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Hohe Zuschläge für Marken-Fleisch

Lesezeit: 10 Minuten

Der Verein „Mutterkuh Schweiz“ setzt für Marken-Fleisch hohe Preise durch. Die Produzenten erhalten Zuschläge von bis zu 2,30 € pro kg. Was ist das Erfolgsrezept?


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Markenfleisch verspricht Kunden einen Mehrwert und erzielt dafür einen Aufpreis. Dieses Konzept wird häufig beworben, funktioniert leider selten, und scheitert meist an der Zahlungsmoral der Verbraucher.


Anders in der Schweiz: Die Eidgenossen haben ein Markenprogramm für Rindfleisch aus Mutterkuh-Haltung etabliert, das sich auszahlt. Die Landwirte erhalten Mehrerlöse von umgerechnet über 2 € pro kg Schlachtgewicht (SG). Der Absatz steigt seit Jahren.


Was ist das Geheimrezept für das erfolgreiche Label? Können sich die deutschen Produzenten und Vermarkter hier etwas abgucken?


Label mit Mehrwert.

Die Markenprogramme hat der Verein „Mutterkuh Schweiz“ entwickelt und etabliert.


„Wir setzen uns gegenüber Politik, Handel und Verbrauchern für bestmögliche Erlöse der Produkte unserer Mitglieder ein“, sagt Geschäftsführer Urs Vogt. Die Zahl der Mitglieder steigt: 1995 zählte der Verein noch etwa 1 500 Mitglieder, 2014 waren es rund 5 200 aktive Mutterkuh-Halter (siehe Übersicht). Sie haben im Mittel 17 Mutterkühe. Die Rassen Simmental, Angus und Limousin sind am häufigsten vertreten.


Der Verein organisiert nicht nur die Markenprogramme, sondern führt auch das Fleischrinder-Herdebuch, bietet online Bestandsmeldungen an und kümmert sich mit gezieltem Marketing um das Image der Mutterkuh-Haltung.


Mitglieder können ihr Fleisch in einem von drei Fleischlabel absetzen. Rund 55 000 Tiere wurden im letzten Jahr vermarktet. Die Label unterscheiden sich im Schlachtalter und -gewicht der Tiere:


  • Natura-Veal: Kalbfleisch, Schlacht­alter maximal fünf Monate und 14 Tage, SG 95 bis 140 kg
  • Natura-Beef: Rinder bis rund zehn Monate, SG 170 bis 260 kg


Tiere für die Label Natura-Veal und -Beef müssen bis zum Tag der Schlachtung bei der Mutter bleiben.


  • SwissPrimGourmet: Rinder, die nach dem Absetzen noch weiter ausgemästet werden; Absetzer: sieben bis neun Monate mit 250 bis 350 kg LG; Masttiere: zwölf bis 16 Monate mit 250 bis 330 kg SG; Vermarktung ausschließlich in die Gastronomie.


Natura-Beef gibt es seit 35 Jahren. Mit über 38 000 vermarkteten Tieren im vergangenen Jahr ist es das populärste Programm. Natura-Veal gibt es seit sechs Jahren. 2014 gingen erstmals über 5 000 Marken-­Kälber in den Handel. Als SwissPrimGourmet gingen 2014 knapp 3 500 Mastrinder und über 6 400 Kühe in die Gastronomie.


Preise aushandeln:

Um für diese Tiere gute Preise zu erzielen, arbeitet der Verein Hand in Hand mit den Vermarktern. Mit Coop, dem zweitgrößten Einzelhändler der Schweiz, und der Schlachterei Bell verhandelt Mutterkuh Schweiz jährlich die Preisaufschläge für das Markenfleisch.


Die Preisgestaltung funktioniert wie folgt: Der Basispreis richtet sich nach dem von QM-Fleisch. Für 2015 hat der Verein einen Aufschlag von umgerechnet rund 2,20 € pro kg SG für Natura-Beef durchgesetzt. Das heißt: Im Mittel des Jahres erhalten die Produzenten 2,20 € pro kg mehr. Die wöchentlichen Preise legen Bell und Coop je nach Marktlage fest.


Für Natura-Veal erhalten die Mutter-kuh-Halter 2015 im Schnitt 1,90 € mehr und für SwissPrim-Tiere einen Zuschlag von 1,25 €. So erlösten die Landwirte im letzten Jahr für Natura-Beef 10,40 €, für Natura-Veal 15,50 € und für SwissPrim-Tiere 9,30 € je kg SG. Bei den umgerechneten Preisen ist das hohe Kosten-Niveau der Schweiz zu beachten.


Beim Absatz des hochpreisigen Rindfleisches arbeitet Mutterkuh Schweiz mit festen Partnern zusammen: Mit den Viehhändlern Vianco und Viegut, der Schlachterei Bell, Traitafina für die Vermarktung von SwissPrimGourmet in die Gastronomie und Coop für die Vermarktung von Natura-Beef und -Veal.


Diese Partner besitzen Lizenzen für das Handeln und Verkaufen der Label-Tiere und -Produkte. Die Markennamen und Rechte daran gehören dem Verein. „Das war uns immer wichtig“, sagt Mathias Gerber, Präsident von Mutterkuh Schweiz. So könne keiner der Partner neue Haltungsanforderungen verlangen.


