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„Ich schau Dir in die Augen“

Lesezeit: 8 Minuten

Fresser sollen in kurzer Zeit viel zunehmen und möglichst wenig Kosten verursachen. Landwirt Christoph Wiegmann zeigt, wie er mit konsequenter Beobachtung und Dokumentation gesunde Tiere mästet.


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Es ist morgens um 7:30 Uhr, als sich Christoph Wiegmann und seine Mitarbeiterin Janett Rößler-Fischer im Stall treffen. Der Betriebsleiter hat gerade die Morgenfütterung abgeschlossen und tauscht sich mit seiner Herdenmanagerin aus: „Welches Kalb hat nicht gesoffen? Hat sich ein Tier auffällig verhalten?“


Rößler-Fischer wird ihn jetzt im Stall ablösen und die nächsten zwei Stunden einem intensiven Kontrollgang widmen. Sie wird sich jeden Fresser genau anschauen, Auffälligkeiten notieren und mit ihrem Chef zusammen nach Lösungen suchen.


Vier Stunden Tierbeobachtung:

Diese Kontrollgänge gehören auf dem Fresseraufzuchtbetrieb Wiegmann, der in Bockenem in Niedersachsen am Rande der Hildesheimer Börde liegt, zweimal am Tag zur Routinearbeit. Das ist bei der ungewöhnlich großen Zahl von 1680 Aufzuchtplätzen keine Selbstverständlichkeit. Warum der Aufwand?


Sein Ziel ist es, drei Durchgänge im Jahr zu realisieren, nicht zuletzt, um die Fixkosten für seine 2010 und 2013 neu gebauten Ställe und die Aufzuchtkosten möglichst gering zu halten.


Dafür braucht er Zunahmen von durchschnittlich 1200 bis 1250 g pro Aufzuchttag (gemessen vom Einkaufsgewicht in Süddeutschland bis zum Ausstallen). Im November 2015 hat er seinen ersten Durchgang mit 80 bis 85 kg schweren Fleckviehkälbern eingestallt, die er von der Raiffeisen Viehvermarktung GmbH (RVG) in Nordrhein-Westfalen, bezieht. Vorher hielt er in seinen Ställen Kälber für die Weißfleischmast.


Wiegmann hat ehrgeize Pläne: Bereits nach 14 Wochen will er sie mit rund 200 kg an seinen Händler verkaufen, der sie schließlich an Bullenmäster weiter verkauft. Damit erreicht er das Ausstallgewicht rund zwei bis drei Wochen früher als einige andere Berufskollegen. Wie erreicht man dieses Ziel?


An allen Schrauben drehen:

Wiegmanns Erfolgsrezept setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen:


  • einer ausgewogenen Fütterung,
  • einem Impfprogramm, das immer der Herdengesundheit angepasst wird,
  • einem Haltungssystem, was den Bedürfnissen junger Kälber entspricht,
  • der Aufzucht im Rein-Raus-Verfahren, das eine angemessene Reinigung und Desinfektion möglich macht,
  • einer konsequenten Tierbeobachtung,
  • dem „Blick von außen“ durch Externe, die mehrmals wöchentlich mit ihm die eigenen Eindrücke beurteilen und
  • einer detaillierten Dokumentation.


Eine gute Fütterung fängt schon beim Aufstallen an: „Wir empfehlen die Kälber am ersten Tag nach der Ankunft nur mit Elektrolyte zu tränken“, erzählt sein Berater Georg Degen von der RVG. Die Tiere verlieren während des Transportes von Süd- nach Norddeutschland bis zu 10% ihres Körpergewichtes. „Dass sie fünf Liter Flüssigkeit aufnehmen ist keine Seltenheit“, fügt Wiegmann hinzu. Auch das Festfutter fällt am ersten Tag noch „spärlich“ aus: Zu fressen gibt es nur kurz gehäckseltes Stroh.


„Erst am zweiten Tag mischen wir 70% Kraftfutter ein“, erklärt Degen. Ab dem zweiten Tag, wenn sich der Transportstress und die Aufregung gelegt haben, bekommen die Bullenkälber auch ihre erste Portion Milch. In den kommenden 14 Tagen tränkt Wiegmann ihnen 5,5 l/Tag (Milchaustauscher mit 0% Magermilchanteil und 22,1% Rohprotein und einer Konzentration von 135 g/l Milch).


