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Wiederkauen: Ein Sensor, viele Infos

Mit der Wiederkaudauer lässt sich nicht nur die nächste Brunst vorhersagen, sondern auch die Gesundheit überwachen. Worin unterscheiden sich die Systeme und welche Infos liefern sie?

Lesezeit: 7 Minuten

Ein Fachbeitrag von Prof. Dr. Steffen Hoy, Universität Gießen

Die Wiederkaudauer von Kühen schwankt zwischen 4 und 9 Stunden pro Tag mit mindestens 10 bis 20 Wiederkauperioden zu je 18 bis 25 Minuten. Ein Wiederkauzyklus besteht aus 50 bis 80 Kauschlägen, unterbrochen durch Pausen von 5 bis 7 Sekunden. Die tägliche Dauer des Wiederkauens (= Rumination) wird vor allem vom Futter (Rohfaseranteil, Futtermenge), der Umwelt (z.B. hohe Temperatur) und den Tieren selbst (z.B. Laktationstag, Alter) beeinflusst.

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Früher wurde sehr aufwendig die tägliche Wiederkaudauer (mit Uhr) bzw. die Anzahl der Wiederkauschläge (durch Zählen) ermittelt. Heute gibt es verschiedene technische Lösungen, um vollautomatisch an sieben Tagen pro Woche und 24 Stunden am Tag die Wiederkaudauer zu messen.

Wie kann die Wiederkaudauer gemessen werden?

Technisch gibt es verschiedene Möglichkeiten, um die Wiederkaudauer zu messen oder indirekt darauf zu schließen. Die Sensoren sind dabei am Halsband, am Ohr, als Pansenbolus oder als Nasenband (nur für wissenschaftliche Zwecke) im Einsatz.

Weit verbreitet ist die Methode, für das Wiederkauen typische Geräusche mit einem Mikrofon am Halsband zu messen und abzuspeichern. Eine andere Technik misst Bewegungen des Kopfes oder des Ohres, die charakteristisch für das Wiederkauen sind. Ebenso können mit einem Halsband spezifische Muskelbewegungen gemessen werden, die auf Wiederkauen hinweisen.

Die Messwerte werden in Minuten je eine bzw. zwei Stunden oder je Tag angegeben und als Grafiken auf einem Bildschirm angezeigt.

Brunst, Gesundheit und Abkalbung mit Wiederkausensoren erkennen

Eine große Bedeutung hat die Messung der Wiederkaudauer zur Brunsterkennung. Einige Messsysteme, aber nicht alle, sind unabhängig überprüft worden. Überprüfte Systeme sollten bei gemeinsamer Messung von Aktivität und Ruminationsdauer Brunsterkennungsraten von 93 bis 97 % schaffen.

Bei einer zyklischen Kuh steigen und sinken die Aktivität sowie die Wiederkaudauer typischerweise im dreiwöchigen Turnus. Die Abnahme der Wiederkaudauer am Tag der Brunst tritt in allen Herden einheitlich auf. Als Ursache ist die gesteigerte Unruhe und Aktivität rindernder Kühe zu nennen. Die Futteraufnahme geht nachweislich am Tag der Brunst um etwa 3 kg Trocken- bzw. ca. 6 kg Originalmasse zurück, wie unsere Auswertung an Wiegetrögen auf Haus Riswick zeigte. Die stärkste Auslenkung der zweistündlich gemittelten Wiederkaudauer lässt sich nachts und in den frühen Morgenstunden (von etwa 2 bis 6 Uhr) messen.

Im Vergleich zur Brunsterkennung ist das automatische Gesundheitsmonitoring anhand der Wiederkaudaten noch nicht so weit in der Praxis verbreitet. Das hängt auch damit zusammen, dass sich nur Erkrankungen automatisch erkennen lassen, die das Allgemeinbefinden und die Futteraufnahme deutlich beeinflussen. Das ist beispielsweise bei Klauenerkrankungen meist nicht der Fall.

