Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

Aus dem Heft

Vier Tage arbeiten, acht Tage frei

Lesezeit: 6 Minuten

Die Bayerwaldmilch GbR ist eine bundesweit wohl einmalige Kooperation von sechs Milcherzeugern. Jannika Harms packte im „Power-Praktikum“ von top agrar mit an.


Das Wichtigste zu den Themen Rind + Milch mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Skeptisch war ich zu Beginn des Power-Praktikums schon: Wie soll das funktionieren, mit sechs Landwirten gemeinsam einen Kuhstall zu führen? Das kann doch nur Streit geben und ist zum Scheitern verurteilt.


Doch jetzt muss ich sagen: Es funktioniert einwandfrei! Strukturiertes Arbeiten sowie Offenheit und Toleranz gegenüber den Partnern sind die Schlagworte, die jeder der sechs verinnerlicht hat. Das macht aus dem Pilotprojekt aus Petzenberg im Bayerischen Wald ein bundesweites Erfolgskonzept.


Schwerer Start:

Initiator des Kooperationsbetriebs ist Matthias Knödlseder. Schon im Studium dachte der Milcherzeuger über eine Zusammenarbeit mit mehreren Landwirten nach. Doch es gab noch kein vergleichbares Projekt.


Im Jahr 2002 lud Knödlseder alle Berufskollegen aus seinem und umliegenden Orten ein, um seine „Vision“ vorzustellen. Dabei erntete er viel Zweifel und Spott. Doch nach weiteren Versammlungen blieb ein kleiner Kreis an Landwirten zurück, die den Mut hatten, diesen ungewöhnlichen Schritt zu wagen. Letztlich entschieden sich sechs Milcherzeuger dazu, eine GbR zu gründen. Sie erhofften sich vor allem eine gesicherte Hofnachfolge, arbeitswirtschaftliche Verbesserungen, Freiraum für zusätzliche Einkommensmöglichkeiten sowie mehr Freizeit.


Im Jahr 2005 haben die sechs Pioniere einen neuen Boxenlaufstall am Ortsrand von Petzenberg gebaut. Dort hält die Bayerwaldmilch GbR heute 260 Kühe, überwiegend Fleckvieh.


Alle sechs Milcherzeuger sind Gesellschafter der GbR. Jeder hat seine Herde, seine Quote, seine Flächen und seine Arbeitskraft in die Kooperation eingebracht. Doch diese Faktoren wurden der Kooperation lediglich zur Nutzung überlassen. Steigt ein Gesellschafter aus, bekommt er sein Eigentum zurück.


Acht Tage am Stück frei:

Am spannendsten war für mich die Frage, wie die GbR die Arbeit aufteilt. Dazu haben die Milcherzeuger ein ausgeklügeltes System entwickelt.


Sie arbeiten in einem 12-Tage-Zyklus. Dieser besteht aus acht freien Tagen, an denen der Gesellschafter nicht im Betrieb tätig ist. Danach folgen zwei Tage Aushilfsdienst. An diesen Tagen hilft der Gesellschafter morgens und abends jeweils zwei Stunden beim Melken und Kälber füttern aus. Nach dem Aushilfsdienst folgt der zweitägige Hauptdienst. An diesen beiden Tagen ist der Gesellschafter ganztägig (inklusive Nachtbereitschaft) auf dem Betrieb und muss alle anfallenden Arbeiten erledigen. Unterstützt wird er dabei von zwei Auszubildenden.


Damit jeder der sechs Milcherzeuger weiß, was gerade ansteht, werden Wochenpläne und detaillierte Tagespläne erstellt. Auf diesen Plänen steht beispielsweise, welche Kühe umgestallt oder trockengestellt werden müssen.


Außerdem gibt es noch eine Protokollmappe. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt des Betriebes. Denn hier notiert der Diensthabende alle ausgeführten Arbeiten, zum Beispiel welche Kuh in welchen Stall gebracht wurde, Art und Zeit von Behandlungen an den Tieren, brünstige oder zu selektierende Kühe. Mit dieser Mappe kann jeder Gesellschafter bei Dienstantritt auf einen Blick nachvollziehen, was in den letzten Tagen gelaufen ist und welche Arbeiten er noch erledigen muss.


Pfiffig ist auch, dass der Dienstwechsel so organisiert ist, dass niemals Haupt- und Aushilfsdienst gleichzeitig wechseln: Gesellschafter A hat Aushilfsdienst, während Gesellschafter B Hauptdienst hat. Nach zwei Tagen hat Gesellschafter A Hauptdienst und Gesellschafter C beginnt mit seinem Aushilfsdienst. Gesellschafter B hat wieder acht Tage frei. So ergibt sich immer eine Überlappung des „alten“ und „neuen“ Arbeiters und der Dienstwechsel geht reibungslos vonstatten. Kein schlechtes System, muss ich sagen, da gibt es kaum Reibungsverluste!


