflusst:

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  • neue politische Rahmenbedingungen,
  • zunehmenden Flächenverbrauch für Straßenbau und als Ausgleich für ökologische Maßnahmen,
  • Fleischverzicht,
  • Abnahme der Biodiversität
  • und ganz massive Veränderungen beim Klima.
  • Alte Regeln gelten nicht mehr.

Zudem verlangen die Landwirte für höchste Milchleistungen ihrer Kühe Futter vom Grünland mit immer höheren Energie- und Eiweißgehalten und noch besserer Verdaulichkeit.

All das bewirkt, dass die alten Regeln der Bewirtschaftung von Grünland so nicht mehr gelten oder zumindest gut überdacht werden müssen. Aber heißt das jetzt, dass wir mit der Leistungsfähigkeit unserer Grünlandbestände am Ende sind? Oder ist es wenigstens infolge der Nutzung des Zuchtfortschrittes möglich, die Intensität zu halten oder gar zu steigern? Dem scheint nicht so zu sein, denn inzwischen warnen Grünlandfachleute bereits davor, dass die Tierzüchtung zu einseitig auf höhere Leistungen ausgerichtet ist. Und die können wir mit Grünlandfutter nicht oder zumindest nur noch teilweise ausfüttern. Im Folgenden werden Lösungen aufgezeigt, die die mögliche Intensität der Grünlandnutzung beeinflussen könnten.

2,5 l/m2 Wasser pro Tag nötig

Das Wachstum von Grünland hängt im Wesentlichen vom verfügbaren Wasser ab. Je Tag werden rund 2,5 l/m2 gebraucht. Wasser kann im Boden gespeichert sein oder direkt aus Niederschlagswasser stammen.

Aber die Wasserversorgung ist infolge der Klimakrise nicht planbar. Neben zeitweiliger Trockenheit oder sogar Dürren, die häufiger werden, kann es auch zu extremen Regenereignissen kommen. Hier werden dichte Grünlandbestände zur Minderung möglicher Erosionsschäden gefordert.

Erster Schnitt meist früher

Es zeigt sich schon jetzt, dass die Vegetationsperioden früher beginnen und länger dauern. Damit wird auch der erste Schnitt meist früher erfolgen – und noch im Spätherbst wächst Grünland längere Zeit weiter. Gleichzeitig verschiebt sich die Hauptniederschlagsperiode vom Sommer in den Herbst. Zudem verhindert die zeitweilige Sommertrockenheit regelmäßige Nutzungen das ganze Jahr hindurch.

Vor allem für Betriebe mit Weidegang heißt dies, Futterreserven für die Sommerperiode anzulegen. Und wenn Futter noch im Herbst bei mehr Niederschlägen wächst, kommt oft die Frage auf: Soll im Spätherbst noch geerntet werden oder sollen die Bestände trotz des Risikos von Schneeschimmel oder Mäusebesatz hoch in den Winter gehen?

Dieses Problem verschärft sich noch dadurch, dass in trockenen Sommern nicht ausgebrachte Gülle oft noch im Herbst auf die Flächen verteilt werden muss, um die Güllelager für die bevorstehende Winterzeit zu leeren. Gerade die Zeiten der Sommertrockenphasen werden für jegliche Düngung immer mehr wegfallen, denn fehlendes Wasser in der Bodenlösung verhindert eine sachgerechte Nährstoffverwertung.

Andererseits kann Gülle im Herbst nur wenig produktiv genutzt werden, weil Graswachstum angeregt und noch mehr Futter im Herbst wachsen würde. Mehr Futter im Herbst mag für Weidegang noch gut sein. Aber bei Schnittnutzung ist das weniger gewünscht, zumal mit höherer Futterverschmutzung bei der Ernte zu rechnen sein wird.

Intensität geht stark zurück

In Gebieten mit großer Trockenheit geht die Intensität der Nutzung stark zurück. Die Höhe des Niederschlags lässt sich nicht ändern, außer man denkt auch bei Grünland an Beregnung oder Bewässerung.