Danach beginnt er mit dem Abtränken, sodass die Fresser am 42. Tag nach Ankunft auf dem Betrieb abgetränkt sind. Diese Zahl ist aber nur ein Richtwert“, fügt Rößler-Fischer hinzu. „Wenn es draußen sehr kalt ist und die Tiere zittern, bekommen sie länger Milch.“


Dabei legt Wiegmann Wert auf Abtränken in kleinen Schritten von maximal 0,2 Liter pro Tag. Das reduziert den „Entwöhnungs-Stress“ und damit das Risiko zu erkranken, erklärt der Betriebsleiter.


Ab dem 7. Tag erhöht Wiegmann den Kraftfutter-Anteil auf 80% in der Trocken-TMR. Jedes Kalb erhält bis zu 2,5 kg Kraftfutter und 150 g gehäckseltes Stroh am Tag. Die Rezeptur dazu hat Degen aus jahrzehntelanger Erfahrung mit Kälber- und Fresseraufzucht selbst entwickelt. Das Kraftfutter setzt sich aus Raps- und Sojaschrot, Gerste, Mais, Zuckerrübenschnitzel und Melasse zusammen. Ab dem 7./8. Tag mischt er Zuckerrübennassschnitzel und Maissilage in die Trocken-TMR mit ein.


Fünf Sorten Kraftfutter:

Um den Bedürfnissen in den unterschiedlichen Wachstumsphasen gerecht zu werden, füttert Wiegmann fünf verschiedene Kraftfuttersorten. Die Komponenten ändern sich nicht, einzig die Energiestufe sinkt. Parallel dazu steigt der Rohproteingehalt von 17 auf 25%. Zum Ende füttert er auch etwas Soja hinzu. Außerdem mischt er in den ersten sechs bis acht Wochen Apfeltrester „in homöopathischen Gaben“ unter das Futter, um die Schmackhaftigkeit zu erhöhen.


„Das Fütterungskonzept, was bereits sehr ausgeklügelt ist, stellt allerdings nur den groben Rahmen dar“, stellt Wiegmann klar. „Zusätzlich zu den täglichen Kontrollgängen gehen wir mit Herrn Degen einmal pro Woche gemeinsam durch alle Abteile und passen die Fütterung den Bedürfnissen an“, erklärt er.


Ausgefeiltes Impfprogramm:

Zu einer Gesundheitsprophylaxe gehört es für Wiegmann, die Tiere zu impfen. Bereits am zweiten Tag nach dem Einstallen erhalten sie ihre erste Impfung gegen die Rindergrippe-Viren BRSV/PI3 in die Nase gesprüht. Drei bis vier und dann noch mal vier bis fünf Wochen später folgen die zweite und dritte Impfung gegen BRSV in den Muskel. Bei Bedarf setzt der Tierarzt einen Kombinationsimpfstoff ein, der auch gegen den Erreger Mannheimia haemolytica schützt. Dieser ruft ebenfalls Atemwegserkrankungen hervor.


Darüber hinaus stehen in der ersten sowie in der dritten/vierten Woche Wurmkuren auf dem Plan. Diese Prophylaxemaßnahmen sind ebenso wenig in Stein gemeißelt wie die Fütterung: Ein- bis zweimal pro Woche kommt sein Tierarzt für den Routinebesuch auf den Hof. Dann beurteilen sie anhand der Beobachtungen und Dokumentationen gemeinsam, ob sich die Fresser gut entwickeln, suchen nach Ursachen und Lösungen eventueller gesundheitlicher Probleme und stimmen das Impfprogramm darauf ab.


Wiegmann nennt klar die Vorteile der häufigen Besuche von Tierarzt und Berater Degen: „Dreimal pro Woche ist ein externer dabei und jeder sieht etwas anderes. Das schützt vor Betriebsblindheit“.