Im Gegensatz dazu reduzieren Stoffwechselstörungen (z.B. Pansenazidose) und teilweise auch die (Coli-)Mastitis die tägliche bzw. zweistündlich gemessene Rumination. Puerperalstörungen lassen sich ebenfalls sehr gut über die Wiederkauaktivität darstellen, sollten aber bei schwerem Verlauf auch klinisch sichtbar sein. Die Wiederkaudauer in den ersten beiden Tagen nach der Kalbung kann auch bei Kühen mit einer klinischen Hypokalzämie (Milchfieber) verringert sein. Allerdings werden hochtragende Kühe oder Frischabkalber in vielen Betrieben nicht mit Wiederkausensoren ausgestattet.

Mit der Wiederkaudauer kann außerdem der Zeitraum vor der Kalbung überwacht und eine Abkalbeprognose gegeben werden. Die Treffsicherheit beträgt im Mittel über 80 %. Da die Futteraufnahme unmittelbar vor der Geburt des Kalbes stark zurückgeht oder sogar eingestellt wird, ist es nur folgerichtig, dass auch die Rumination deutlich absinkt. Die Verminderung der Wiederkauaktivität beginnt 8 Stunden und ist besonders ausgeprägt 4 bis 2 Stunden vor der Geburt des Kalbes. Auf eine ergänzende visuelle Kontrolle der hochtragenden Kühe sollte dennoch nicht verzichtet werden. Nicht alle Kalbungen werden automatisch erkannt.

Fütterungsfehler mit Wiederkausensoren finden

Auch ein abrupter Wechsel der Futtermittel (z.B. Fütterung einer neuen Silage) oder der Futterqualität (z.B. Geruchs- und Geschmacksabweichungen) kann die Futteraufnahme und damit die Wiederkaudauer reduzieren. So war in einem Praxisbetrieb die Qualität verschiedener Grassilagen in Folienballen stark vermindert. Unmittelbar nach der Futtervorlage verweigerten die Kühe die Futteraufnahme und die Wiederkaudauer ging um mehr als 200 Minuten (3,5 Stunden) pro Tag zurück. An den fünf Tagen danach gaben die Kühe pro Tag 5,4 kg weniger Milch.

Wegen einer Reparatur der Wasserversorgung in einem anderen Betrieb hatten die Kühe ca. 7 Stunden keinen Zugang zu Wasser. An dem Tag ging die Wiederkaudauer von durchschnittlich 500 auf 336 Minuten zurück. Erst am übernächsten Tag erreichten die Tiere die Ausgangs-Wiederkaudauer mit 512 Minuten/Tag. Der Wasserausfall hatte gravierende Auswirkungen auf die Milchleistung. Am Tag nach dem Wasserausfall ging die Milchleistung der Kühe der Herde im Mittel um 7,7 kg zurück. Nach fünf Tagen hatte die Milchleistung noch nicht wieder das Ausgangsniveau erreicht.

Auch das Stallklima, besonders die Temperatur, beeinflusst die Wiederkaudauer: Steigt die Temperatur, sinkt die Rumination und umgekehrt.

Wo liegt das Optimum?

Es gibt nur wenige Vergleichsstudien verschiedener Techniken im selben Betrieb und an denselben Kühen. Diese zeigten aber, dass ein Bolus oder ein Sensor am Halsband präzise die Wiederkaudauer misst. Schwächen zeigt dagegen die Methode der Messung an der Ohrmarke. Die Messgenauigkeit kann z. B. beeinträchtigt sein, wenn die Kühe wegen Fliegenbefall die Ohren häufig bewegen.

