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Es wirkt, aber keiner wei_ warum

Lesezeit: 7 Minuten

Ein neues Siliermittel bringt offenbar gute Ergebnisse. Aber der Hersteller lässt sich nicht in die Karten schauen. Selbst in Betrieben mit guter Silowirtschaft dampfte in letzter Zeit die Silage. Große Futterpartien sind verschimmelt und können nicht verfüttert werden. Viele Landwirte sind verzweifelt, wenn oft auch der Einsatz der Siliermittel gegen Nacherwärmung und Schimmelbildung fehlschlägt. Kein Wunder, dass man in dieser Situation nach jedem Strohhalm greift. Für einige Betriebe in Bayern sind "Effektive Mikroorganismen" ein solcher Strohhalm. Das Produkt, kurz EM genannt, ist nicht neu. Neu ist jedoch die Anwendung in der Silage. Was sind Effektive Mikroorganismen? Bei den EM (Produktname EM 1) soll es sich um einen Mix aus bis zu 80 Mikroorganismen wie Milchsäurebakterien, Hefen, Pilze, Strahlenpilze und photosynthetisierende Bakterien handeln. Ursprünglich zur Verbesserung des Bodens gedacht, werden die EM mittlerweile auch zur Aufbereitung der Gülle, zur Behandlung von Kälberdurchfall, im Klauenbad und zur Saatgutbehandlung und sogar in der Humanmedizin eingesetzt. Wenn diese Effektiven Mikroorganismen so viel können, warum sollen sie dann nicht auch die Silage stabilisieren? Die ersten Erfahrungen aus dem Raum Wasserburg in Bayern klingen positiv: "Zwei Jahre lang habe ich viel Silage aufgrund von Schimmel weg geworfen. Seitdem ich mit effektiven Mikroorganismen siliere, habe ich bestes Futter," erzählt Korbinian Bernhard, der in Felling einen Betrieb mit 30 Kühen bewirtschaftet. Seinem Kollegen Franz Blinninger aus Pfaffing erging es ähnlich: "Als ich EM-behandeltes Futter über unbehandeltes silierte, und nur die behandelte Silage ohne Schimmel blieb, war ich restlos von der Wirkung überzeugt", erklärt er. Erfahrung mit anderen Siliermitteln hat er allerdings nicht. Otto Oberberger, Milchviehhalter aus Pfaffing, hat dagegen den Vergleich: "Mit dem Erfolg der biologischen Siliermittel war ich zwar auch zufrieden, aber das Preis-Leistungsverhältnis der EM hat mich überzeugt." EM sind deutlich günstiger als andere Siliermittel: Während hierfür 0,60 E/t Siliergut veranschlagt werden müssen, kostet das biologische Vergleichsprodukt etwa 0,90 E/t. Auf die Aktivierung kommt es an Die Erfahrungen der Praktiker klingen wie aus einem Werbespot. Aber was steckt dahinter? Ein neues Wundermittel für die Silage? Wird mit EM siliert, setzen die Milchsäurebakterien Zucker in Milchsäure um und senken so den pH-Wert. Diese Wirkung ist nachvollziehbar. Die übrigen Organismen sollen nach Angaben des Herstellers den Gärprozess zusätzlich unterstützen und dabei Vitamine und Antioxidantien bilden. Mehr ist dazu bisher nicht bekannt und auch nicht mit Zahlen und Fakten belegt. Der Erfinder des Produktes, der japanische Professor Teruo Higa, macht bisher ein Geheimnis aus der Zusammensetzung und der Wirkungsweise des Mikrobencocktails. Die Anwendung der EM ist nicht ganz einfach: Die Mikroorganismen müssen erst "aktiviert" werden. Dazu muss die Mikrobenmischung (3 %) mit Zuckerrohrmelasse (3 %) und Wasser (94 %) sieben Tage lang bei einer Temperatur von 28 bis 38 °C unter Luftabschluss gehalten werden. Die Mischung ist rund 14 Tage haltbar. Elisabeth Bernhard benutzt dazu einen alten 200 l Milchtank, den sie mit einer 60 Watt-Lampe beheizt. Mit einem Fühler wird die Temperatur täglich überprüft. Nach dieser Woche muss die Lösung einen pH unter 4 erreicht haben. Pro m3 Silage sind 1 Liter Siliermittel nötig, die übrige Anwendung erfolgt wie bei den anderen Siliermitteln auch. "Beim Ansetzen muss man sorgfältig sein, um die richtige Vermehrungsrate der Organismen zu gewährleisten und um so die optimale Mischung zu erhalten," erklärt die Landwirtin. Wem das Ansetzen zu aufwändig ist, kann auch ein Fertigprodukt kaufen, das dann allerdings teurer ist und weniger Mikroorganismen enthält. Trotz schlechter Verdichtung kein Schimmel Die praktischen Erfahrungen mit den EM überzeugen mittlerweile selbst Fachleute: "Wenn schlecht verdichtete Silage aus überständigem Wiesengras mit 35% TS keinen Schimmel hat und dazu noch gut riecht, dann muss an der Wirkung der EM als Siliermittel etwas dran sein", so Silierexperte Dr. Joseph Pflaum. Die Anlayse der Silage im Betrieb Bernhard ergab einen Milchsäuregehalt von 1,9% und einen Essigsäuregehalt von 1,07 % in