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MRSA, ESBL & Co. – das sind die Fakten

Lesezeit: 7 Minuten

Nur 2,4 % aller MRSA-Erkrankungen haben ihren Ursprung in der Nutztier­haltung. Eine Zusammen-stellung der Fakten von Tierarzt Dr. Ulrich Brinkmann aus Bippen.


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Krankenhauskeime können extrem gefährlich sein. In Deutschland erkranken nach Aussagen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene jährlich etwa eine Million Patienten an Infektionen mit derartigen Keimen. Für rund 40 000 Patienten enden diese Infekte tödlich.


Im Fernsehen und in Printmedien, von zahlreichen Politikern und selbst von Ärzten aus dem Humanbereich wird immer wieder behauptet, dass die Tierhaltung daran die Hauptschuld trage. Mehr als die Hälfte aller Ver­braucher ist inzwischen fest davon überzeugt, dass der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung dafür verantwortlich ist, dass immer mehr Keime gegen immer mehr Antibiotika resistent werden. Das ergab eine aktuelle Studie des Bundesamtes für Risikobewertung (BfR) in Berlin. Doch stimmt das?


MRSA-Probleme hausgemacht:

Bei der Diskussion um Krankenhausinfektionen geht es um Erreger, die bereits gegen mehrere Antibiotika bzw. Wirkstoffgruppen wirkungslos sind. Man bezeichnet sie auch als mehrfach resistente Keime. Das sind vor allem schleimhautbesiedelnde MRSA-Keime (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) und Darmbakterien mit Mehrfach­resistenzen, sogenannte ESBL-Bildner (Extended-Spectrum Betalactamasen).


Diese Keime können bei geschwächten Personen Lungenentzündungen, Blutvergiftungen, Wundinfektionen und Durchfälle auslösen, die sich kaum noch antibiotisch behandeln lassen.


Doch kommen diese krank machenden Bakterien wirklich aus Geflügel-, Rinder- und Schweineställen? Deutschlandweit stammen nur 2,4 % aller MRSA-Keime, die zu Erkrankungen führen, von Nutztieren, hat das Robert-Koch-Institut (RKI) im Jahr 2012 herausgefunden. Es handelt sich dabei um sogenannte la-MRSA (live­stock-acquired MRSA).


Lediglich bei den Tierhaltern selbst, Tierärzten und Viehtransporteuren kann der la-MRSA eine größere Bedeutung haben. Deshalb sollten sich diese Berufsgruppen grundsätzlich auf eine MRSA-Besiedlung untersuchen lassen, bevor sie sich einer planbaren Opera­tion unterziehen.


98 % Keime aus Humanbereich

: Im Umkehrschluss heißt das, dass 97,6 % aller MRSA-Erkrankungen durch den Menschen besiedelnde Keime verursacht werden. Und die bereiten vor allem in Krankenhäusern, Altenheimen und Reha-Einrichtungen Probleme.


Wie wenig die Krankenhauskeim-Problematik mit der Nutztierhaltung zu tun hat, verdeutlicht auch eine Untersuchung, die die regionale Verteilung der MRSA-Fälle in Niedersachsen beleuchtet: Die meisten Krankenhaus-infektionen mit MRSA-Keimen treten nicht dort auf, wo die Nutztierhaltung am intensivsten ist (siehe Übersicht 1). Ganz im Gegenteil: In den fünf Landkreisen mit den höchsten MRSA-Raten werden kaum Nutztiere gehalten.


Ähnlich ist die Situation bei ESBL-bildenden Bakterienstämmen. Das sind Bakterien wie Escherichia coli und Klebsielen, die sich selbst mit den zu den Reserveantibiotika gehörenden Cephalosporinen der 3. und 4. Generation kaum noch behandeln lassen.


Auch bei ESBL-Infektionen gibt es bis jetzt keinen Nachweis, dass die verursachenden Erreger direkt von Nutztieren stammen. Denn Nutztiere und Menschen werden von unterschiedlichen ESBL-Bakterien besiedelt, wie neueste Untersuchungen in 47 Schweine haltenden Betrieben in Niedersachsen und NRW belegen.


Anders sieht die Situation bei unseren „Kuscheltieren“ aus, wie zahlreiche europäische Studien belegen. Hunde und Katzen werden zu einem hohen Anteil von den gleichen ESBL-bildenden Bakterien besiedelt wie der Mensch.


Trotzdem ist größte Vorsicht geboten. Denn bei ESBL-Bakterien besteht eine erhöhte Gefahr, dass die Bakterien, die Tiere und Menschen besiedeln, ihr Erbmaterial für Resistenzen untereinander austauschen.


ESBL-Keime auch auf Salat:

ESBL-Bakterien findet man auch auf Gemüse oder Sprossen. Untersuchungen haben ergeben, dass man im Darm von Vegetariern sogar höhere Anteile solch resistenter Keime findet als im Darm von Fleischessern. Das mag auch daran liegen, dass Salate und Sprossen vor dem Verzehr nicht erhitzt werden.


Der bislang schwerste Fall einer ESBL-Infektion in Deutschland ereignete sich im Jahr 2011, als tausende von Menschen an einer EHEC-Infek-tion (Enterohämorrhagische Escherichia Coli) erkrankten. 53 infizierte Personen starben sogar daran.


Die verantwortlichen Behörden forschten intensiv und schnell, bis sie den verursachenden Keim aufgespürt hatten. Es handelte sich um ein spezielles Colibakterium, das man auf den Sprossen von Bockshornklee fand und das ein gefährliches Gift produziert. Auch dieser spezielle EHEC-Keim wurde weltweit noch nie bei Tieren gefunden. Übertragen wurde er durch infizierte Menschen, wie aus dem Abschlussbericht des RKI hervorgeht.


