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Ein ausgeklügeltes Hygiene-Management

Lesezeit: 9 Minuten

Julia-Christin Schmalstieg hat während ihres top agrar-„Power-Praktikums“ das Management und die Hygiene in einer 5 000er-Sauenanlage kennengelernt. Hier ihr Erlebnisbericht vom Betrieb Van Asten in Thüringen.


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Wie schafft man es, 5 000 Sauen zu managen, ohne den Überblick zu verlieren? Wie schützt man einen so großen Betrieb vor Krankheitserregern und Tierseuchen? Und was können wir von den holländischen Betriebsleitern lernen?“: Diese Fragen gingen mir durch den Kopf, als ich mein von top agrar organisiertes einwöchiges„Power-Praktikum“ im Betrieb Van Asten im thüringischen Neumark antrat.


Schon der erste Eindruck war imposant: Die mehrere Hektar große Anlage liegt außerhalb der 500-Seelen-Gemeinde Neumark, nur wenige Kilometer von Weimar entfernt. Zu DDR-Zeiten wurden in der ehemaligen Schweinemastanlage (SMA) auf gut 26 000 Plätzen Schweine gemästet. Nach der Wende wechselte sie mehrfach den Besitzer, bevor sie 2006 von der niederländischen Familie Van Asten aus Helmond erworben wurde. Heute verfügt die Anlage über rund 5 000 Sauen- und etwa 16 000 Ferkelaufzuchtplätze. Geführt wird sie vom 36-jährigen Juniorchef Roland Van Asten.


Nach der ersten Übernachtung im modernisierten Lehrlingswohnheim des Betriebes starten wir morgens um sieben Uhr im Bürogebäude. Nach einem kurzen Begrüßungskaffee zeigt mir Roland Van Asten den Abferkel- und Deck-bereich des Betriebes.


Quarantäne-Trockenraum:

Vorher passieren wir die Hygieneschleuse. Dabei wird mir schnell klar, wie ernst man hier das Thema Hygiene nimmt. Das ist aber auch wichtig. Denn schließlich ist der Betrieb bislang frei von PRRS, Mykoplasmen, Schnüffelkrankheit und Räude – und das soll er auch bleiben. Deshalb wird in Neumark – wie in allen Van Asten-Anlagen – ein strikter Hygienefahrplan eingehalten.


Der Betrieb wird im geschlossenen System gefahren. Alle Jungsauen werden selbst nachgezogen. Und Verbrauchsmaterialien, die in die Ställe gelangen – Besen, Treibebretter, Viehzeichenstifte etc. – werden volle vierzehn Tage in einem Trockenraum bei 25 °C gelagert, um anhaftende Keime abzutöten.


Die Produktionsbereiche sind durch Gänge miteinander verbunden. Daher finden alle Tier- und Personenbewegungen in einem geschlossenen Gebäudekomplex statt. Es besteht keine Gefahr, dass ein Mitarbeiter z. B. Vogelkot in den Stall trägt, wenn er von einem Gebäude zum anderen wechselt.


Vor Betreten der Ställe passieren wir die zentrale Hygieneschleuse. Nach dem Ablegen der Straßenkleidung, Ringe und Armbanduhr geht es unter die Damen- bzw. Herrendusche. Hier haben sich die Van Astens etwas Besonderes ausgedacht, damit sich niemand ums Duschen drücken kann: Der Ausgang ist mit einer Zeitschaltuhr gekoppelt. Die Tür öffnet sich erst nach 1,5 Minuten Duschzeit.


Im Weißbereich liegen frische Unterwäsche, T-Shirts, kurze Sporthosen, Strümpfe und Overalls in reichlicher Auswahl und in verschiedenen Größen für uns bereit. Und die Stiefel hängen kopfüber mit der Sohle nach oben in Ständern. So sieht man gleich auf den ersten Blick, ob die Sohlen sauber sind.


Der Abferkelbereich ist in 18 Abteile mit jeweils 54 Abferkelbuchten unterteilt. Vor jedem Abteil steht ein Desinfektionsbecken für die Stiefel, und an der Wand sind Waschbecken angebracht. Hier müssen sich alle Mitarbeiter immer wieder die Hände waschen – vor dem Betreten des ersten Abteils, aber auch bei jedem Wechsel von Abteil zu Abteil. Mein Gott, so oft am Tag habe ich mir noch nie die Hände gewaschen!