Im Herdenmittel schwankt die tägliche Wiederkaudauer zwischen etwa 400 und über 500 Minuten. Vor allem Faktoren der Fütterung, wie Rohfaseranteil, Futtermenge und Futterstruktur, beeinflussen die Rumination im Herdendurchschnitt. Für Einzelkühe sind die Schwankungen viel größer. Hierbei spielen unter anderem das Alter (ältere Kühe kauen länger wieder), der Laktationsstatus (höchste Wiederkaudauer zwischen 90 und 120 Tagen in Milch), die Brunst und mögliche Erkrankungen eine Rolle. Selbst bei gleicher Futtermenge schwankt bei Kühen von Tag zu Tag die Wiederkaudauer (2 Stunden Unterschied sind möglich), ohne eindeutige Ursachen dafür zu erkennen.

Außerdem verändert sich die Wiederkaudauer auch über den Tag hinweg. Die geringste Wiederkauaktivität der Tiere wird morgens (etwa 5 bis 6 Uhr) und am Nachmittag (15/16 Uhr, abhängig von den Melkzeiten) beobachtet. Wenn die Kühe gemolken werden oder fressen, können sie nicht wiederkauen. Daher sind weniger die absoluten Werte, sondern vielmehr auffällige Veränderungen im Tages- bzw. Wochenverlauf entscheidend.

Wenn bei der morgendlichen Kontrolle festgestellt wird, dass die Wiederkaudauer bei einzelnen Kühen deutlich zurückgegangen ist, sind sie zu kontrollieren. Sie könnten brünstig oder krank sein. Reagieren mehrere oder sogar alle Kühe mit einer deutlichen Absenkung der Ruminationsdauer, muss die Futter- und/oder Wasserversorgung kontrolliert werden. Auch Infektionen (z. B. Influenza) sind eine mögliche Ursache.

Futteraufnahme mit Halsbandsensoren schätzen

Seit einiger Zeit gibt es auch Systeme, die automatisch die „Futteraufnahme“ erfassen. Beispielsweise registrieren Halsbandsensoren (Lagesensoren) automatisch die für das Fressen typische Kopfhaltung. Das System unterstellt, dass die Kühe fressen, wenn sie den Kopf senken. Eine andere Technik schließt aus einem geringen Abstand des Pedometers zum Futtertisch (ca. 20 bis 25 cm) auf eine Futteraufnahme. Dazu ist eine Antenne unter dem Fressgitter verbaut.

Beide Sensoren können nicht „sehen“, ob die Kühe fressen und messen somit nicht die Fressdauer. Ein Halsbandsensorsystem, mit dem aus der Kopfhaltung auf die „Futteraufnahmedauer“ geschlossen werden soll, überschätzt die tatsächliche Futteraufnahme um etwa 120 Minuten/Tag und ist damit für diesen Zweck ungeeignet. Ein Monitoringsystem mit einem Sensor am Vorderbein der Kuh unterschätzt die Verweildauer am Futtertisch um ca. 20 Minuten/Tag, führt jedoch zu einer genaueren Aussage bezüglich der „Futteraufnahmedauer“. Allerdings gibt es keinen Zusammenhang zwischen Futteraufnahme und Wiederkaudauer. Der Zusatznutzen eines Systems zur Messung der Futteraufnahmedauer von Kühen ist somit nicht nachgewiesen.

Daten individuell nutzen

Die Messung der Wiederkauaktivität in verschiedenen Kuhgruppen verspricht unterschiedliche Vorteile. So beispielsweise die Brunsterkennung bei Frischmelkern, eine Abkalbeprognose bei hochtragenden Kühen oder eine Puerperalkontrolle bei frisch abgekalbten Transitkühen.

Stand-alone-Verfahren (die nicht mit Melkstand oder Melkroboter gekoppelt sind) lassen sich auch für die Brunsterkennung bei Jungrindern einsetzen, zum Beispiel, wenn der Betriebsleiter für die Brunsterkennung der Färsen wenig Zeit hat. Mit einer Sensortechnik lässt sich das Erstbesamungs- bzw. Erstkalbealter nachweislich um etwa einen Monat vorverlegen.

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