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Direktvermarktung

Direktvermarktung: Lohnt der Einstieg?

Bei Milchpreisen von 20 Ct suchen Milchviehhalter händeringend nach Einkommensalternativen. Welche Chancen bietet die Milchvermarktung ab Hof? top agrar sprach mit Profis der Szene.

Lesezeit: 7 Minuten

Bei Milchpreisen von 20 Ct suchen Milchviehhalter händeringend nach Einkommensalternativen. Welche Chancen bietet die Milchvermarktung ab Hof? top agrar sprach mit Profis der Szene.


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Vom Milchpreis, den Direktvermarkter Dirk Jensen derzeit bekommt, können viele seiner Berufskollegen bundesweit nur träumen: Für 73 Ct verkauft der Milchviehhalter aus Niesgrau (Schleswig-Holstein) einen Liter Trink­milch in Tüten ab Hof an mehrere Einzelhändler in seiner Region. Nach Abzug seiner Kosten bleiben etwa 40 bis 50 Ct über. Von der Krise und dem Mengendruck am Markt merkt er bislang nichts: „Der Absatz ist stabil“, berichtet Jensen, der rund 1,3 Mio. kg Milch seiner 270 Kühe direkt vermarktet.


Sein Kollege Roland Stähr aus dem bayerischen Unterstürmig kann das bestätigen: „Bei unseren Kunden steht die Qualität des Produktes im Vordergrund und nicht der Preis.“ Er liefert den größten Teil seiner Milch derzeit für 1,25 €/Liter an über 1 000 Privathaushalte.


Mit diesem Preis liegt er in etwa auf dem Niveau, das derzeit in der Milch-Direktvermarktung gängig ist. Die meisten Direktvermarkter liefern einen Liter Milch für ca. 1,20 € frei Haus, mit einer Staffelung nach Abnahmemenge. Nach Abzug der variablen und festen Kosten für Transport, Material und Lohn bleiben meist zwischen 50 und 80 Ct/kg Milch übrig.


Was rechnet sich?


Bei Molkereipreisen von über 40 Ct wie im letzten Jahr haben viele Direktvermarkter überlegt, das Ab-Hof-Geschäft aufzugeben. Heute bei Milchpreisen von 18 bis 25 Ct bei den Molkereien sieht die Situation anders aus: „Jetzt sind wir froh, dass wir es nicht getan haben“, so der Tenor. Die Mehrzahl der Direktvermarkter haben damals die Preise angehoben, damit sich der höhere Aufwand für das Produkt lohnt.


Die meisten Milch-ab-Hof Vermarkter beliefern Privathaushalte mit pasteurisierter Trinkmilch, Joghurt und Quark in Mehrweg-Flaschen (Macrolon). Oft kommen noch Großabnehmer wie Kindergärten, Krankenhäuser oder Altenheime in der Region hinzu.


Die Produktion von Vorzugsmilch ist bedingt durch höhere Hygiene-Auflagen mittlerweile rückläufig. Nur wenige Betriebe halten daran fest, weil sie sich davon gegenüber dem Supermarkt einen Wettbewerbsvorteil versprechen.


Im Geschäft mit Endverbrauchern nur Trinkmilch anzubieten, lohnt sich allerdings kaum, weil damit der nötige Mindesumsatz pro Anfahrt des Kunden von ca. 15 €, nicht erreicht wird. Eine höhere Wertschöpfung verspricht die Produktion von Joghurt, Quark und Käse. Außerdem lassen sich die Kunden damit dauerhaft binden. Der höhere Arbeitsaufwand ist allerdings beträchtlich, besonders bei Käse.


Rohstoff- und Arbeitskosten sind entscheidend


Aktuelle Auswertungen zeigen, dass sich das Milch-Ab-Hof Geschäft vor allem ab einer direkt abgesetzten Menge von ca. 100 000 kg Kuhmilch pro Jahr (bei Schaf- und Ziegenmilch ab 30 000 kg) rechnet: „Diese Hofmolkereien erzielen einen deutlich höheren Umsatz und Gewinn, weil die Auslastung der Anlagen höher ist und sich die Kosten besser verteilen“, erklärt Marc Albrecht-Seidel vom Verband für handwerkliche Milchverarbeitung, Freising. Er hat gemeinsam mit Berater Hubert Redelberger 15 Hofmolkereien bezüglich ihrer Rentabilität genauer unter die Lupe genommen.


Dabei stellten sie fest, dass neben der Milchmenge vor allem der Umsatz pro kg verarbeiteter Milch eine entscheidende Rolle für den Erfolg spielt. Er liegt bei den erfolgreichen Betrieben bei 2,20 €/kg Milch, bei den weniger erfolgreichen bei 1,20 €/kg Milch. Der Erfolg sei dabei vor allem auf ein Sortiment mit höherer Wertschöpfung z.B. Joghurt oder Frischkäse zurück zu führen.


Bei diesen Betrieben war daher auch der Anteil der Rohstoffkosten am Umsatz mit 35 % gegenüber den weniger erfolgreichen Betrieben mit 44 % geringer. Das gleiche gilt für die Arbeitskosten, die den zweiten großen Unterschied zwischen rentablen und weniger rentablen Betrieben ausmachen. Beim erfolgreichen Drittel machen sie 24 % aus, bei den weniger erfolgreichen 47 %. Übrigens: Die Maschinen- und Gebäudekosten haben dagegen bei allen verglichenen Betrieben nur einen Anteil von ca. 9 % am Umsatz.