Im Gegenzug garantiert der Verein Coop das alleinige Vermarktungsrecht. So kann der Detailhändler für das exklusive Markenfleisch werben. Auch die übrigen Partner ziehen mit am selben Strang. „Die Zusammenarbeit funktioniert, weil alle Beteiligten einen Mehrwert mit den Markenprodukten erzielen“, meint Roderich Balzer, Leiter des Bell AG-Betriebes in Oensingen.


Für das Schlachtunternehmen Bell hat die Beteiligung weitere Vorteile: Coop garantiert, die bestellten Mengen auch tatsächlich abzunehmen. Das gibt dem Unternehmen Planungssicherheit.


Fleisch aus Gras:

Auch die Mutter­kuh-Halter benötigen eine Lizenz, um ihre Tiere in einem der Programme vermarkten zu dürfen. Dazu müssen sie eine Reihe von Vorschriften einhalten.


„Ziel der vereinbarten Kriterien ist es, extensiv hochqualitatives Fleisch zu produzieren“, fasst Vogt das Konzept der Marken zusammen. Für die Haltung bilden die RAUS- und BTS-Bestimmungen, zwei Direktzahlungs-Modelle der Schweiz, die Grundlage. Damit wird der regelmäßige Auslauf der Tiere (RAUS) geregelt und besonders tierfreundliches Bauen (BTS) gefördert.


Mutterkuh-Schweiz geht dabei über die staatlichen Anforderungen hinaus. Die Label-Kriterien verlangen ab Vegetationsbeginn für Kuh und Kalb mindestens halbtags Weidegang oder bei ungünstiger Witterung Auslauf auf einem Laufhof. Die Anbindehaltung ist verboten und ein spezieller Abkalbe-bereich muss vorhanden sein.


Soja, genveränderte und chemische Futtermittel sowie Harnstoff sind in der Fütterung von Kuh und Kalb verboten. Die Ration soll vorwiegend aus betriebseigenem Futter bestehen und der Gras-anteil möglichst hoch sein. Wie hoch, ist bisher nicht festgelegt.


Ab 2017 sollen mindestens die Kriterien der bestehenden GMF-Förderung (Graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion) gelten. Dann müssten im Talgebiet über 75 % der Trockenmasse-Aufnahme aus Gras – in frischer, silierter oder getrockneter Form – stammen. Im Berggebiet müssten das sogar 85 % sein. Einer Umfrage des Vereins zufolge füttern die Mitglieder bereits jetzt etwa 92 % Gras in der Ration.


Kontrollen und Sanktionen:

Ob die Tierhalter alle Vorschriften einhalten, kontrolliert „beef control“. Die akkreditierte Kontrollstelle gehört zum Verein, ist aber nicht der Geschäftsführung unterstellt, sondern selbstständig.


Vor der Aufnahme in die Markenprogramme ist eine Erstberatung obligatorisch. Das übernehmen 24 Landwirte, die selbst aktive Mutterkuh-Halter sind. Sie kontrollieren später auch, ob die Produktreglemente eingehalten werden. Um Interessenskonflikte zu vermeiden, beraten und kontrollieren sie aber nie in derselben Region.


Wer in die Markenprogramme liefern will, muss eine Aufnahmekontrolle bestehen. Auch später folgen in der Regel jährlich unangemeldete Kontrollen.


„Es ist wichtig ‚schwarze Schafe‘ hier auszuschließen, statt diese später bestrafen zu müssen“, erklärt Daniel Flückiger, der für die Kommunikation bei Mutterkuh Schweiz zuständig ist.


Stellen die Inspektoren Verstöße fest, können sie Nachkontrollen anordnen, Liefersperren verhängen oder im härtesten Fall, wenn beispielsweise kein Weidegang oder Auslauf vorhanden ist, einen Betrieb aus dem Programm ausschließen.


„Das ist jedoch selten nötig. Die meisten Mitglieder sind selber daran interessiert, die Vorschriften umzusetzen und einzuhalten“, versichert Flückiger. 2014 prüften die Inspektoren rund 60 % der Produzenten. In 128 Fällen sprachen sie Sanktionen aus, vier Betriebe schlossen sie aus dem Programm aus.


Ergänzend zu beef control überprüft der Schweizer Tierschutz etwa 100 Betriebe jährlich. „Das sorgt für zusätzliche Transparenz und Vertrauen bei Verbrauchern“, ist sich Vogt sicher.


Als Nachweis für die eingehaltenen Vorschriften erhält jedes Tier vor der Schlachtung ein Zertifikat. Damit lassen sich die Produkte zurückverfolgen und die Vermarktungspartner erhalten eine Garantie, dass die vereinbarten Kriterien eingehalten wurden.


„Unsere Kunden fragen häufig nach der Haltung der Tiere. Vor allem Auslauf und Weidegang sind ihnen wichtig. Dass wir ihnen diese Fragen beantworten und die vereinbarten Haltungsbedingungen der Label garantieren können, ist ein wichtiges Kaufkriterium“, sagt Toni Barmetter, Leiter der Metzgerei in der Coop-Filliale in Luzern.