Vor dem Übergang in den Deck-Wartebereich passieren wir einen weiteren Umkleideraum. Hier tauschen wir die blauen Abferkel-Overalls gegen grüne Wartestall-Anzüge. Jetzt verstehe ich auch, warum wir kurze Sporthosen tragen. So steht man beim Wechseln der Overalls nicht in Unterhosen da.


Perfekt durchorganisiert:

In Neumark beschäftigt die Familie Van Asten 25 Mitarbeiter. Damit jeder weiß, welche Arbeiten er zu erledigen hat und am Ende des Tages nichts vergessen wird, gibt es Wochenarbeitspläne. Sie werden von Produktionsleiterin Doreen erstellt. Am Ende jeder Woche spricht sie sich mit den Verantwortlichen der einzelnen Produktionsbereiche ab und verteilt die Aufgaben. In den Stallbereichen hängen große Magnettafeln , auf denen jedem Mitarbeiter eine Spalte zugewiesen ist. Auf farbigen Metallplättchen stehen die jeweiligen Aufgaben. So weiß jeder genau, was er an den jeweiligen Wochentagen zu tun hat.


Jeden Montag um 16 Uhr findet eine Besprechung im Frühstücksraum statt. Nach einer kurzen Vorbesprechung mit Doreen und dem Bestandstierarzt kommen die Verantwortlichen aus allen Produktionsbereichen dazu.


Zunächst werden die Leistungsdaten diskutiert: Wie viele Ferkel wurden letzte Woche abgesetzt? Wie hoch waren die Saugferkelverluste? Und wie viel Sauen haben umgerauscht? Anschließend hat jeder die Möglichkeit, Probleme aus seinem Arbeitsbereich zu schildern und mit den anderen zu diskutieren. Alles kommt offen auf den Tisch. Das finde ich gut!


Alle vereinbarten Maßnahmen und Ziele werden in einem Protokoll festgehalten, das bei der nächsten Besprechung wieder vorgelegt wird. So wird nichts vergessen. Und Roland Van Asten hat immer im Blick, was dringend gemacht werden muss.


Gegen Betriebsblindheit:

Trotzdem besteht immer die Gefahr, betriebsblind zu werden. Und bei einem Sauenbestand dieser Größenordnung können sich selbst kleinste Fehler finanziell enorm auswirken. Deshalb geht Roland Van Asten alle vierzehn Tage mit einem externen, holländischen Berater durch den ganzen Betrieb.


Gemeinsam nehmen sie jede Kleinigkeit kritisch unter die Lupe. Im Abferkelstall achten sie z. B. auf die Kondition der Sauen, tasten deren Gesäuge ab und kontrollieren die Konsistenz des Kotes.


Auch Baudetails werden gecheckt. Sind die Lüfter intakt und sauber? Stimmen die eingestellten Sollwerte, und werden sie auch tatsächlich erreicht? Dem Berater entgeht kein noch so kleines Detail.


Mir fällt auf, dass Roland Van Asten alle begrüßt und jedem Mitarbeiter die Hand schüttelt, dem er im Stall begegnet. Als ich ihn später darauf anspreche, erklärt er mir, dass ihm der persönliche Kontakt mit allen seinen Mitarbeitern sehr wichtig ist. Das trägt sicherlich ganz wesentlich dazu bei, dass alle so motiviert sind. Es gibt sogar eine Art Wettbewerb zwischen den Mitarbeitern in Neumark und denen im 20 km entfernten Gommla, wo die Familie eine weitere Sauenanlage betreibt. Alle versuchen, besser zu sein als die Kollegen am anderen Standort – allerdings auf freiwilliger Basis und nicht durch Druck von oben.


Der Erfolg gibt Roland Van Asten Recht: Im Schnitt werden derzeit 28 Ferkel pro Sau und Jahr abgesetzt bei einer Abferkelrate von 91 %. Das zeigt: gute Leistung erzielt man nicht durch Druck, sondern durch ein angenehmes Betriebsklima und motivierte Mitarbeiter, die sich mit dem Betrieb identifizieren.


250 Abferkelungen/Woche:

Der Ab-ferkelstall ist das Herzstück der Anlage. Denn hier wird der Grundstein dafür gelegt, dass Ferkel gut ins Leben starten. In der Hauptabferkelzeit haben alle gut zu tun. Schließlich ferkeln Woche für Woche rund 250 Sauen ab. Ein Mitarbeiter betreut jeweils ein Abteil mit 54 Abferkelplätzen. Donnerstags und freitags ist auch nachts jemand im Stall, um die Geburten zu über-wachen.