Die Nutzbarkeit des gefallenen Niederschlagswassers ist allerdings stark abhängig von der Möglichkeit der Böden, Wasser aufzunehmen und zu speichern. Zu bedenken ist hierbei, dass

  • bei normalen Silageflächen etwa 65 % des Bodens mit Fahrspuren bedeckt sind und
  • die Aufnahmemöglichkeit der Böden für Wasser bereits bei der ersten Befahrung stark sinkt. Unter diesen Annahmen bedeutet zunehmende Befahrung durch einen Schnitt mehr eine erhebliche Einschränkung. Ebenso ungünstig wirkt sich stark steigende Gewicht der Maschinen und Geräte aus.

Mit steigender Düngung und Nutzungshäufigkeit werden sowohl Wurzelmasse als auch Wurzeltiefgang zugunsten der oberirdischen Masse reduziert. Geringeres Wurzelwachstum führt dann dazu, dass Grünlandbestände anfälliger auf Stress, wie z. B. oberflächige Bodenverdichtung oder Trockenheit reagieren.

Zudem beschäftigt sich die moderne Ökologieforschung immer stärker mit den sogenannten funktionellen Merkmalen der Grünlandpflanzen. Darunter versteht man bestimmte Eigenschaften von Grünlandpflanzen, wie z. B. Wurzeltiefgang oder -dicke.

Tieferes Wurzelsystem

Sie bestimmen sehr maßgeblich die Eigenschaften der Pflanzen, sich an Umweltveränderungen erfolgreich und rasch anzupassen. Im Falle der Trockenheit bedeutet das z. B., dass Grünland bei fehlendem Wasser nicht gänzlich verschwindet, sondern sich zu Beständen mit tieferem Wurzelsystem umwandelt. Im Klartext, nach Trockenphasen haben alle Grünlandpflanzen ein größeres Wurzelsystem und können sich meist rascher wieder entwickeln. Allerdings werden auch Wurzelunkräuter wie Ampfer verstärkt wachsen.

Wie verändern sich Grünlandbestände bei unterschiedlicher Nutzungsintensität? Grünlandbestände sind botanisch extrem variabel, d. h. sie verändern sich in Abhängigkeit von der Bewirtschaftung am jeweiligen Standort sehr stark. Typischerweise nehmen mit gesteigerter Nutzungsfrequenz solche Arten zu, die recht schnell Nährstoffe in die Erneuerungsorgane einlagern können, bzw. deren Reservestoffspeicher bei der Nutzung nicht erfasst werden (z. B. Rhizome = unterirdische Wurzelausläufer oder Stolonen = oberirdische Sprossausläufer). Bei häufiger Nutzung nehmen also rasenbildende Grasarten zu (z. B. Dt. Weidelgras, Wiesenrispe und Gemeine Rispe); bei weniger häufiger Nutzung steigen die Ertragsanteile von Wiesenschwingel, Knaulgras und Glatt- bzw. Goldhafer an.

Mehr Leguminosen bei ­dreimaliger Nutzung

Die Übersicht

zeigt botanische Veränderungen aus einem langjährigen Versuchsbeispiel am Standort Aulendorf. Geringe Stickstoffzufuhr fördert die Leguminosen, wobei im Vergleich der beiden nur mit P und K gedüngten Varianten eine dreimalige Nutzung die Leguminosenanteile gegenüber der zweimaligen ebenfalls steigerte.

Die Zudüngung von Gülle war im Falle zweimaliger Nutzung eher kontraproduktiv. Denn je nach Standort und verfügbaren Nährstoffgehalten gibt es auch eine Mindestnutzungsintensität, die an diesem Standort mit einer nur zweimaligen Nutzung eindeutig unterschritten wurde. Die Effekte einer Steigerung der Nutzungsintensität sind klar. Mehr N-Düngung erhöht die Eiweißgehalte in den Aufwüchsen und verlegt die Schnittzeitpunkte nach vorne.