Jeder der sechs Gesellschafter hat einen zugeteilten Zuständigkeitsbereich, in dem er Abteilungsleiter ist. Das sind zum Beispiel Herdenmanagement, Außenwirtschaft, Jungviehaufzucht oder Buchhaltung. In diesem Zuständigkeitsberiech kann jeder Abteilungsleiter kleinere Entscheidungen selbst treffen, z. B. welches Spritzmittel gekauft werden soll.


Sollte allerdings ein anderer Gesellschafter damit nicht einverstanden sein, wird eine Vollversammlung einberufen. Damit wird die Entscheidung des Abteilungsleiters ungültig und die Vollversammlung muss abstimmen. Grundsätzlich reicht bei solchen Entscheidungen eine absolute Mehrheit, also mind. vier Stimmen. Bei Investitionssummen über 400 000 € müssen fünf der sechs Gesellschafter zustimmen, also eine Pro-Kopf-Mehrheit. Sollte es einmal unentschieden stehen, kommt das Stimmgewicht zum Tragen. Das Stimmgewicht jedes Gesellschafters errechnet sich aus der ursprünglichen Gesellschafterbetriebsgröße und der Arbeitsmenge im Jahr.


Jeder Gesellschafter muss eine vorgeschriebene Stundenzahl pro Jahr in die GbR einbringen. Diese hängt von der eingebrachten Kuhzahl ab. Darüber hinaus muss er weitere Arbeitsstunden leisten. Alle Stunden werden mit einer Stempeluhr erfasst und an den Computer übermittelt.


Gewinn nach Arbeit verteilt.

Das Betriebseinkommen wird über Auszahlungsposten an die Gesellschafter verteilt. Die Gewinnverteilung erfolgt in zwei Stufen.


Zuerst werden die einkommensunabhängigen Auszahlungsposten bezahlt. Das sind die Kosten für Jungviehaufzucht, Eigenkapital, Maschinen und Standort. Der Rest wird auf die vier einkommensabhängigen Posten verteilt. Dazu zählen Herde, Arbeit, Quote und Fläche. Sie haben unterschiedliche Prozent-Anteile. Das Budget jedes Auszahlungs-posten wird auf die Gesellschafter verteilt. Wie viel jeder einzelne Gesellschafter bekommt, hängt davon ab, welche Menge (kg, ha, €) er anfangs in die GbR eingebracht hat. Das Einkommen der Kooperationspartner schwankt also je nach Betriebseinkommen der Gesellschaft und nach der Faktoreneinbringung.


Zusätzliches Einkommen erwirtschaften die sechs Milcherzeuger noch an ihren „freien“ Tagen. Einige kümmern sich in der Zeit um ihre Ferienwohnungen, andere arbeiten beim Maschinenring. Oder sie kümmern sich um die Außenwirtschaft der GbR. Jeder Gesellschafter kann selbst entscheiden, wie viel er in der Außenwirtschaft arbeitet. Sie wird zu 60 % von den Landwirten erledigt. Den Rest übernimmt ein Lohnunternehmer.


Die Kooperation hat keine eigenen Maschinen für die Außenwirtschaft. Üblicherweise bewirtschaften die Milcherzeuger die Flächen weiter, die sie in die GbR eingebracht haben. Oder sie übernehmen die Außenwirtschaft für einen Partner. Außerdem hat jeder Gesellschafter noch eine große Spezialmaschine, mit der er dann die Flächen aller Gesellschafter bewirtschaftet. Die Abrechnung der Außenarbeiten geschieht auf Lohn, das heißt die Kooperation bezahlt die Landwirte für die geleistete Arbeit. Der Hektar- bzw. Stundensatz wird jedes Jahr von der Vollversammlung neu festgelegt und orientiert sich an den Lohnunternehmerpreisen.


Mein Fazit:

Im einwöchigen Power-Praktikum von top agrar habe ich jede Menge gelernt – und viel Spaß gehabt. Dafür möchte ich mich bei den sechs Landwirten der Bayerwaldmilch GbR noch einmal ganz herzlich bedanken!


Diese einzigartige Form der Kooperation unter Landwirten aus nächster Nähe kennenzulernen, hat mich total begeistert. Alle anfänglichen Zweifel sind verflogen: Die Kooperation funktioniert einwandfrei und ist sicherlich ein Modell mit Zukunft.

Die Redaktion empfiehlt

top + Schnupperabo: 3 Monate für 9,90 € testen

Alle wichtigen Infos zur Maissaussaat 2024 | Tagesaktuelle Nachrichten, Preis- & Marktdaten

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.