Wie sich seine Tierarztkosten entwickeln bleibt abzuwarten, bis er die ersten Durchgänge abgeschlossen hat. Sein Ziel ist es, unter 25 € pro aufgezogenem Fresser zu bleiben.


Obwohl beide Ställe von Wiegmann neu sind, unterscheiden sie sich wesentlich voneinander. „Den 2010 gebauten Stall haben wir nach einem Konzept gebaut, wie es seit 20 Jahren in der Kälber- und Bullenmast verbreitet ist“, sagt Wiegmann.


Schnell hat Wiegmann gemerkt, dass die Bauweise für die Gesundheit der Kälber nicht optimal ist. „In diesem Stall gelangt die Frischluft ungebremst in den Stall, sobald ich die Jalousien öffne. Die Tiere kühlen schneller aus und sind anfälliger für Krankheiten“, beobachtet der Betriebsleiter.


Dieses Problem hat er bei der Planung des anderen Stalls auf eine interessante Weise gelöst. Für die Zuluftöffnungen hat er extra Zwischenabteile gebaut. Von dort aus strömt die Luft leicht angewärmt und mit geringerer Geschwindigkeit in die Mastabteile. Zusätzlich hat er dort Heizlüfter stationiert, die an die Biogasanlage angeschlossen sind. Damit kann er die Luft an kalten Tagen künstlich erwärmen. Ventilatoren in der Decke des Stalls ziehen die Abluft ins Freie. Die Geschwindigkeit und Öffnung der Ventilatoren lassen sich nach verschiedenen Parametern computergesteuert variieren, sodass für die Kälber immer optimale Luftbedingungen herrschen.


Im neueren Stall hat Wiegmann unter die Spalten eine Schieberentmistung bauen lassen. Dieser befördert den Kot und den Urin im zwei-Stunden-Intervall in den Güllekanal, noch bevor sich das Ammoniak aus dem Urin lösen und die Schleimhäute reizen kann. Der ältere Stall hingegen ist „normal unterkellert“. Hier ist die Luft merklich schlechter.


Wer schreibt, der bleibt.

„Das ausgefeilte Haltungs- und Fütterungssystem, das Impfprogramm sowie die intensive Tierbeobachtung sind zwar Voraussetzung für eine stabile Tiergesundheit und hohe Zunahmen“, meint Degen. „Das i-Tüpfelchen eines guten Managaments ist jedoch, alle Auffälligkeiten und Veränderungen genau zu dokumentieren.“ Denn nur dann ist man in der Lage bei gesundheitlichen Problemen die Ursache zu erforschen und richtig zuzuordnen. „Erinnerungen können leicht täuschen“, mahnt er.


Wiegmann und Rößler-Fischer sind ein Paradebeispiel für die Dokumentation im Betrieb. Sie halten alle Besonderheiten mit Datum und Uhrzeit fest und in welchem Abteil sie aufgetreten sind.


Darüber hinaus sammeln sie tägliche Informationen zur Fütterung, zum Wetter und zu den Lüftungseinstellungen. „So konnten wir schon viele Probleme lösen“.


Trotz allem Maßnahmenpläne:

Trotz des straffen Managements und der sehr guten Haltungsbedingungen sind Wiegmanns Tiere nicht vor Infektionen gefeit. „Auch wir kennen Maßnahmenpläne im Rahmen der 16. AMG-Novelle“, erzählt der Betriebsleiter (vgl. top agrar 1/2016, ab Seite R10). Irgendwann kommt jeder an die Grenzen der machbaren Antibiotika-Einsparung. Das trifft selbst Betriebe mit den besten Voraussetzungen in der Haltung.


Die Idee, die hinter der Antibiotika-Datenbank steckt, finden Wiegmann und Degen grundsätzlich gut. „Das zwingt sowohl den Tierhalter als auch den Tierarzt zum Nachdenken und alternative Lösungen zum Antibiotika-Einsatz zu finden“, sagt Degen. Jedoch wünscht er sich, dass die Produktionsverfahren bei der Erfassung der Mengen berücksichtigt werden. Das würde nicht alle über einen Kamm scheren und einigen Mästern Maßnahmenpläne ersparen. Svenja Pein

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