Inwieweit wirken sich die Veränderungen auf die Kosten der erzeugten Energieeinheit aus? Düngereinsparung auf der einen Seite und Ertragsrückgang auf der anderen Seite stehen sich gegenüber. Eine Überdehnung der Nutzungsintensität verändert aber die Bestände noch in einer weiteren Richtung. Denn zu intensive Nutzung halten nur sehr wenige Arten aus. Auch gute und leistungsstarke Futtergräser verschwinden aus dem Bestand und Gemeine Rispe wird zunehmen. Das ist in der Tat großflächig festzustellen.

Zunehmende Intensität verursacht also Folgekosten, die im Einzelnen allerdings nur schwer bezifferbar sind. Zudem kann es sein, dass sich bei Ganzjahressilage der Vorteil gleichzeitiger Erntetermine in einen Nachteil verwandelt. Das ist der Fall, wenn unterschiedliche Betriebsflächen mit verschiedenen Eigenschaften (feucht, trocken, hängig etc.) gleichzeitig genutzt werden. Flächen mit schlechter Befahrbarkeit leiden darunter weit stärker. Veränderungen im Bodengefüge und in der Bodenfruchtbarkeit sind die unausweichliche Folge davon.

Nun stellt sich die Frage, was würde passieren, wenn bislang intensiv genutzte Bestände von nun an weniger häufig genutzt werden, wenn z. B. aufgrund von Sommertrockenheit der dritte Aufwuchs nicht geerntet werden kann? Am LAZBW Aulendorf wurde dieser Frage mit einem Versuch nachgegangen.

Es zeigte sich, dass im Vergleich zur fünfmal geschnittenen Variante erwartungsgemäß die weniger häufig geschnittenen Varianten deutlich geringere Erträge und Energiemengen aufwiesen. Zwei frühe Nutzungen und ein später Schnitt im September ergaben sowohl höhere Trockenmasse- als auch höhere Energieerträge. Die drei zeitgerecht frühen Schnitte fallen ertragsmäßig etwas ab, belassen aber die Option einer weiteren Ernte im Herbst, wenn die Witterung das zulässt.

Auf die ersten beiden ­Nutzungen kommt es an

Entscheidend ist aber, dass die Ertragsverteilung des Gesamtjahresertrages auf die einzelnen Aufwüchse beachtet wird. Da zeigt sich klar, dass die TM-Erträge der ersten Aufwüchse hoch sind und mit den weiteren Schnitten abnehmen und dass sich die Eiweißgehalte nahezu gegenläufig entwickeln. Es kommt also auch in Zeiten des Klimawandels darauf an, die ersten beiden Nutzungen des Jahres so produktiv wie irgend möglich zu gestalten, wenn man hohen Futterertrag und eine entsprechende Qualität ernten will.

Anders sieht es aus, wenn eine möglichst hohe Artenvielfalt erreicht werden soll. Dann ist ein späterer erster Schnitt die deutlich bessere Vorgehensweise. Damit ist aber eine wesentliche Erkenntnis ganz klar: Je nachdem, ob beste Futterqualität oder Artenvielfalt angestrebt werden, ist die Nutzungsintensität anzupassen. Und, die Möglichkeiten der jeweiligen Grünlandstandorte sind zu beachten.

Auch hierzu ein Praxistipp: Nachhaltig ist die Grünlandnutzung dann, wenn sie sich an den Möglichkeiten des Standortes vor allem hinsichtlich der Wasserversorgung und der Vegetationsdauer orientiert. Nutzungsverzicht geht meistens mit Verlusten an Trockenmasse und Energie einher. Zudem ändert sich die Artenzusammensetzung der Bestände bei unterschiedlicher Nutzungsintensität. Wenn aber aus Kosten- oder Ertragsgründen oder bei immer häufiger auftretender Sommertrockenheit weniger häufig genutzt werden soll oder kann, dann sollten zumindest die ersten beiden Nutzungen im Jahr weiterhin frühzeitig erfolgen.