der Frischmasse. "Ohne Siliermittel ist unter diesen Umständen eine stark verschimmelte Silage zu erwarten", so Dr. Pflaum weiter. Auch der geringe Vorschub von 1,30 bis 1,50 m pro Woche im Sommer begünstigt zusätzlich das Risiko für Nacherwärmung. Einen negativen Einfluss des höheren Essigsäuregehalts auf die Futteraufnahme hat Betriebsleiter Bernhard bisher nicht festgestellt. "Aber mir fehlt auch der Vergleich," gibt er zu. Auch er hat vorher noch keine anderen Siliermittel ausprobiert. Bei einem eigenen Silierversuch in Weckgläsern mit Senfpflanzen (schwer silierbar) kommt Dr. Pflaum zu folgendem Ergebnis: Kein Schimmel, süß-säuerlicher Geruch und ein pH-Wert von unter 4. "Vor allem bei Trockensubstanzgehalten über 30 % kann ich mir eine Wirkung vorstellen, bei darunter liegenden Gehalten werden die Siliermittel mit homofermentativen Milchsäurebakterien wahrscheinlich besser sein", nimmt der Experte an. Er ist skeptisch, ob für die Wirkung der EM als Siliermittel wirklich die vielen Mikroorganismen notwendig sind. Auch Berater Eberhard Vögel aus Bad Waldsee verspricht sich viel von den EM. Unter seiner Anleitung wurden im Jahr 2003 bei vier Betrieben in Oberschwaben mehrere Silagen mit EM behandelt. "Die Stabilität hat mich überzeugt, aber ein Allheilmittel sind die effektiven Mikroorganismen sicherlich nicht. Auch da muss die Siliertechnik stimmen!" Die ersten Ergebnisse sind überwiegend positiv Bisher gibt es erst wenig Untersuchungen zum Einsatz von EM als Siliermittel. Aber die wenigen sprechen für eine Wirksamkeit: Universität Wageningen, Niederlande: Nach sechs Tagen wies die behandelte Silage einen pH-Wert von 5,5 gegenüber 6,5 in der Kontrolle auf. Nach zwei Monaten lag der pH bei 4,36 gegenüber 5,11. Der Unterschied ist signifikant. Die Kontrolle erwärmte sich bereits 60 Stunden nach Öffnung des Silos, die behandelten Silagen blieben drei Wochen stabil. Der Milchsäure- und Essigsäuregehalt war in der behandelten Silage deutlich höher als in der Kontrolle. Landwirtschaftskammern Rheinland und Schleswig-Holstein: Die mit EM-behandelten Silagen waren deutlich länger stabil als die unbehandelte Kontrolle. Auch drei Wochen nach Entnahme war noch ein pH von 4,6 festzustellen. Die TS-Verluste waren geringer als in der Kontrolle (siehe Übersicht). Universität Leipzig: Durch die Behandlung der Silage mit EM wurden in einzelnen Proben deutlich weniger Mykotoxine festgestellt. Bei ZEA war der Besatz gegenüber der unbehandelten Kontrolle um 50 %, bei DON um 33%, bei Citrinin um 66 % reduziert. Aber die Probenanzahl war sehr gering. Der Vergleich mit anderen Siliermitteln fehlt. Eidgenössische Forschungsanstalt in Posieux, Schweiz: Bei einer TS von 26% erwärmte sich die mit EM behandelte Silage (Produkt: NH 708 uroSil) gegenüber der unbehandelten Kontrolle schneller. Die behandelte Silage zeigte höhere Ethanolgehalte und daher höhere Gärgasverluste. Milch- und Essigsäuregehalte waren wie bei der Kontrolle. Bei einer TS von 30 % wurde eine bessere aerobe Stabilität als bei der Kontrolle erzielt. Bei 34 % TS zeigte es keine Wirksamkeit. Die meisten Wissenschaftler stehen den EM sehr skeptisch gegenüber: "Solange die genaue Zusammensetzung und Wirkungsweise nicht bekannt sind, werden wir das Produkt trotz der positiven Praxisberichte nicht empfehlen", erklärt Dr. Balthasar Spann von der Landesanstalt für Landwirtschaft in Grub. Noch viele Fragen offen Das DLG-Gütezeichen wurde zwar vom Hersteller beantragt, aber auch hier müssen die Identitäten der Mikroorganismenstämme offen gelegt werden, damit später überprüft werden kann, ob das Produkt am Markt noch das Gleiche wie in den Tests ist. "Die Bedingungen für das DLG-Gütezeichen für Siliermittel wurden bisher noch nicht erfüllt", erklärt Dr. Walter Staudacher von der DLG. Die fehlende Offenlegung der Zusammensetzung verbunden mit dem aufwändigen Nachweis der Unbedenklichkeit aller Zutaten sind die Knackpunkte, warum die EM nach seiner Einschätzung kaum Chancen haben werden, von der EU als Siliermittel gemäß der neuen Futtermittelzusatzstoffverordnung zugelassen zu werden. Dass sie auch in der Humanmedizin (Heilpraktiker) eingesetzt werden, ist kein Argument. So dreht sich die Katze im Kreis: Ungenügende Informationen vom Hersteller, keine Zulassung als Siliermittel, zu wenig Versuche - und damit keine Einsatzempfehlungen für die Praxis.

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