Sieben Tage vor dem geplanten Abferkeltermin werden die Sauen ins gereinigte und desinfizierte Abferkelabteil umgestallt. Die Ferkelnester werden mit Warmwasser beheizt. Sobald das erste Ferkel geboren ist, wird zusätzlich eine Wärmelampe angeschaltet, das Ferkelnest mit Desinfektionspulver eingestreut und die Uhrzeit mit Kreide auf der Buchtentür notiert. Hier werden auch die Geburtszeiten der nächsten Ferkel festgehalten, um bei Bedarf Geburtshilfe leisten zu können.


Sobald die Sau fertig abgeferkelt hat, werden die größten Ferkel mit einem flexiblen Kunststoffbrett im Nest fixiert, und die kleinen werden ans Gesäuge gesetzt, damit sie in Ruhe Biestmilch aufnehmen können. Zur Fütterungszeit werden dann alle Ferkel abgesperrt und erst wieder freigelassen, wenn die Sau wieder liegt.


Lebensschwache und kleine Ferkel bekommen per Spritze 5 ml Biestmilch ins Maul verabreicht. Vom zweiten bis achten Lebenstag wird allen Ferkeln zweimal täglich frisch angerührte Ferkelmilch in Anfütterungsschälchen angeboten. Dabei kommt ein neues Produkt aus den USA zum Einsatz, das von den Ferkeln gern aufgenommen wird und die Durchfallgefahr deutlich gesenkt hat. Ab dem neunten Tag erhalten die Ferkel zusätzlich Beifutter.


Flüssigfutter für alle:

Beeindruckt hat mich auch, dass alle Tiere flüssig gefüttert werden, auch die rund 16 000 Aufzuchtferkel. „Gerade in Betrieben dieser Größenordnung bietet die Flüssigfütterung enorme Vorteile“, argumentiert Roland Van Asten. Denn mit ihr lassen sich große Futtermengen in kurzer Zeit über weite Distanzen transportieren und dennoch computergenau ausdosieren.


In Neumark werden tagtäglich rund 35 Tonnen Trockenfutter verarbeitet, jeden Tag ein kompletter Sattelzug! Zudem lassen sich bei der Flüssigfütterung Nebenprodukte einsetzen und dadurch Futterkosten sparen. In Neumark sollen z. B. demnächst Kartoffeldampfschalen zum Einsatz kommen.


Zurzeit befinden sich im Betrieb noch vier Futterküchen: Jeweils eine für den Flatdeckbereich und die Jungsauen, eine für den Abferkelstall und eine für die tragenden Sauen. Sobald das geplante Futterhaus mit der Mahl- und Mischanlage fertiggestellt ist, soll es jedoch nur noch zwei Futterküchen geben: Eine für die Sauen und eine weitere für den 130 Meter abseits gelegenen Ferkelaufzuchtstall.


Im Abferkelbereich wird bis drei Tage nach dem Ferkeln zweimal täglich ausdosiert, vom vierten bis zehnten Tag nach dem Abferkeln dreimal täglich und ab dem zehnten Tag viermal pro Tag. Im Wartestall wird zweimal täglich flüssig gefüttert. Und im Flatdeck bekommen die kleinen Ferkel sechsmal täglich frisch angemischtes Futter. Das Ausdosieren erfolgt hier per Sensor.


Wichtig ist, dass bei der Hygiene keine Kompromisse eingegangen werden – besonders bei den Ferkeln! Doch auch hier bietet die Flüssigfütterung Vorteile. Denn der pH-Wert des Futters lässt sich problemlos kontrollieren. Und es können ganz exakt Futtersäuren zudosiert werden, um die Verdauung der Tiere zu stabilisieren.


Mein Fazit:

Das einwöchige Power-Praktikum im Betrieb Van Asten in Neumark hat mir gezeigt, dass sich auch große Anlagen mit dem richtigen Management, einem durchdachten Hygienekonzept und motivierten Mitarbeitern sehr erfolgreich managen lassen. Ich habe viel dazugelernt. Nochmals vielen Dank an alle, die mir das Praktikum ermöglicht, mich so herzlich aufgenommen und meine Fragen so geduldig beantwortet haben!

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