Eine große Gefahr bei der Ausbreitung von Resistenzen stellt der internationale Reiseverkehr dar, wie eine aktuelle Studie der Leipziger Uniklinik belegt. Besondere Vorsicht ist demnach bei Reisen nach Indien, China oder in die Türkei geboten. Reisende, die aus diesen Ländern nach Deutschland zurückkehren, haben häufig resistente Keime „im Gepäck“.


Die Uniklinik Leipzig hat Reisende in diese Länder vor und nach ihrem Trip untersucht. Das Ergebnis: Beim Abflug waren 6,8 % aller untersuchten Personen ESBL-positiv. Nach ihrer Rückkehr aus Indien waren es dagegen rund 70 %. Und aus Südostasien kehrten 50 % aller Reisenden ESBL-positiv wieder heim.


Antibiotika reduzieren:

Dass die Probleme mit multiresistenten Krankenhauskeimen in den letzten Jahren dramatisch zunehmen, hat vor allem folgende Gründe:


  • Erstens liegt es an der Häufigkeit und der Art der Antibiotikagaben in der Humanmedizin;
  • Und zweitens an der Qualität der in deutschen Kliniken praktizierten Krankenhaushygiene.


Dass es bei vergleichbaren Voraus­setzungen in der Tierhaltung deutlich weniger Probleme in Krankenhäusern geben kann, zeigt der Vergleich mit den Niederlanden. Dort ist die Viehdichte sogar noch höher als bei uns. Und die holländischen Rinder, Schweine und Hühner sind ebenso von MRSA-Keimen und ESBL-Bildnern besiedelt wie unsere Nutztiere.


In Holland verordnen die Humanmediziner ihren Patienten aber wesentlich seltener Antibiotika als in Deutschland, wie die sogenannte Aritmo-Studie aus dem Jahr 2008 belegt. Und es kommen auch deutlich seltener Reserveanti­biotika zum Einsatz als bei uns. Von deutschen Humanmedizinern werden bei mehr als 50 % aller antibiotischen Behandlungen Reserveantibiotika verschrieben, in der Tiermedizin dagegen nur in 1,2 % aller Fälle.


Beispiel orale Cephalosporine: In Deutschland handelt es sich bei jedem zweiten Antibiotikum, das an Kinder unter 15 Jahren verschrieben wird, um solch ein Produkt. In den Niederlanden werden dagegen fast gar keine oralen Cephalosporine verschrieben.


Interessant ist auch, welche Ärzte im Humanbereich die meisten Antibiotika verschreiben. Das sind, wie Untersuchungen ergeben haben, nicht Krankenhäuser und Kliniken. 85 % aller Antibiotika werden im ambulanten Bereich verschrieben, also von Hausärzten (53 %), Internisten (14 %) und Kinder- sowie Hals-Nasen-Ohren-Ärzten (je 7 %), wie aus Übersicht 2 hervorgeht.


In den Niederlanden werden dagegen sowohl im ambulanten Bereich als auch in Krankenhäusern deutlich weniger Antibiotika eingesetzt, wie der Mi-krobiologe und Krankenhaushygieniker Professor Dr. Alexander Friedrich vom Uniklinikum Groningen bestätigt. Und das spiegelt sich in den Resistenzauswertungen wider: Während in Deutschland mehr als 20 % aller Staphylococcus aureus-Bakterien multiresistent sind, sind es in Holland weniger als 1 %!


Mangelnde Klinikhygiene:

Ein weiterer entscheidender Unterschied zwischen beiden Ländern besteht in der Intensität der Krankenhaushygiene.


In den Niederlanden arbeiten in 92 % aller Krankenhäuser Ärzte für Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, die sehr eng in den Klinikalltag eingebunden sind (siehe Übersicht 3). Allein im Uniklinikum Groningen sind 24 Hygiene-Fachärzte beschäftigt. In Deutschland dagegen verfügen nur 5 bis 10 % aller Krankenhäuser über derartige Spezialisten.


Das Problem: Bei uns gibt es viel zu wenig Ärzte, die sich auf dieses Fachgebiet spezialisieren. Um das Defizit zu beheben, müsste dieser Arbeits- und Forschungsbereich viel attraktiver gestaltet werden – im Berufsleben ebenso wie im Studium.


Im täglichen Geschäft kommt die Hygiene in vielen deutschen Krankenhäusern zu kurz. Beim Pflegepersonal wurden aus Kostengründen viele Stellen gestrichen, sodass die verbliebenen Pflegekräfte oftmals gar nicht die Zeit haben, die Hygieneregeln so intensiv zu leben, wie dies eigentlich nötig wäre. In den Niederlanden ist der Personalschlüssel günstiger. Jede Pflegekraft muss weniger Patienten betreuen, sodass sich strenge Hygieneregeln leichter umsetzen lassen. Zudem werden Pflegekräfte und Ärzte in puncto Hygiene dort intensiver geschult.


Unterschiede gibt es auch bei der Aufnahme neuer Patienten. In den Niederlanden werden Patienten, die in ein Krankenhaus kommen, viel intensiver auf multiresistente Keime untersucht als bei uns. Sie werden auch besser isoliert, bis das Testergebnis vorliegt. Und wenn sich herausstellt, dass sie wirklich Träger multiresistenter Keime sind, bleiben sie in Quarantäne. So wird der Keimeintrag deutlich reduziert.


Inzwischen wenden auch in Deutschland einige Krankenhäuser die holländischen Hygienestandards an. Im Kreiskrankenhaus Schramberg im Schwarzwald arbeiten Ärzte und Pfleger z. B. seit 2005 nach den holländischen ­Hygieneregeln. Dadurch konnten die MRSA-Neuinfektionen fast auf Null gesenkt werden.-lh-

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