Mit Großkunden weniger Arbeit


Aufgrund der niedrigeren Arbeitskosten schneiden auch Hofmolkereien, die größere Milchmengen über den Großhandel absetzen, günstiger ab. Sie haben nicht nur weniger Aufwand bei der Logistik, sondern auch bei der Reinigung, da in diesem Segment vielfach mit Einweg-Verpackungen gearbeitet wird.


Deshalb versuchen immer mehr Direktvermarkter den Weg über Großhändler einzuschlagen. Die Chancen, mit den eigenen Produkten in die Regale regionaler Supermärkte zu kommen, stehen nach Aussage von Ernst Wirthensohn, freier Berater für Direktvermarktung, nicht schlecht: „Die Verbraucher greifen verstärkt zu regionalen Produkten und die Einzelhandels-Filialen in der Region müssen sich zunehmend von den Discountern abheben. Ein Gespräch mit den Filialleitern vor Ort kann sich durchaus lohnen.“


Gerade auch für Betriebsleiter, die sich nicht auf Privatkunden einlassen wollen, ist das ein Weg. Allerdings ist bei Großabnehmern der Preisdruck höher, da man direkt mit den Molkereien konkurrieren muss: „Während der Privatkundenkreis meist stabil bleibt, kann man einen Großkunden von heute auf morgen verlieren“, berichtet Dirk Jensen. Als sicherste Strategie wird daher eine Kombination aus Endverbraucher und Großabnehmern gesehen.


Als größerer Kunde für Milch könnten in Zukunft auch die Schulen in Frage kommen, da sich immer mehr Molkereien aus dem Geschäft verabschieden. Bisher rechnet sich die Schulmilch für die Betriebe zwar nur mit der EU-Beihilfe von 18,7 Ct/l. Doch das könnte sich ändern, wenn es gelingt, mit den neu aufgelegten Schulmilch-Projekten den Absatz ankurbeln. In Bayern haben bäuerliche Direktvermarkter mit einem Zuschuss Shake-Automaten in Schulen aufgestellt, die Milch in kompostierbaren Bechern anbieten. Die Resonanz bei den Schülern ist nach Angaben des bayerischen Landwirtschaftsministeriums sehr gut, allerdings hänge der Erfolg von der Unterstützung von Schulleiter und Hausmeister ab.


Frischmilchautomaten sind auch auf einigen Höfen im Kommen, weil sie ohne große Investition und ohne viel Arbeitsaufwand einen gewissen Zusatzerlös einbringen können. Während für eine kleine Hofmolkerei für den Einstieg mindestens 100 000 € investiert werden müssen, schlägt der Automat mit ca. 5 000 € o. MwSt. zu Buche (einfache Ausführung). Für die Umhausung und Installation sind weitere 5 000 € zu veranschlagen.


Damit sich ein solcher Automat gegenüber der Anlieferung an die Molkerei rechnet, müssen nach einer Kalkulation von Dr. Ralf Over von der Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume in Schwäbisch Gmünd bei einem Verkaufspreis von 60 Ct/l Milch täglich ca. 40 l abgesetzt werden. Dabei sind die laufenden Kosten für Strom und Reinigung sowie die Abschreibung und Verzinsung auf 10 Jahre berücksichtigt. Bei niedrigen Molkereiauszahlungspreisen rechnet sich der Automat noch deutlich früher. Wird er auf dem Hof betrieben, kann mit einem Hinweis zum Abkochen Rohmilch angeboten werden. Für Schulen muss die Milch pasteurisiert werden. Die Anschaffung eines Pasteurs ist dann unumgänglich.


Für größere Direktvermarkter sind Automaten aber keine Alternative. Sie kommen irgendwann nicht mehr ohne Fremdarbeitskräfte aus: „Doch gute Mitarbeiter zu finden und zu halten, ist fast genauso schwierig wie die Kundenpflege“, so die Erfahrung von Roland Stähr.Zur Erleichterung kaufen Profis vielfach Produkte zu oder lagern Arbeiten aus.


Denkbar ist auch, die Vermarktung von anderen erledigen zu lassen. Denn der Aufwand für das Marketing und die Kundenpflege ist beträchtlich: „Wer heute Erfolg mit der Direktvermarktung haben will, muss deutlich mehr Anstrengungen in die Vermarktung stecken als früher und flexibel auf Trends reagieren können“, erklärt Marc Albrecht-Seidel vom Verband für handwerkliche Milchverarbeitung.


Potenzial für Neueinsteiger


Potenzial für Neueinsteiger sei aber noch vorhanden: „In Deutschland gibt es viele weiße Flecken, vor allem in Bayern“, erklärt Ernst Wirthensohn, freier Berater für Direktvermarktung. Marc Albrecht-Seidel sieht vor allem für nicht austauschbare Produkte wie z. B. Weichkäse-Spezialitäten noch Platz im Markt.


Wichtig sei, eine genaue einzelbetriebliche Kalkulation vor dem Einstieg. Zur Sicherheit sollte die Molkerei im Hintergrund bleiben. Wer Erfolg haben will, braucht zudem einen langen Atem. Bis es rund läuft, dauert es mindestens fünf Jahre, so die Erfahrung der Profis. -sl-

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