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topplus Alpiner Ackerbau

Getreide aus den Bergen

Ackerbau war lange aus dem alpinen Raum fast verschwunden und in die Gunstlagen abgewandert. Klimawandel, Eigenversorgung und angepasste Sorten sorgen aktuell für eine Rückkehr.

Lesezeit: 6 Minuten

Alpiner Ackerbau war über Jahrhunderte für die Bauern selbstverständlich. Was für Mensch und Tier benötigt wurde, erzeugten die Menschen vor Ort und sogar in abgelegenen Seitentälern des Alpenhauptkamms wurde bis über 1.200 m Seehöhe Getreide angebaut. In den 1920er-Jahren gab es allein in Salzburg noch 38.000 ha Ackerfläche, in den 1970er- Jahren noch 8.200 ha – jetzt sind es nur noch 2.000 ha.

Hörndl- und Körndl-Bauern

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Seit der intensiven Mechanisierung und Globalisierung verschob sich der Getreideanbau fast zur Gänze in die Gunstlagen. Im Grünland des Berggebiets spezialisierten sich die Betriebe auf die Rinderhaltung. Damit ergab sich eine Zweiteilung in Österreich: „Hörndl-Bauern“ im Westen und „Körndl-Bauern“ im Osten.

Mit dem Verschwinden des Ackerbaus aus alpinen Regionen verblasste das Wissen darüber, das vorher über Generationen überliefert wurde. Zudem gibt es kaum brauchbare Maschinen für den Ackerbau im Berggebiet, vieles ist Eigenbau oder Handarbeit.

In den letzten Jahren haben wieder einige Landwirte im Berggebiet begonnen, sich mit dem Getreideanbau zu beschäftigen. Emil Platzer vom Biohof Gschwendt im Pongau ist einer der Pioniere, der sich mit „Learning by Doing“ bereits ein umfassendes Wissen zum alpinen Getreideanbau angeeignet hat.

Bei ihm fand im letzten Jahr das ÖKL-Seminar „Inneralpiner Ackerbau“ statt, das innerhalb kürzester Zeit ausgebucht war und an einem späteren Termin wiederholt wurde. Daran merkt man das zurückkehrende Interesse der Bergbauern an diesem Thema. Nicht zuletzt aufgrund von Corona und der Ukraine-Krise, rückt die Eigenversorgung mit Nahrungs- und Futtermitteln wieder in den Fokus der Landwirte.

An der HBLFA Raumberg-Gumpenstein liegen bereits Erfahrungen und Ergebnisse aus langjährigen Versuchen im Getreideanbau im Alpenraum vor. Am Standort Trautenfels auf 680 m im Bezirk Liezen forschte Waltraud Hein bis zu ihrer Pensionierung zu Standorteinflüssen, Fruchtfolge, Anbau, Düngung und Pflegemaßnahmen im Getreidebau.

Ansprechende Erträge

Dort probierte sie zudem auch Mischungen von mehreren Getreidesorten und -arten und untersuchte die alten, ursprünglichen Getreidearten Emmer und Einkorn. Dies scheiterte aber bereits nach einem Versuch an der deutlich späteren Reife und dem damit verbundenem massiven Vogelfraß.

„Ein sehr wichtiger Faktor beim alpinen Getreideanbau ist die optimale Sortenwahl“, sagt Hein. Hier kommt es auf Standfestigkeit, gute Überwinterung, frühreife Eigenschaften, Auswuchsfestigkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten an.

Bei der Sortenwahl können die Boniturtabellen und Versuchsergebnisse der AGES helfen. „Eine Saatstärke von 350 bis 400 Körner pro Quadratmeter ist bei Sommergerste und Winterweizen ideal“, berichtet Hein. Die Erträge und Qualitäten auf dem alpinen Standort in Trautenfels konnten sich im Mittelwert aus den Versuchen zwischen 2008 und 2021 durchaus sehen lassen:

  • Winterweizen (Biosorten): 50 dt/ha bei 13,5 % Rohprotein (RP),
  • Wintergerste: 40 dt/ha bei 11 % RP,
  • Winterroggen: 40 dt/ha bei 10,5 % RP,
  • Wintertriticale (Futtermittel): 60 dt/ha bei 11 % RP,
  • Sommerweizen: 25 dt/ha bei 13,5 % RP (sehr gleichmäßige Erträge),
  • Sommergerste: 30 dt/ha bei 11,5 % RP,
  • Sommerhafer: 25 dt/ha bei 11,5 % RP (schwankende Erträge).

Auch die Strohmengen waren beachtlich, vor allem bei Wintertriticale und Winterroggen können bis zu 60 dt/ha Stroh geerntet werden – vorausgesetzt, die maschinelle Bewirtschaftung der Fläche ist möglich und geeignete Maschinen sind verfügbar.