Die höheren Erlöse für die Landwirte lassen sich nicht nur mit Vermarktungsstrategien und Zusammenarbeit mit dem Handel erreichen. Am Ende muss der Kunde bereit sein, für diese Produkte tiefer ins Portemonnaie zu greifen.


Erlebnis Marketing:

Deshalb setzt der Verein auf gezieltes Marketing, um Verbrauchern zu erklären, wieso das Fleisch der Markenprogramme einen Aufpreis von mehreren Euro Wert ist.


„Um die natürliche und artgerechte Produktion zu vermitteln, bieten Kuh und Kalb auf der Weide ein leicht zu vermittelndes Bild“, erklärt Flückiger. Auf Ausstellungen, Messen und Märkten stellt der Verein daher Mutterkühe mit Kälbern aus. Die Stände betreuen aktive Mutterkuh-Halter und fördern so das Image der Branche.


Von 1999 bis 2013 veranstaltete Mutterkuh Schweiz alle zwei bis drei Jahre mit dem Event „beef.ch“ am Zürcher See eine große Info- und Erlebnisveranstaltung für Verbraucher.


Zur letzten beef.ch kamen in zehn Tagen insgesamt 125 000 Besucher. Auf dem Programm standen unter anderem Tierausstellungen, Strei­chelzoo und Infostände. Auf einer Wiese gab es eine Herde mit Mutterkühen und Kälbern zu sehen. In kleinen Gruppen bekamen Schüler mit dem Projekt „Schule mal anders“ einen Einblick in die Mutter-kuh-Haltung und die Schweizer Landwirtschaft.


Das Konzept der beef.ch will der Verein jetzt überarbeiten. Die Finanzierung wurde schwierig und gleichzeitig die Erwartungen immer höher. Zukünftig will der Verein mit den „beef.ch-Tagen“ Genuss- und Erlebnisanlässe in mehreren Regionen durchführen.


Aufklärung im Supermarkt:

Wichtig sei auch die Aufklärung der Kunden im Supermarkt. Beispielsweise erklären die Verkäufer häufig, weshalb Natura-Veal nicht wie gewöhnliches Kalfleisch weiß ist und warum es trotzdem schmeckt. Die Vorgabe des Labels verlangt eine natürliche rosa-rote Fleischfarbe.


Die hohe Qualität und der gute Geschmack des Fleisches seien ein weiterer Grund für den guten Absatz. „Die extensive, grünlandbasierte Fütterung, gezielte Züchtung und das junge Schlachtalter sorgen für eine hohe Qualität der Schlachttiere. Dieses Fleisch lässt sich in kaum einer Pfanne verhunzen“, sagt Balzer.


Für seine Markenprogramme bekommt Mutterkuh Schweiz Rückendeckung von Politik und Verbrauchern.


Die Schweizer Bevölkerung fordert eine heimische, standortangepasste und ressourcenschonende Landwirtschaft. Die Kriterien für Direktzahlungen sind deshalb darauf ausgerichtet. „Markenprogramme der privaten Labelgeber sind politisch gewollt. Wir wollen die heimische Produktion fördern und schützen, um diese Premiumprodukte zu einem Mehrwert vermarkten zu können“, erklärt Christian Hofer vom Bundesamt für Landwirtschaft.


Im Gegensatz zu deutschen Verbrauchern essen die Schweizer außerdem mehr Rindfleisch und bevorzugen in der Schweiz produziertes Fleisch, bestätigt Martin Rufer vom Schweizer Bauernverband. „In den letzten Jahren haben Skandale bei importiertem Rindfleisch das Vertrauen der Konsumenten in ausländisches Fleisch getrübt“, erklärt Rufer.


Problematisch sei in der Schweiz eher der Einkaufstourismus in die Nachbarländer und die Zahlungsbereitschaft in der Gastronomie: „Im Supermarkt wird auf Qualität und Tierhaltung geachtet, im Restaurant fragt niemand, wie das Steak produziert wurde“, sagt Rufer.


Produktion steigern:

Die aktuell gute Marktlage will der Verein auch zukünftig erhalten. „In den letzten Jahren befanden wir uns in einer sehr guten Verhandlungsposition: Die Nachfrage war höher als das Angebot. Das zu halten, wird in den kommenden Jahren eine Herausforderung sein“, sagt Gerber.


Bei einigen Produkten erreiche man bald die Grenzen der Nachfrage-Mengen. Um zusätzliche Absatzwege für ausgemästete Rinder zu schaffen, ist ein viertes Label-Programm im Gespräch.


Vor allem bei Kalbfleisch sei aber noch deutlich Luft nach oben. Deshalb hat der Verein für Natura-Veal einen Mindestpreis von umgerechnet 15,30 € für Juni bis Oktober 2015 festgelegt. Das soll den Anreiz für die Produktion erhöhen. Anke Reimink


Auf den folgenden Seiten lesen Sie die Konzepte von drei Mutterkuh-Haltern.

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