Die Wahl der Nutzungsfrequenz ist nicht beliebig, denn Grünlandpflanzen benötigen nach einem Schnitt eine artspezifisch unterschiedlich lange Zeit für die Entwicklung neuer Blätter. Erst wenn genügend Blattmasse gebildet ist, kann der Bestand erneut genutzt werden. Das bedeutet, dass ein Bestand an eine häufige Nutzung angepasst sein muss. Ausgedrückt wird das üblicherweise mit der sogenannten Mahdverträglichkeitszahl. Ist sie hoch (zwischen 8 bis 9), sind die Pflanzen für eine häufige Nutzung besser geeignet als solche mit niedrigerer M-Zahl.

Was muss bei der Nutzungstiefe beachtet werden? Die Wahl der richtigen Nutzungstiefe sollte nicht dem Zufall überlassen bleiben. Denn die Geschwindigkeit des Nachwuchses nach einer Nutzung ist zum einen von der verbliebenen Restblattfläche und zum anderen von der Menge an gespeicherten Reservestoffen abhängig. Zudem ist die Bauart der Gräser entscheidend.

Tiefe Nutzung wird von Gräsern mit Seitentrieben ertragen. Horstgräser sollten dagegen nicht ganz so kurz abgeschnitten werden, denn die Nährstoffe zum Wiederaustrieb werden in den Stoppelbereichen gespeichert. Bei beiden Grastypen ist es wichtig, dass der Wachstumskegel der Pflanzen nicht abgeschnitten wird. Unterschiedliche Nutzungstiefen wirken sich auf die Entwicklung der Gräser und Kräuter aus. Ein tiefer Schnitt begünstigt eher die Kräuter, wohingegen Gräser eher gehemmt werden.

Auch Kurzrasenweiden, bei denen man den Eindruck hat „da steht ja gar nicht mehr viel Gras“, dürfen nicht zu stark und zu tief abgefressen werden. Hier empfiehlt sich eine durchschnittliche Wuchshöhe von 6 bis 7 cm, die für den Erhalt einer genügenden Menge an Restassimilationsfläche ausreichend sind.

Portionsweiden können durchaus auch mal bis auf 4 cm abgefressen werden, weil infolge des Weideumtriebs die gerade abgefressene Fläche wieder geschont wird und genügend Zeit bis zum Neuaustrieb verbleibt.

Was können wir nun aus dem oben Gesagten letztlich mitnehmen? Das altbekannte System der Grünlandnutzung nach dem System der abgestuften Bewirtschaftungsintensität hat weiterhin Bestand. Das gilt auch in der Klimakrise. Die Nutzungsintensität in Betrieben oder ganzen Regionen richtet sich nach den Standortbedingungen und betrieblichen Gegebenheiten. Dort, wo intensive Nutzung möglich ist, wird in aller Regel intensiv genutzt.

Weiter entfernte Fläche ­extensiver nutzen

Weiter entfernte oder schlechter nutzbare Flächen könnten extensiver genutzt werden und so dem Anspruch an Biodiversität genügen. Artenvielfalt kann also nicht nur auf einer einzelnen Fläche, sondern auch auf einem Betrieb mit unterschiedlich bewirtschafteten Flächen stattfinden. Leguminosen werden in Zukunft immer wichtiger werden, denn sie reduzieren den Aufwand an Stickstoffdüngern und sind wichtig für die Steigerung der Biodiversität.

Eine weitere Kombination ist aber allerdings auch noch denkbar. Denn die Variation in der Futterqualität kann auch aus der Kombination der verschiedenen Verwertungsrichtungen mit verschiedenen qualitativen Anforderungen erfolgen. Z. B. wird der erste Aufwuchs meist für Milchvieh verwendet, wohingegen die weiteren Aufwüchse bei eventuell längeren Aufwuchszeiten für Biogas oder auch extensive Tierhaltungsverfahren Verwendung finden könnten. Eine solche Flexibilisierung wäre innerbetrieblich aber durchaus auch im Rahmen überbetrieblicher Kooperationen denkbar.

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