Neben der eingeschränkten maschinellen Bewirtschaftung gibt es weitere Herausforderungen im alpinen Getreideanbau:

  • starke Auswinterung durch Schneeschimmel,
  • Verbissschäden durch Wild oder Vögel (kann bei frühreifen Sorten ohne Grannen, wie z. B. Kolbenweizen oder Hafer, sehr massiv sein),
  • starke Verunkrautung,
  • Krankheitsbefall, etwa mit Steinbrand, Fusarium oder Mutterkorn.

Für diese Krankheitserreger, die auch typisch im Bioanbau sind, müssen Landwirte unbedingt Gegenmaßnahmen setzen, z. B. weniger anfällige Sorten wählen, Ernterückstände einarbeiten und weite Fruchtfolge einhalten. Konventionelle Betriebe können auch behandeltes Saatgut einsetzen.

„Getreideanbau im Alpenraum ist möglich“, resümiert Wissenschaftlerin Hein. „Je nach Standort funktioniert auch in hohen Lagen der Anbau von Wintergerste bis Sommerhafer.“

Alte Getreidesorten

Das bestätigt auch Stefanie Suchy von der Tiroler Umweltanwaltschaft. Bei dem Projekt „Alte Tiroler Getreidesorten“ können Biobetriebe alte Sorten zum Anbau wählen und Saatgut über die Tiroler Genbank bzw. die Tiroler Saatbau beziehen. „Hauptsächlich verwenden wir die Wintergetreidesorten Chrysanth Hanserroggen und Tiroler Kolbendinkel“, berichtet Suchy.

Die meisten Landwirte würden die Korn- und Stroherträge für den Eigengebrauch nutzen. „Der Strohertrag vom Chrysanth-Hanserroggen ist sehr gut. Die Halme werden bis zu 2,5 m lang, gehen aber oft ins Lager.“ In einem Projekt mit dem AufBauWerk und der HTL Lienz sollen künftig die langen Strohhalme als natürliche Trinkhalme gewonnen werden.

Das höchste Getreidefeld im Sorten- projekt der Tiroler Umweltanwaltschaft liegt in Nauders auf 1.550 m. „Selbst in dieser extremen Höhe ist Ackerbau möglich, hier können sich die alten, robusten Landsorten etablieren“, meint Suchy. „Die Sorten sind seit Jahrhunderten an diese Grenzstandorte angepasst. Sie liefern zwar weniger Ertrag, sind aber dafür sehr ertragssicher.“

Genau solche Sorten könnten künftig wieder eine größere Rolle spielen, denn aufgrund des Klimawandels könnten höher gelegene Gebiete künftig im Vorteil sein, wie die Wetterexpertin Claudia Riedl (ehem. ZAMG, jetzt GeoSphere Austria) erklärt.

Winter ade, Kaum Schnee

Die Vegetationsperiode hat sich in den letzten 50 Jahren auf über 200 Tage verlängert. „Der Frühling beginnt zwei Wochen früher und der Herbst dauert zwei Wochen länger“, erklärt Riedl. „Alles geht auf Kosten des Winters!“ Lufttemperatur und Sonnenscheindauer haben sich durch den Klimawandel bereits messbar erhöht. Gleichzeitig bleibt der langfristige Trend bei den Niederschlägen jedoch gleich.

„Die Trockenheit hängt also nicht vom Fehlen des Niederschlags ab, sondern von den höheren Temperaturen und der damit stärkeren Verdunstung“, erklärt Riedl. Wetterextreme mit Starkregen, Hagel und Gewitter sind in den letzten 20 Jahren zwar nicht häufiger geworden, aber deutlich intensiver. Dadurch steigt die Gefahr für Erosion, Überschwemmung und regionale Schäden.

Künftig werden aufgrund des Temperaturanstiegs auch die Tage mit geschlossener Schneedecke abnehmen. „Laut einer Modellrechnung wird die Schneehöhe in 1.700 m ab dem Jahr 2030 um rund 20 % zurückgehen! Damit reduzieren sich die Wasservorräte fürs Frühjahr“, so Riedl. Während die Bäche und kleinen Flüsse ohne Gletscherabfluss im Sommer weniger Wasser führen werden und ihre Wassertemperatur steigen wird, dürften die Gebiete mit Schmelzwasser weiterhin gut mit Wasser versorgt sein. Auch durch Taubildung in den Berggebieten wird Feuchtigkeit im Boden verfügbar.

Diese Veränderung bringt einerseits massive Einschnitte in die Ökologie im Alpenraum, jedoch aus landwirtschaftlicher Sicht auch einen gewissen Vorteil für höhergelegene Regionen. Das könnte die Rückkehr des Ackerbaus in den Alpenraum zusätzlich begünstigen.

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